Spanische Reisebloggerin mehrfach vergewaltigt Indische Polizei verhaftet acht Männer

zis/dpa

6.3.2024 - 07:09

Drei der acht verhafteten Männer nach einer Gruppen-Vergewaltigung in Indien.
Drei der acht verhafteten Männer nach einer Gruppen-Vergewaltigung in Indien.
Polizei

Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist ein Problem, das seit Jahrzehnten in Indien grassiert. Frauenrechtlerinnen klagen, dass Polizei und Regierung nicht genug dagegen tun. Sie sehen sich durch einen neuen Fall bestätigt.

DPA, zis/dpa

Die Frau im Instagram-Video schien erschüttert, ihr Gesicht war geschwollen und teils blutunterlaufen. Mit ihrem Mann an der Seite begann sie ihre Geschichte zu erzählen. «Etwas ist uns zugestossen, das wir niemandem wünschen würden», sagte sie auf Spanisch mit englischen Untertiteln. Ihr Mann ergänzte: «Wir wurden im Zelt angegriffen. Wir wurden geschlagen. Sie hielten ein Messer an unsere Hälse, und sie wurde von sieben Männern vergewaltigt.»

In dem inzwischen gelöschten Video sagte die Frau, dass die Attacke auf sie und ihren Partner – beide Reiseblogger – spätabends am vergangenen Freitag in einem Wald in Indiens östlichem Bundesstaat Jharkhand verübt worden sei. Sie waren dort, im Bezirk Dumka, beim Campen, auf ihrem Weg ins benachbarte Nepal. Das ausländische Paar, das seine Reise auf einem Instagram-Account mit mehr als 200'000 Followern dokumentierte, wurde von einer Polizeistreife gefunden und in ein Spital gebracht. Dort berichtete die Frau, dass sie vergewaltigt worden sei. 

Die Polizei in Jharkhand bestätigte den Vorfall und nahm acht Männer fest, wie lokale Medien berichten. Die Polizei veröffentlichte Bilder der Verhafteten in den sozialen Medien.

Auch das Opfer selbst schrieb auf Instagram: «Sie haben acht Männer verhaftet.» Unklar ist noch, ob alle der acht Männer auch an der Tat beteiligt waren.

Landesweite Empörung

Der Fall löste landesweit einen neuen Aufschrei der Empörung über die wachsende sexuell motivierte Gewalt gegen Frauen aus und darüber, dass dieses seit Jahrzehnten grassierende Problem anscheinend nicht entschlossen genug angegangen wird. Berichte über entsetzliche Angriffe auf Frauen sind im Land praktisch eine Gewohnheit geworden. So hat die Polizei 2022 31'516 Vergewaltigungsfälle registriert, ein 20-prozentiger Anstieg im Vergleich zum Jahr davor, wie die indische Kriminalstatistikbehörde berichtet.

Und es wird angenommen, dass die wirkliche Zahl noch weitaus höher liegt, weil vermutlich viele Opfer schweigen – wegen des Stigmas, das sexuelle Gewalt umgibt, und mangelnden Vertrauens in die Polizei.

Frauenrechtsaktivisten zufolge ist das Problem besonders in ländlichen Gebieten verbreitet: Dort werden Opfer sexueller Angriffe manchmal von der Gemeinde öffentlich blossgestellt und erniedrigt, und Familien sorgen sich um ihre soziale Stellung. «Oft werden die Opfer ein weiteres Mal durch Beleidigungen zu Opfern gemacht, und das macht es sehr schwer für sie, das Verbrechen der Polizei zu melden. In solchen Fällen glauben Frauen, dass es besser ist, stumm zu bleiben», sagt Mariam Dhawale, eine Frauenrechtlerin und Generalsekretärin der All India Democratic Women's Association (Aidwa), Indiens grösster Frauenorganisation.

Tut Regierung nicht genug?

Das Problem sexueller Gewalt steht in Indien seit der Gruppenvergewaltigung und Tötung einer 23-jährigen Studentin in einem Bus in Neu-Delhi 2012 im Rampenlicht. Die Attacke löste massive Proteste aus und später dann die Schaffung von Gerichten, die sich im Schnellverfahren mit Fällen von Sexualstraftaten beschäftigen. Auch wurden Strafgesetze verschärft, und das Alter, ab dem mutmasslichen Sexualtätern der Prozess nach dem Erwachsenen-Strafrecht gemacht werden kann, ist von 18 auf 16 Jahre gesenkt worden.

Doch diese Schritte, so sagen Aktivisten, reichten nicht aus. Sie werfen der Regierung vor, weiterhin nicht genug zu tun, um Frauen zu schützen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. «Oft werden Ermittlungen in Vergewaltigungsfällen von der Polizei vermasselt, und Beweise werden nicht zeitgerecht gesammelt. Diese Fälle werden in die Länge gezogen, ohne jede Verurteilung, und die Schuldigen kommen frei davon», sagt Dhawale. Verurteilungen blieben selten und Fälle hingen oft jahrelang in Indiens überlastetem Strafjustizsystem fest. Die Verurteilungsrate in Vergewaltigungsfällen hat sich laut mehreren Regierungsberichten in den jüngsten Jahren unter 30 Prozent bewegt.

Mehrere Angriffe auf ausländische Besucherinnen haben internationales Aufsehen erregt. 2022 wurde eine britische Touristin in Goa vor den Augen ihres Partners vergewaltigt und im vergangenen Januar eine indisch-amerikanische Frau nach eigenen Angaben in ihrem Hotel in Neu-Delhi.

Im selben Monat hatte Indiens Oberstes Gericht die Rückkehr von elf vorzeitig freigelassenen Gruppenvergewaltigern in die Haft angeordnet. Ihr Opfer war eine Muslimin, die sie 2002 im Zuge religiös motivierter Ausschreitungen angegriffen hatten. Nach ihrer Freilassung 2002 auf Empfehlung eines Expertenrates im Bundesstaat Gujarat waren sie von ihren Angehörigen und Unterstützern mit Blumengirlanden empfangen worden.

Im vergangenen Jahr hatten indische Ringerinnen gegen den Chef des Ringerverbandes, Brij Bhushan Sharan Singh, demonstriert, ihm wiederholtes Betatschen von Frauen vorgeworfen. Nach monatelangen Protesten wurde Singh, ein einflussreicher Parlamentarier der Regierungspartei BJP von Premierminister Narendra Modi, wegen Belästigung, Stalking und Einschüchterung angeklagt. Er bestreitet die Vorwürfe.

Dhwale sagt, dass sexuelle Belästigungen und Gewalt gegen Frauen in Indien weiterhin häufig heruntergespielt würden, auch wenn aufsehenerregende Vergewaltigungsfälle Medienaufmerksamkeit fänden. «Wir sind ständig auf der Strasse, um zu protestieren, manchmal, um einen einzelnen Fall registriert zu bekommen», klagt sie. «Es sollte nicht so sein.»