Proteste gegen den KriegDer Widerstand gegen Putin ist vielerorts weiblich
SDA
6.10.2022
Seitdem Putin die Teilmobilmachung verkündet hat, regt sich in vielen Landesteilen Widerstand – vor allem bei den Frauen.
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06.10.2022, 15:11
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Bereits zu Beginn von Putins völkerrechtswidriger «Spezialoperation» gab es in Russland Proteste gegen die militärische Invasion in der Ukraine. Weit mehr als 10'000 Menschen wurden in den ersten beiden Wochen des Konflikts bei Anti-Kriegs-Demonstrationen verhaftet. Darunter viele Frauen, die sich Putins Plänen beispielsweise zum Internationalen Frauentag am 8. März entgegenstellten.
Jetzt, wo der Ukraine-Krieg mit der Teilmobilmachung die Menschen besonders in den entlegeneren Regionen Russlands auch unmittelbar betrifft, wird der Widerstand wieder lauter. Viele Reservisten und ihre Angehörigen stehen nicht hinter Putins Angriffskrieg. Rekruten wollen sich nicht als Kanonenfutter an einer Front verheizen lassen, an der es für die russischen Truppen nicht gut läuft.
Die Wut gegen den sinnlosen Krieg wächst
Seit Putins Teilmobilmachung werden die Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg weitgehend von Frauen getragen – auch weil protestierenden Männern bei Festnahme die sofortige Einberufung drohen würde.
Die Ordnungskräfte vor Ort sind zuweilen vom lauten Widerstand der Frauen selbst überfordert, greifen andernorts aber auch rigoros durch. Die Bilder, die von den Aktionen in den sozialen Netzwerken geteilt werden, sprechen eine deutliche Sprache: In der Region Tuwa sieht man, wie eine junge Mutter mitsamt ihrem Säugling in ein Polizeifahrzeug verfrachtet wird.
In Tuwa fand eine Protestaktion gegen die Mobilisierung statt, wo die Sicherheitskräfte Frauen Festnahmen. pic.twitter.com/cdWqYeMd02
Im kaukasischen Dagestan begehren die Menschen gegen den Kreml auf und gehen dabei ein grosses persönliches Risiko ein. So wurde die Journalistin Yulia Vishnevetskaya am Rande einer Protestveranstaltung verhaftet und fünf Tage festgehalten. In dieser Zeit konnten ihre Angehörigen laut der Nachrichten-Plattform Caucasian Knot keinen Kontakt mit Vishnevetskaya aufnehmen.
Andere Mütter, Frauen und Schwestern von Rekruten kreischen in Dagestan einen Polizisten so lange an, bis dieser das Weite sucht. Im muslimisch geprägten Machatschkala schreien die Frauen den Ordnungskräften entgegen, dass Russland von niemandem bedroht sei. «Nein zum Krieg! Nein zum Krieg!», skandieren sie in einem Sprechchor.
Journalist Yulia Vishnevetskaya disappeared in Dagestan
Journalist Yulia Vishnevetskaya has gone missing after being detained in Makhachkala, where she was covering protests against mobilization.
Ethnische Minderheiten in Randregionen bei der Mobilisierung benachteiligt
Inzwischen wächst auch die Wut in entlegeneren Regionen wie im sibirischen Jakutien. Denn es spricht sich herum, dass Gebiete mit ethnischen Minderheiten von den Rekrutierungen ungleich stärker betroffen sind als andere. «Nein zum Genozid!», ruft eine Gruppe von Frauen den Ordnungskräften zu, während sie diese tanzend umkreist.
So sollen in Jakutien etwa 1,7 Prozent der wehrpflichtigen Männer zum Kriegsdienst herangezogen worden sein, während es im westrussischen Kursk nur knapp die Hälfte davon waren.
Auch offizielle Vertreter der Kommunen melden sich mittlerweile deutlich zu Wort – wie etwa Sardana Awksenatjewna, die ehemalige Bürgermeisterin von Jakutsk: «Ich schaue mir die Zahlen zur Mobilisierung nach Regionen an und kann mir deren Missverhältnis nicht erklären», schreibt sie in einem offenen Brief.
70 Prozent der Festgenommenen sind Frauen
Laut der Menschenrechtsgruppe OVD-info wurden auf Protesten gegen die Teilmobilisierung allein zwischen dem 21. und dem 26. September 2417 Menschen festgenommen – mehr als 70 Prozent davon sollen Frauen gewesen sein. «Der Protest hat jetzt ein klar weibliches Gesicht», schreibt OVD-info.
Kira Jarmysch, Sprecherin des internierten Oppositionsführers Alexej Nawalny, setzt grosse Hoffnungen in den weiblichen Protest: «… jetzt haben sich [die Frauen] zum Schutz ihrer Männer erhoben und haben keine Angst, die Dinge beim Namen zu nennen», sagt sie in einer Videobotschaft.