Late Night USA «Immerhin liest Biden vom Teleprompter ab, ohne zu blinzeln wie Rocky»

Von Philipp Dahm

26.3.2021

Komischer Countdown bei «Fox»: Wie lange hat Biden schon keine Einzel-Pressekonferenz gegeben?
Komischer Countdown bei «Fox»: Wie lange hat Biden schon keine Einzel-Pressekonferenz gegeben?
Screenshot: YouTube

Joe Biden hat seine erste Einzel-Pressekonferenz als Präsident gehalten, die gerade vom konservativen TV-Sender «Fox News» mit einiger Ungeduld erwartet worden war, wie «Late Night with Seth Meyers» zeigt.

Von Philipp Dahm

26.3.2021

Mögen Sie sich noch an einen gewissen Donald Trump erinnern? Der Mann war mal US-Präsident und hat sich relativ regelmässig an die Öffentlichkeit gewendet. Sein Haus- und Hofsender «Fox News» hat sich offenbar daran gewöhnt und leidet unter Entzugserscheinungen.

Anders sind die Clips ab Minute 6:01 kaum zu erklären. «Präsident Biden ist nun bereits seit 43 Tagen im Amt und hat noch keine einzige Einzel-Pressekonferenz abgehalten», erregt sich da eine «Fox News»-Sprecherin. Und Moderator Sean Hannity grantelt: «No-show-Biden ist seit 43 Tagen im Amt und hat immer noch keine Einzel-Pressekonferenz gegeben.»

Dann sind es bald 46 Tage ohne, dann 48, dann 50. «Fox News» ist regelrecht schockiert: «Warum gab es noch keine Einzel-Pressekonferenz?», jammert Steve Doocy in «Fox & Friends». «Das ist die grosse Frage. Ist es wie in seinem Wahlkampf, als er sich im Keller versteckt hat?»

Steve Doocy (von links) mit seinem «Fox & Friends»-Kollegen cc , cc und dem süffisant grinsenden Sendungsgast Kayleigh McEnany.
Steve Doocy (von links) mit seinem «Fox & Friends»-Kollegen cc , cc und dem süffisant grinsenden Sendungsgast Kayleigh McEnany.
Screenshot: YouTube

Ausgerechnet Donald Trumps Ex-Sprecherin Kayleigh McEnany darf darauf antworten. «Das war die ganze Zeit seine Strategie: sich im Keller verstecken und nicht zum amerikanischen Volk sprechen, jetzt ins Weisse Haus einziehen und sich bildlich in einem anderen Keller verstecken, dem Oval Office.»

«Das kann man aus einer Meile Entfernung sehen»

«Warte mal», meint dazu Seth Meyers in seiner «Late Show», «ist das Oval Office, der berühmteste Raum der Welt, jetzt bildlich ein Keller? Wenn diese Leute einmal mit einem Satz kommen, den sie mögen, lassen sie nicht von ihm ab – egal, wie dumm er ist. Zumindest geht Biden ins Oval Office: Trump hat im Weissen Haus weniger Zeit verbracht als eine Touristen-Gruppe.»

Joe Biden legt vor, kommt in der konservativen Presse aber dennoch unter die Räder.
Joe Biden legt vor, kommt in der konservativen Presse aber dennoch unter die Räder.
Screenshot: YouTube

Doch endlich, endlich hat Joe Biden den Mut, sich der Presse zu stellen. John Roberts, «Fox News»-Korrespondent im Weissen Haus, will «Tonnen von Fragen» vorbereitet haben, sagt er vor dem Termin. Und seine Kollegen geben sich «absurden und haltlosen Spekulationen» hin, wie Meyers es ausdrückt – zu sehen ab Minute 7:57.

Da prognostiziert Moderator Stuart Varney: «Ich glaube, es wird dort einen Teleprompter geben, den man nur anmachen muss, wenn man die vorbereitete Antwort braucht.» Und dass Bidens Gehilfen sagen werden: «Du stellst jetzt diese Frage! Und du stellst jetzt jene Frage!» Varney weiss: «Das kann man aus einer Meile Entfernung sehen.»

Bidens mediale Entjungferung

Nach Trump sei es für «Fox News» offenbar unvorstellbar, dass ein Präsident auch eine kohärente Antwort liefern kann, ohne irgendwo abzulesen, kommentiert Meyers. «Zumindest kann Biden vom Teleprompter ablesen, ohne zu blinzeln wie Rocky in der 15. Runde gegen Apollo Creed. Immer, wenn Trump vom Teleprompter abgelesen hat, hatte er diesen schmerzverzerrten Blick eines Jungstudenten, der gezwungen wird, das Video einer Geburt zu gucken.»

Von links: Trump beim Ablesen vom Teleprompter in der UNO-Vollversammlung in New York, Box-Filmlegende Rocky («Adriaaaaaaan») und «Late Night»-Gastgeber Seth Meyers.
Von links: Trump beim Ablesen vom Teleprompter in der UNO-Vollversammlung in New York, Box-Filmlegende Rocky («Adriaaaaaaan») und «Late Night»-Gastgeber Seth Meyers.
Screenshot: YouTube

Und wie war sie nun, die mediale Entjungferung des 78-jährigen Nachfolgers von Trump, zu sehen ab Minute 8:53? Joe Biden verkündet da die Verdoppelung der Ziel-Zahlen in Sachen Impfung nach seinen ersten 100 Amtstagen. Denn die anvisierten 100 Millionen Impfdosen waren bereits nach 58 Tagen erreicht. «Kein anderes Land kommt da auch nur in die Nähe», sagt Biden.

Das sei das komplette Gegenteil von Donald Trumps Strategie «Viel versprechen, wenig abliefern», findet Meyers. Auch wenn Biden in der Pressekonferenz mitunter abschweift, wie der Clip ab Minute 10:32 zeigt. «Ich weiss nicht, wie viele Details Ihr zur Immigrationsfrage wollt? Vielleicht höre ich hier lieber auf.» Man wisse ja, dass die Medien bekanntermassen auf Details nicht so scharf seien, frotzelt der 47-Jährige.

«Wenn ich mit der TV-Kamera rede ...»

Was war ausser Covid noch Thema bei Bidens Termin? Der US-Präsident muss über die «Krise an der Grenze» sprechen, die rechte Medienhäuser heraufbeschwören, und die Frage beantworten, ob er Trumps Grenzregime zu schnell geändert habe. Und er wird auf die rund 250 neuen Gesetze angesprochen, die in 43 Bundesstaaten das Wählen erschweren.

Das sei «unamerikanisch» und müsse geändert werden, sagt Biden. Die historischen, rassistischen Jim-Crow-Gesetze würden dagegen wie «Jim Eagle» aussehen. Eine Krähe (crow) wird zu einem Adler (eagle)? Ein doch etwas schiefes Bild.

Und wenn wir dann schon bei schräg sind, spulen wir an den Anfang dieses «Late Night»-Segments zurück. Da geht es um Ted Cruz, der eine Pressekonferenz gibt – zu sehen ab Minute 1:14. Ein Reporter bittet den Republikaner da, doch eine Maske aufzusetzen. «Wenn ich mit der TV-Kamera rede», watscht Cruz den Journalisten ab, «trage ich keine Maske. Wir sind alle geimpft, also ...»

Later Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

«Ist das nicht nur Theater?»

Die Journalisten würden sich aber besser fühlen, wenn er es täte, geht die Szene weiter. Cruz: «Sie dürfen sehr gern ein Stück zurücktreten, wenn sie möchten.» «Wenn man eine anständige, normale Person ist und jemand einen höflich bittet, in Ihrer Firma eine Maske zu tragen, macht man es», nervt sich Meyers.

Zumal auch derjenige, der geimpft ist, die Krankheit übertragen könne, und die Gesundheitsbehörden ausserdem ganz andere Vorschriften dazu haben. Dass die Republikaner Mühe haben, dieses Pandemie-Basiswissen zu verstehen, hat nicht zuletzt der Senator Rand Paul bewiesen, der versucht hat, Immunologe Anthony Fauci ans Bein zu pinkeln, zu sehen ab Minute 4:04.

Paul will Fauci anmachen, weil der geimpft ist, aber dennoch zwei Masken trage. «Ist das nicht nur Theater?», pöbelt Paul. Fauci kontert: «Jetzt beginnt das Theater wieder.» Und weil das offenbar ebenfalls für präsidiale Pressekonferenzen gilt, ist das dann auch der perfekte Schlusssatz für diese Late-Night-USA-Kolumne.