NachrufUdo Walz stirbt mit 76 – der Starcoiffeur tat Berlin gut
Von Bruno Bötschi
21.11.2020
Zu seinen Kundinnen zählten Angela Merkel und Gwyneth Paltrow, aber auch einer RAF-Terroristin hat er die Haare geschnitten. Star-Coiffeur Udo Walz ist tot. Ein Interview, dass «blue News»-Redaktor Bruno Bötschi vor zwei Jahren führte, als Nachruf.
Kurfürstendamm in Berlin: Udo Walz sitzt auf einem Sofa neben dem Eingang seine Haarsalons und weist einen Mitarbeiter zurecht. Der Schnitt sei ihm wunderbar gelungen, aber er habe zu viel mit der Kundin gesprochen. Dann wendet er sich dem Journalisten zu, guckt böse und sagt: «Und was wollen Sie?»
Unglaublich, wem der Berliner Star-Coiffeur schon alles die Haare geschnitten hat: Es geht von Romy Schneider, Maria Callas, Sophia Loren über Claudia Schiffer, Gerhard Schröder bis hin zu Demi Moore.
Mit Hollywood-Schauspielerin Gwyneth Paltrow lag er sogar einmal im Bett, bevor er ihr die Haare schnitt. Und 1970 verpasste er, ohne es zu wissen, RAF-Terroristin Ulrike Meinhof eine neue Frisur.
Herr Walz, wer schneidet Ihnen die Haare?
Die Haare schneiden kann mir, wer will.
Es ist Ihnen nicht wichtig, dass es immer die gleiche Person tut?
Nein, ich habe auch Lehrlinge, die mir die Haare machen. Die zittern dann zwar ordentlich, aber ich will schliesslich sehen, was die können.
Und selber die Haare schneiden?
Dazu bin ich zu faul.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist …
… eine treue Kundin von mir. Ihretwegen bin ich in die CDU eingetreten. Ich finde die Frau spannend. Und sie setzt sich immer durch.
Stimmt es, dass Frau Merkel während Sie ihr die Haare machen, ständig SMS checkt?
Ja, sie ist meistens am Handy. Ich kenne niemanden, der schneller Messages tippen kann als Frau Merkel.
Kommen eigentlich viele AfD-Politikerinnen und –Politiker zu Ihnen die Haare schneiden?
Keine.
Welchen Schnitt würden Sie Alice Weidel verpassen, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag?
Ich will niemanden verändern. Wenn jemand in den Spiegel guckt und sich gut findet, muss er so bleiben, wie er ist. Ich bin aber ein Fan von langen Haaren bei älteren Frau. Mein Credo ist: Je älter die Frauen werden, desto länger sollten ihre Haare sein. Viele meiner Kollegen behaupten das Gegenteil. Aber das ist völliger Quatsch.
Warum ist das Quatsch?
Kurze Haare bei Frauen ab 45 machen das Gesicht hart, weil die Konturen frei liegen.
Sie feiern in wenigen Tagen den 50. Geburtstag Ihres Salons in Berlin. Welche Erinnerungen haben Sie an den allerersten Kunden, dem Sie die Haare abschneiden durften?
Erstaunlicherweise durfte ich bereits im zweiten Lehrjahr meinem Chef die Haare schneiden. Ich war also nicht ganz talentfrei.
War Coiffeur Ihr Traumberuf?
Nein. Ich hätte gerne im Hotelfach gearbeitet. Aber meine Eltern waren zu arm, als dass Sie mir den Besuch der Hotelfachschule hätten bezahlen können.
Sie gelten als charmanter und geistvoller Unterhalter: Haben Sie das mit der Muttermilch aufgesogen oder wer hat Ihnen das beigebracht?
Weiss ich nicht. Ich mache den Damen viele Komplimente. Ich lüge nie, weil ich immer sage: Ich brauche nicht Schmeicheln, ich zahle meine Miete selber. Wenn eine Frau schön ist, mache ich schöne Komplimente. Aber Schönheit ist relativ. Ich achte immer darauf, wie der Mensch sich bewegt, wie der Gang ist, die Allüre finde ich ganz wichtig.
Und wenn die Frau nicht so gut aussieht?
Sage ich gar nichts. Aber ich habe ein Buch gemacht mit dem Titel «Jede Frau ist schön». Wenn man den richtigen Coiffeur hat, das richtige Make-up und die richtigen Kleider trägt, kann jede Frau schön sein.
Wie lautet Ihre Standard-Einstiegsfrage an die Kundin, an den Kunden?
Ich gucke den Menschen an, dann sage ich: «Bitte stehen Sie einmal auf, damit ich sehe, wie gross Sie sind.» Danach mache ich die Beratung, die mindestens 20 Minuten dauert.
Was ist der schwierigste Schnitt?
Schwierig ist gar nichts, wenn man es kann. Aber ob lang, mittel oder kurze Haare, man muss sich immer Mühe geben und genug Zeit nehmen.
Welches ist Ihr wichtigstes Werkzeug?
Eine Schere, die gut schneidet. Meine kommt aus Japan und hat 2'000 Euro gekostet.
Ihr Geheimrezept beim Schneiden?
Oft lasse ich die Kundin, den Kunden aufstehen, weil ich gerne im Stehen schneide. Und ich rede nicht beim Schneiden. Das war schon immer meine Devise, niemanden zu fragen, wer er ist und was er beruflich macht.
Man sagt, die Haare seien Abbild der Gesundheit und der Psyche eines Menschen.
Das stimmt nicht. Es kommen oft Frauen zu mir, die sich gerade getrennt haben oder verlassen worden sind, und deshalb eine neue Frisur wollen. Ihre Haare verändern sich deshalb nicht. Aber natürlich lässt mit zunehmendem Alter die Spannkraft der Haare nach.
Sind ungepflegte Haare mit herausgewachsenem Schnitt so etwas wie abgelaufene und ungeputzte Schuhe?
Ja.
Gibt es eine Faustregel, wie oft man zum Coiffeur gehen sollte?
Eine Frau alle vier Wochen.
Und die Männer?
Auch alle vier Wochen. Die Männer sind sehr eitel geworden, sie gehen heute viel öfter zum Coiffeur als früher.
Volkskrankheit Schuppen – was hilft wirklich dagegen?
Die richtige Ernährung. Und meine Oma hatte ein ganz eigenes Hausrezept: Sie schmierte sich Butter auf die Kopfhaut. Aber natürlich gibt es heute auch Shampoos, die helfen können.
Conditioner – ja oder nein?
Es kommt auf die Struktur der Haare an. Wer gefärbte Haare hat, sollte auf alle Fälle einmal in der Woche Conditioner verwenden.
Sexsymbol Glatze: Steht sie jedem Mann?
Nein. Für eine Glatze muss man eine gute Kopfform haben. Ich finde, jungen Männern stehen Haare besser. Ich sage immer: Wer Haare hat, soll sie stehen lassen.
Welches ist das grösste Missgeschick, dass Ihnen als Coiffeur passierte?
Bei einer berühmten US-amerikanischen Schauspielerin habe ich vergessen, den Wasserstoff in die Farbe anzurühren. Nachdem wir die Farbe abgewaschen hatten, war der Ansatz immer noch da. Sie kam dann einfach am nächsten Tag nochmals vorbei.
Welchen Fehler macht Trumps Coiffeur?
Der hat eine Schablone für den Kopf von Donald Trump und muss eine ganze Kammer voller Haarsprays haben.
Spontan: Zwei Vorbilder in Sachen Frisur?
Wer ein gutes Vorbild ist, ist die Sophia Thomalla. Sie ist meine Muse. Kennen Sie die in der Schweiz?
Sie meinen die Ex-Freundin von Rammstein Musiker Till Lindemann?
Genau. Schauen Sie, die sitzt gerade da hinten. Die hat doch auf Instagram ganz viele Follower. Ein grosses Vorbild in Sachen Haaren ist zudem Schauspielerin Ursula Karven.
Und unser Schweizer Tennisstar Roger Federer: Ist seine Frisur auch Weltklasse?
Ja. Roger Federer hat sehr schönes und sehr volles Haar. Vor Jahren habe ich ihm einmal den Krawattenknopf binden dürfen, weil er es damals noch nicht konnte.
Und die Haare haben Sie ihm auch schon gemacht?
Ja.
Wirklich wahr, dass Sie 1970 der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof die Haare gemacht haben?
Ich wusste nicht, wer die forsche junge Frau war, die in meinen Salon kam. Für mich war das eine Kundin wie jede andere. Sie sass hin und sagte: Ich will es blond und kurz. Ich habe ihr dann minutenlang versucht zu erklären, dass dabei die Haare abbrechen können. Irgendwann sagt sie: «Ich will nicht hören, was vielleicht sein könnte, ich will jetzt blonde kurze Haare.» Ich habe das also gemacht, danach hat sie sich bedankt und mir ein Trinkgeld gegeben. Drei, vier Tage später sah ich in der Zeitung ein Bild von der Frau und realisierte, dass es die Meinhof war und sie von der Polizei gesucht wird. Meine Frisur ist dann sogar auf den Fahndungsplakaten gelandet.
Sind prominente Frauen kompliziert?
Überhaupt nicht.
Warum sind die Haare für Frauen wichtiger als Männer?
Weil die Haare Signalwirkung haben. Die Männer gucken bei den Frauen zuerst auf die Brust und dann auf die Haare.
Warum sind Frauenschnitte so viel teurer als Herrenschnitte?
Bei Udo Walz nicht. Und was andere machen, ist mir Wurst.
Warum haben über 80 Prozent der Frauen gefärbte Haare?
Jugend, Jugend, Jugend, heute grassiert der Jugendwahn. Aber die Farbe Grau wird langsam wieder zum Modetrend. Birgit Schrowange, Moderatorin der RTL-Sendung «Extra», trägt ja schon seit längerem graue Haare. Sie sieht damit aber älter aus.
Würden Sie der Frau Schrowange empfehlen, Ihre Haare wieder zu färben?
Wenn man graue Haare hat, braucht es einen verrückten Haarschnitt. Ich glaube, die Frau Schrowange ist gerade auf dem Weg dazu.
Soll man seinem Coiffeur beichten, dass man letztes Mal bei einem anderen war, oder sollte man das lieber sein lassen?
Mir ist es egal, wenn jemand bei einem anderen Coiffeur war, und deshalb muss bei mir auch niemand beichten. Ich gehe schliesslich auch nicht jeden Tag ins gleiche Restaurant essen.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Mein Geheimnis ist, dass ich kein Geheimnis habe.
«Das schönste Kleidungsstück, das eine Frau tragen kann, ist die Umarmung eines Mannes, den sie liebt», hat Yves Saint Laurent gesagt …
… ach, die Zeiten haben sich schon lange geändert.
Welches ist die schönste Frisur, die eine Frau tragen kann?
Ich mag gerne Chignon-Frisuren. Romy Schneider war eine meiner Lieblingskundinnen und trug manchmal einen. Das fand ich immer wunderschön. Mit Romy Schneider war ich sehr gut bekannt, wir gingen oft zusammen essen. Wen ich auch sehr gerne mag, ist die Gwyneth Paltrow. Da gäbe es auch eine schöne Geschichte zu erzählen, aber Sie können das ja nicht schreiben, weil Sie nur so wenig Text zu Verfügung haben.
Bitte erzählen Sie.
Vor ein paar Jahren hat mich Gwyneth Paltrow ins Hotel zum Haare machen bestellt. Ich ging also mit meinem silbernen Köfferchen da hin. Nachdem ich an die Zimmertüre geklopft hatte, machte jemand die Türe auf, rannte aber gleich wieder weg. Ich ging also ins Zimmer rein. Da lag Gwyneth Paltrow bereits wieder im Bett. Ich fragte, was los sei. «Ach, wir machen die Haare erst morgen», antwortete sie. Ich habe mich dann zu ihr ins Bett gelegt und wir haben noch etwas geredet. Später hat sie mir den schönsten Blumenstrauss geschenkt, den ich je in meinem Leben bekommen habe. Er war einen Meter breit und einen Meter hoch.