Operationen in der SchweizKatar spionierte Fifa-Funktionäre mit Ex-CIA-Agenten aus
Andrea Moser
2.11.2022
Katar soll mit einer gross angelegten Spionageaktion den Fussballverband Fifa ausspioniert haben. Die Zielpersonen seien hohe Fussballfunktionäre sowie Gegner der WM in Katar gewesen.
Andrea Moser
02.11.2022, 18:25
11.12.2022, 13:22
Andrea Moser
Eine weltumspannende Geheimorganisation, die im Verborgenen das Weltgeschehen beeinflussen will. Was im ersten Moment wie das Drehbuch eines Spionage-Thrillers tönt, ist laut Recherchen von «SRF Investigativ» in Wirklichkeit so geschehen: Katar soll jahrelang hohe Fussballfunktionäre ausspioniert haben. Dabei habe die Schweiz eine zentrale Rolle gespielt.
Der Wüstenstaat wurde bereits mehrfach als Austragungsland der kommenden Fussball-WM massiv kritisiert. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Right Watch weisen regelmässig auf diverse Menschenrechtsverstösse hin. Mit der Spionageaktion habe Katar verhindern wollen, dass es die WM wieder verliert. Und für dieses Ziel soll mit verdeckten Spionen auf der ganzen Welt agiert worden sein.
Allein für eine Teiloperation sollen mindestens 66 Agenten während neun Jahren vorgesehen gewesen sein, heisst es im Bericht von «SRF Investigativ». Diese seien auf fünf Kontinenten aktiv gewesen. Fast 400 Millionen Dollar seien dafür budgetiert gewesen sein.
In die Spionage seien die höchsten katarischen Regierungskreise involviert gewesen, so auch Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, der Emir und damit das Staatsoberhaupt von Katar. Dieser hatte erneute Kritik am WM-Gastgeberland erst kürzlich wieder als «Verleumdung» verurteilt und beklagte eine Kampagne gegen sein Land.
«Projekt Gnadenlos» will die totale Kontrolle
Ein Dokument mit dem Namen «Project Merciless» auf Deutsch «Projekt Gnadenlos», das «SRF Investigativ» veröffentlicht, zeigt: Katar habe die totale Kontrolle über alle Informationen innerhalb der FIFA gewollt, die die WM-Austragung hätten gefährden können. So heisst es im «Projekt Gnadenlos»: «Das ultimative Ziel ist es, weltweite Penetration zu erreichen, … um die totale Kenntnis aller Informationen zu erhalten, damit künftige Angriffe verhindert werden können.»
Ziel sei dabei jedoch nicht nur die Informationsbeschaffung gewesen. Die Spione sollen gar in das FIFA-Exekutivkomitee, das höchste Gremium des Weltfussballs, vorgedrungen sein, um dort unsichtbar mitzumischen. Und das während fast zehn Jahren. Dafür soll Katar eine US-amerikanische Firma, die aus ehemaligen CIA-Mitarbeitern besteht, engagiert haben.
Nun kommt die Schweiz ins Spiel. Diese soll in den letzten neun Jahren eine zentrale Rolle bei den Spionage-Aktivitäten gespielt haben. Der Chef-Spion der Firma soll sich mit seinen katarischen Auftraggebern in Zürich getroffen haben. Weiter soll er die Zimmer von FIFA-Exekutivmitgliedern und von Journalisten in einem Zürcher Nobelhotel verwanzt und so abgehört haben.
Dazu komme der Fall eines hohen FIFA-Beraters, der im Auftrag Katars gehackt worden sei. Der Mann habe nebst Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter auch den Präsidenten des australischen Fussballverbands eng beraten. Australien bewarb sich ebenfalls als Austragungsland der WM 2022 und hielt sich mit Kritik an Katar nicht zurück, der Verbandspräsident selbst war einer der grössten Kritiker.
«Auf dem Drahtseil balancieren»
Unter dem Titel «Walking the Tightrope», auf Deutsch salopp mit «Auf dem Drahtseil balancieren» übersetzt, hätten die Spione dokumentiert, wie sie gegen den FIFA-Berater und den australischen Fussballverbandspräsidenten vorgehen wollten. Darin steht: «Starten von Propaganda-Kampagnen zur Verunglimpfung sehr prominenter Personen.»
Eine angebliche Geheimbeziehung zwischen den beiden Männern und der russischen Bewerbung für die WM 2018 solle behauptet und Beweismaterial an das amerikanische FBI weitergeleitet werden. Eine FBI-Untersuchung würde den Ruf des FIFA-Beraters und des australischen Verbandspräsidenten und deren Einfluss zerstören.
Ebenfalls über Spionage-Aktivitäten Katars berichteten im vergangenen Februar verschiedene Medien, darunter die Nachrichtenagentur AP News. Für die Bespitzelung und Beeinflussung des deutschen Fussballfunktionärs Theo Zwanziger soll Katar 10 Millionen Dollar investiert haben.
Zwanziger war als ehemaliger Präsident des Deutschen Fussball-Bundes DFB und Ex-FIFA-Exekutivmitglied ein mächtiger Kritiker Katars als WM-Austragungsland. Zwanziger sollte aktiv beeinflusst werden, indem ihm immer wieder dieselbe Botschaft übermittelt wurde. Nämlich, dass die Weltmeisterschaft in Katar gut für die Welt sei.
Um ihr Ziel zu erreichen, hätten Spione gar Beziehungen zu Personen, die Zwanziger sehr nahestanden, aufgebaut. Ein Netzwerk sei auf fünf Kontinenten aktiv gewesen, um Zwanziger zu beeinflussen. Mit Wirkung: Zwanziger leitete eine Arbeitsgruppe, die weniger Kritik an Katar, dafür mehr Menschenrechte durchsetzte. Geändert habe sich seine Meinung über die WM-Vergabe jedoch nicht, sagt er im SRF.
Die Spionageaktionen gegen Zwanziger, den ehemaligen FIFA-Berater und den ehemaligen Fussball-Verbandspräsidenten Australiens sind nur ein kleiner Teil im «Projekt Gnadenlos». «SRF Investigativ» zeigt mehrere Fälle auf. Auch dass die Spione offenbar mehrmals aus der Schweiz heraus agierten, wird offengelegt. So soll mindestens ein Mitarbeiter der US-amerikanischen Spionage-Firma kurz nach der WM-Vergabe an Katar seinen permanenten Aufenthaltsort in der Schweiz gehabt haben.
Ziel erreicht – die WM findet statt
Die WM in Katar bleibt umstritten. Trotzdem findet sie statt. Das Eröffnungsspiel ist am 20. November. Das Finalspiel ist kurz vor Weihnachten am 18. Dezember.
Die Schweiz ist kurz davor, ihr Glück in Katar zu finden - Gallery
Der Nationaltrainer Murat Yakin blickt in Doha aufs Meer
Bild: Keystone
Die Schweiz hat ihr Glück in Katar gefunden, hier das Trainingszentrum
Bild: Keystone
Ein Zimmer im Hotel "Le Royal Meridien", das in der engeren Auswahl steht
Bild: Keystone
Der Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami auf einem Paddel-Court der Trainingsbasis
Bild: Keystone
Murat Yakin neben dem Schwimmbad, das dem Schweizer Nationalteam zur Verfügung stehen wird
Bild: Keystone
Das Stadion in Lusail (links), wo der WM-Final stattfinden wird
Bild: Keystone
Die Schweiz ist kurz davor, ihr Glück in Katar zu finden - Gallery
Der Nationaltrainer Murat Yakin blickt in Doha aufs Meer
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Die Schweiz hat ihr Glück in Katar gefunden, hier das Trainingszentrum
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Ein Zimmer im Hotel "Le Royal Meridien", das in der engeren Auswahl steht
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Der Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami auf einem Paddel-Court der Trainingsbasis
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Murat Yakin neben dem Schwimmbad, das dem Schweizer Nationalteam zur Verfügung stehen wird
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Das Stadion in Lusail (links), wo der WM-Final stattfinden wird