Hightech-Waffen für die Ukraine «Als würde man mit einem iPhone 13 nur telefonieren»

Von Gabriela Beck

7.6.2022

Der Raketenwerfer vom Typ «Mars» kann in einer Minute zwölf Raketen mit 8000 Bomblets 32 Kilometer weit abfeuern. Deutschland will vier Exemplare aus Beständen der Bundeswehr in die Ukraine liefern. Die USA übernehmen die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an den Systemen.
Der Raketenwerfer vom Typ «Mars» kann in einer Minute zwölf Raketen mit 8000 Bomblets 32 Kilometer weit abfeuern. Deutschland will vier Exemplare aus Beständen der Bundeswehr in die Ukraine liefern. Die USA übernehmen die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an den Systemen.
Wolfgang Eilmes/KEYSTONE/DPA

Ukrainische Kämpfer erhalten immer ausgefeiltere Hightech-Waffen aus dem Ausland. Deren Bedienung und Wartung ist aber nicht so einfach.

Von Gabriela Beck

7.6.2022

Mehr als 100 Tage, nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist, konkretisieren sich die Zusagen des Westens, schwere Präzisionswaffen an die Ukraine zu liefern. Diese würden es den ukrainischen Soldaten ermöglichen, sich besser gegen die Angriffe Russlands zu wehren, die mit ihrer Langstreckenartillerie ganze Städte dem Erdboden gleichmachen.

Erst am Montag teilte Grossbritannien mit, der Ukraine mehrere Mehrfachraketenwerfer des Typs M270 mit bis zu 80 Kilometer Reichweite zu schicken. Auch Spanien will dem Land nach einem Bericht der Zeitung «El País» deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A4 sowie Luftabwehrraketen liefern. Die Vereinigten Staaten hatten Tage zuvor die Lieferung von Waffen mit hoher Reichweite angekündigt. Deutschland will sieben Panzerhaubitzen 2000 aus Bundeswehr-Beständen an die Ukraine abgeben. Selbst schweres Gerät wie Flugabwehrpanzer ist kein Tabu mehr.

Ausbildung verzögert Einsatz vor Ort

Doch niemand in der ukrainischen Armee weiss, wie man sie benutzt. Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten im Umgang mit der Hightech-Ausrüstung ist zu einer erheblichen Hürde geworden, die deren Einsatz vor Ort deutlich verzögert. So soll nach Plänen der britischen Regierung die Ausbildung an dem für die Ukraine vorgesehenen Raketenwerfer-System in Grossbritannien stattfinden. Die Ausbildung an den Panzern aus Spanien soll zunächst in Lettland und später in Spanien erfolgen. Am 11. Mai begann in Deutschland die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den auf einem Panzerfahrgestell montierten Haubitzen. Sie soll nach rund 40 Tagen im Juni abgeschlossen werden, wie der «Tagesspiegel» berichtet.

Manch hochgezüchtete Geräte sind aber auch bereits vor Ort im Einsatz – und verursachen dort Probleme. So sicherte sich die Artillerieeinheit von Dmytro Pysanka vor über einem Monat einen vom Westen gelieferten Hightech-Entfernungsmesser, der Entfernungen mithilfe von Lasertechnik misst. Liest man das Kaleidoskop aus Zahlen und Zeilen korrekt, liefert es die nötigen Angaben für eine präzise Zielberechnung.

Bedienungsanleitung per Übersetzungs-Software

«Es ist, als würde man ein iPhone 13 bekommen und nur telefonieren können», schimpft Dmytro Pysanka in der «New York Times». Einige Soldaten seien fähig gewesen, das Gerät zu bedienen, wechselten dann aber woanders hin und liessen die Einheit mit einem nutzlosen Stück Technik zurück. «Ich habe versucht zu lernen, wie man es benutzt, indem ich das Handbuch auf Englisch gelesen und Google Translate verwendet habe, um es zu verstehen», sagt Dmytro Pysanka der US-Zeitung weiter.

Bei Lieferung von Raketen: Putin droht dem Westen

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Das Dilemma unterstreicht die Problematik, die mit den Forderungen der Ukraine nach westlichen Hightech-Waffen und -Ausrüstung einhergeht: Ob Panzerabwehrraketen, Haubitzen oder satellitengesteuerte Raketen – die ukrainischen Truppen müssen wissen, wie man sie einsetzt. Ohne angemessenes Training, das aufgrund der anspruchsvollen Technik manchmal Monate dauert, funktioniert das nicht.

Und auch die Wartung spielt eine Rolle. «Ukrainer sind bestrebt, westliche Geräte einzusetzen, aber für deren Wartung ist eine Schulung erforderlich», sagt Michael Kofman, Direktor für russische Studien am CNA, einem Forschungsinstitut in Arlington, Virginia, zu «New York Times». Würden Waffen ohne ausreichende Ausbildung bereitgestellt, drohe Analysten zufolge das gleiche Debakel wie in Afghanistan, wo die Vereinigten Staaten das afghanische Militär mit Ausrüstung versorgten, die ohne massive logistische Unterstützung nicht gewartet werden konnte.

Zu guter Letzt sei die Lieferung solcher Hightech-Waffen nicht ohne Risiko, schreibt die «Wirtschaftswoche». Militärexperten graue davor, dass etwa eine Panzerhaubitze 2000 in russische Hände falle. Denn damit bekäme der Aggressor eine Art Bauanleitung und könnte ähnliche Waffen nachbauen.