Geste in Demut Als Willy Brandt vor 50 Jahren auf seine Knie fiel

dpa/tafu

7.12.2020 - 16:17

Die Geste stellt alles in den Schatten, was je über die deutsche Schuld und die Sühne für die Nazi-Gräuel gesagt wurde: Am 7. Dezember 1970 fiel der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am Denkmal für die Helden des jüdischen Ghettos in Warschau auf die Knie, um der Millionen Opfer der Hitler-Diktatur zu gedenken.
Die Geste stellt alles in den Schatten, was je über die deutsche Schuld und die Sühne für die Nazi-Gräuel gesagt wurde: Am 7. Dezember 1970 fiel der damalige Bundeskanzler Willy Brandt am Denkmal für die Helden des jüdischen Ghettos in Warschau auf die Knie, um der Millionen Opfer der Hitler-Diktatur zu gedenken.
Bild: Keystone

Mit seinem Kniefall bat Willy Brandt vor 50 Jahren in Warschau um Vergebung für die Nazi-Verbrechen. Am Jahrestag wird die historische Bedeutung von Deutschen und Polen gewürdigt. Es zeigen sich aber auch Differenzen, was den Versöhnungsprozess angeht.

50 Jahre nach dem Kniefall Willy Brandts in Warschau haben Deutschland und Polen die Bedeutung der historischen Versöhnungsgeste bis in die heutige Zeit gewürdigt. «Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft», sagte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Videobotschaft zum Jahrestag. «Aber wir werden auch die Vergangenheit nicht vergessen. Nicht das Leid der Menschen in Polen, nicht den historischen Mut zur Versöhnung und auch nicht einen Kniefall, der uns an all das erinnert.»

In einer Erklärung der Kanzlei des polnischen Präsidenten Andrzej Duda hiess es: «Für uns Polen hatte der Kniefall von Kanzler Willy Brandt eine grosse Bedeutung. Es gibt Handlungen, die sich als Ikone erweisen, die mehr ausdrücken können als Worte.» Das gemeinsame Erinnern an diese Geste sei eines der Fundamente der guten, partnerschaftlichen und auf der Wahrheit beruhenden polnisch-deutschen Beziehungen.

Stellvertretend für die beiden Staatsoberhäupter legten Dudas Kanzleichef Krzysztof Szczerski und der Staatssekretär im Bundespräsidialamt, Stephan Steinlein, am Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos Kränze nieder. Dort war der damalige Bundeskanzler Brandt am 7. Dezember 1970 auf die Knie gefallen. Die Geste fand weltweit Beachtung als Bitte um Vergebung für die Verbrechen der Nazizeit und Zeichen für Versöhnung.

Stellvertretend für die Staatsoberhäupter legten Dudas Kanzleichef Krzysztof Szczerski und der Staatssekretär im Bundespräsidialamt, Stephan Steinlein, am Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos Kränze nieder.
Stellvertretend für die Staatsoberhäupter legten Dudas Kanzleichef Krzysztof Szczerski und der Staatssekretär im Bundespräsidialamt, Stephan Steinlein, am Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos Kränze nieder.
Bild: Keystone

Am 50. Jahrestag zeigten sich bei allen Würdigungen aber auch die Differenzen, die es hinsichtlich des Versöhnungsprozesses zwischen beiden Ländern gibt. Dudas Kanzleichef Szczerski betonte, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen sei. Ein weiterer Schritt sei das in Berlin geplante Denkmal für die polnischen Opfer des Dritten Reichs, sagte er der Nachrichtenagentur PAP. Auch müsse das Thema der Entschädigung für die von Nazi-Deutschland in Polen verursachten Kriegsschäden geklärt werden. «Ich glaube, dass wir bei den Reparationen in einem richtigen Moment bereit sein werden, uns an den Tisch zu setzen und diese Diskussion zu führen.»

Mögliche Reparationszahlungen stehen noch im Raum

Polen nationalkonservative Regierungspartei PiS hat in den vergangenen Jahren die Frage der Reparationen für die von den deutschen Besatzern verursachten Kriegsschäden wieder auf den Tisch gebracht. Es könnte dabei um einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag gehen. Die Bundesregierung lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. Für sie ist die Frage mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die aussenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen.



Von deutscher Seite ging vor oder am Jahrestag kein hochrangiger Vertreter auf die polnischen Ansprüche ein. Steinmeier begrüsste aber den Beschluss des Bundestags, ein Denkmal für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs an prominenter Stelle in Berlin zu errichten. «Dieses Denkmal setzt ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen. Es soll uns zugleich ständige Mahnung für eine bessere Zukunft sein», sagte er. Der Bundestag hatte die Bundesregierung Ende Oktober aufgefordert, einen solchen Gedenkort zu schaffen.

Das Erbe Willy Brandts verpflichtet

Auch der deutsche Bundesaussenminister Heiko Maas sprach sich in einem Gastbeitrag für die «Passauer Neue Presse» (Montag) für einen solchen Gedenkort aus. Und er würdigte Brandts Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion, der DDR und den anderen Staaten des Warschauer Pakts. «Wir leben heute in einem Europa, für das Willy Brandt die Fundamente legte», schrieb er. «Auf sein Werk bauen wir mit einer neuen europäischen Ostpolitik auf.»

Maas plädierte in diesem Zusammenhang dafür, die Ängste ost- und mitteleuropäischer Nachbarn vor Russland ernst zu nehmen. «Neben Angeboten des Dialogs sind daher klare deutsche Positionen gegenüber Moskau wichtig, um Vertrauen in Osteuropa zu erhalten», schrieb er. «Die weitere Aussöhnung mit unseren östlichen Nachbarn – besonders Polen – bleibt unsere grosse Aufgabe. Dazu verpflichtet uns das Erbe Willy Brandts.»

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