Ruhe vor dem Sturm? Der Nebel des Militärangriffes in Syrien lichtet sich - und nun?

Claudia Thaler, Maren Hennemuth, Benno Schwinghammer, Sebastian Kunigkeit / dpa

16.4.2018

Nach Trumps Tweet zitterte die Welt, der Militärschlag des Westens löst Unbehagen aus. Doch vorerst scheint die direkte Konfrontation in weite Ferne gerückt. Aber wie geht es weiter?

Den syrische Machthaber Baschar al-Assad bringen Raketenangriffe zumindest offiziell nicht aus der Ruhe. Auch weil er mächtige Freunde hinter sich weiss. Die Frage ist nun: Was bedeuten die Militärschläge für die Beziehungen zwischen den USA und Russland? Bleiben sie so folgenlos wie die Marschflugkörper vor einem Jahr? 

Russlands Militärstratgie

Politiker und Experten waren sich sicher, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland kommen werde. Nun ist der Tenor in Moskau ein anderer, auch weil Washington gemässigter als angenommen reagierte. Aus Moskauer Sicht ist der Militärschlag ziemlich verpufft. Nicht einmal russische Stellungen seien angegriffen worden, die syrischen Streitkräfte hätten die Raketen mit jahrzehntealter Sowjettechnik schnell vom Himmel geholt.

Der kremlnahe Politologe Fjodor Lukjanow hält eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und Russland für höchst unwahrscheinlich. «Die Ziele wurden sorgfältig ausgewählt, so dass die Situation nicht ausser Kontrolle geraten wird», sagte der Herausgeber der Zeitschrift «Russia in Global Affairs».

Präsident Wladimir Putins Macht speist sich innenpolitisch auch aus den aus Moskauer Sicht aggressiven Kurs des Westen. Russland sieht sich als Opfer russophober Kampagnen. Man betont immer wieder, dass die Beziehungen zum Westen so schlecht sind wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Eine Reaktion könnte trotzdem noch kommen. Putin weiss aber auch, welches Eskalationspotenzial ein Gegenschlag hat - und darauf will er zur Zeit eher verzichten.

Eine neue Trump-Doktrin?

Die USA vermieden bei dem Angriff sorgfältig, was als Eskalation zwischen den Atommächten gelten könnte. Sie machten einen Bogen um russische oder iranische Stellungen, sahen von einer Provokation Moskaus oder Teherans ab.

Eine klare Nahost-Strategie Washingtons ist nicht erkennbar. Trump hat in seiner Rede an die Nation den Nahen Osten als einen «unruhigen Ort» markiert. Er denkt in Bezug auf Syrien in zwei Kategorien: den Kampf gegen den IS, den er für so gut wie beendet hält, und den Bürgerkrieg, aus dem er sich raushalten will. Ob seiner Regierung daran gelegen ist, eine diplomatische Initiative voranzutreiben, ist unklar.

Die Beteiligung der USA an der Suche nach einem politischen Kompromiss sei aber die «einzige Art, der russischen Dampfwalze entgegenzutreten und eine politische Lösung in Syrien zu finden», zitiert die Zeitung «Le Monde» einen französischen Diplomaten.

Trump verwies derweil auf die anderen Mächte in der Region: Ein verstärktes Engagement Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Katars, Ägyptens und anderer könne gewährleisten, «dass der Iran nicht von der Vernichtung des IS profitiert». Manche, wie das Magazin «The Atlantic», nennen diese Mixtur aus Heraushalten und Interessenverteilung die «Trump-Doktrin» für den Nahen Osten.

Macrons Strategie

Dem Westen ging es bei dem Angriff auch um Glaubwürdigkeit. Es könnte ein Versuch gewesen sein, seine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen: ein Wink an Russland, das felsenfest hinter dem syrischen Präsidenten steht und mit den Astana-Gesprächen versucht, eine Konfliktlösung ohne Einbindung des Westens zu zimmern.

Frankreich fordert, dass Moskau sein Kalkül ändert. Man hoffe, dass Russland verstanden habe, dass man nun die Bemühungen bündeln müsse, um einen politischen Prozess in Gang zu bringen, sagt Aussenminister Jean-Yves Le Drian. Paris verspricht neue diplomatische Initiativen und will diese auf Ebene der EU-Aussenminister und im UN-Sicherheitsrat vorantreiben.

Dort soll ein neuer, von Frankreich vorgelegter Entwurf für eine UN-Resolution Diplomaten zufolge die drängendsten Fragen des Konflikts zugleich angehen: das syrische Chemiewaffenprogramm soll beendet und Verantwortlichkeiten von Giftgasangriffen sollen geklärt werden. Zudem sollen eine landesweite Waffenruhe und ein gesicherter Zugang für humanitäre Helfer den Weg zu einer langfristigen politischen Lösung ebnen.

Die Erfolgschancen des Entwurfs sind unklar. Angesichts der ersten russischen Reaktionen scheint es mehr als fragwürdig, wie das Patt zwischen Russland und den drei westlichen UN-Veto-Mächten im Sicherheitsrat nun gebrochen werden sollte. Zumal die Frage ist, wie stark der demonstrative Schulterschluss zwischen Washington, Paris und London wirklich ist.

Assads Zukunft

Auf den Krieg in Syrien dürfte der Angriff vom Samstag nur begrenzte Wirkung haben. Die «klare Botschaft», von der US-Verteidigungsminister James Mattis sprach, ist ausschliesslich eine Antwort auf den mutmasslichen Giftgaseinsatz in Ost-Ghuta.

Präsident Al-Assad gibt sich entspannt: Russischen Abgeordneten sagte er nach der Attacke, Syrien werde den Handlungen des Westens keine Aufmerksamkeit schenken. Al-Assad, der wieder die Oberhand in Syrien hat, nimmt nun die restlichen Rebellengebiete ins Visier.

Vor gut einem Monat liess er sich dabei filmen, wie er höchstselbst nach Ost-Ghuta fuhr, um seinen Sieg zu demonstrieren. «Die Strasse ist frei», sagte er dabei. Diese Selbstsicherheit wird ihm auch der Angriff vom Samstagmorgen nicht genommen haben.

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