Angriffe auf Militärflugplätze Kiew sendet mit Drohnen ein deutliches Signal an Russland

Von Didier Lauras, AFP/uri

7.12.2022

Moskau meldet erneuten Beschuss von Flugplatz

Moskau meldet erneuten Beschuss von Flugplatz

Russische Behörden haben mehrere Angriffe auf Luftwaffenstützpunkte – teilweise im russischen Hinterland – gemeldet.

06.12.2022

Mit einfachen Mitteln antwortet Kiew auf den massiven russischen Beschuss der ukrainischen Infrastruktur. Westliche Experten sind beeindruckt – und stellen dem russischen Militär kein gutes Zeugnis aus.

Von Didier Lauras, AFP/uri

7.12.2022

Im Vergleich zu den Raketen, die Moskau täglich auf die Ukraine abfeuert, wirken die mutmasslich ukrainischen Drohnenangriffe auf Militärstützpunkte in Russland klein. Doch sie senden ein deutliches Signal: Die russische Armee ist verwundbar, auch im eigenen Land.

Am Montag und Dienstag trafen die unbemannten Flugzeuge nach russischen Angaben drei Flugplätze – Djagilewo und Engels im Landesinneren und einen in der Region Kursk, die an die Ukraine grenzt. Drei Soldaten seien getötet und zwei Flugzeuge beschädigt worden. Russland nutzt den Stützpunkt Engels der Ukraine zufolge für Angriffe auf das Nachbarland.

Obwohl sich Kiew nicht zu den Angriffen bekannte, gehen Experten davon aus, dass die Ukraine Aufklärungsdrohnen aus der Sowjetzeit dafür verwendete. Es könnte sich um Tupolew Tu-141-Jetmodelle gehandelt haben, grosse unbemannte Flugzeuge, die hoch fliegen können. Sie «wurden wahrscheinlich stark verändert, um als Kamikaze-Drohne zu fungieren», sagt Vikram Mittal, Professor an der US-Militärakademie West Point.

«Jetzt gehen sie in die Offensive, das ist neu»

«Das ist keine ausgefeilte Technologie», sagt Jean-Christophe Noël vom französischen Institut für internationale Beziehungen (IFRI) und vermutet, dass die Ukraine die Drohnen einfach dazu benutzt habe, mit Sprengstoff beladen auf ein Ziel zu stürzen. Möglicherweise seien sie per GPS oder mit Hilfe von Spezialkräften auf russischem Territorium gelenkt worden.

«Die Ukrainer haben Equipment getroffen, mit dem sie angegriffen werden. Bislang hatten sie nur Flugabwehrgeschütze, um sich zu verteidigen», sagt Noël. «Jetzt gehen sie in die Offensive, das ist neu.» Der Militärexperte rechnet jedoch nicht mit weiteren Angriffen dieser Art, da es keine grossen Bestände an Drohnen gebe.

US-Aussenminister Antony Blinken wies Mutmassungen über eine Beteiligung Washingtons zurück. Die USA hätten Kiew zu Angriffen auf Russland weder «ermutigt» noch «befähigt», sagte er.

Die Flugplätze Djagilewo und Engels sind rund tausend Kilometer von der ukrainisch-russischen Front entfernt. Die Angriffe vermitteln die Botschaft, dass Kiew auch aus grosser Entfernung zuschlagen kann.

Experten sind überrascht und beeindruckt

«Die Fähigkeit der Ukraine, auf diese Entfernung zu zielen, ist beeindruckend», sagt Mick Ryan, ein australischer Ex-General und Beobachter des Krieges gegen die Ukraine.

Die ukrainischen Streitkräfte «könnten bei der Planung des Angriffs von Dritten unterstützt worden sein», vermutet er. «Eine Kombination aus frei zugänglichem Material, Kenntnis der Lücken im russischen Luftabwehrnetz und Beobachtung vor Ort könnte ausgereicht haben.»

Über dem Flugplatz von Kursk steigt am 6. Dezember 2022 Rauch auf. 
Über dem Flugplatz von Kursk steigt am 6. Dezember 2022 Rauch auf. 
Bild: Keystone

Nur wenige Experten schenken der Behauptung des Moskauer Verteidigungsministeriums Glauben, Russland habe die ukrainischen Drohnen abgefangen und die Schäden seien nur durch Trümmerteile verursacht worden.

«Es ist wirklich überraschend, dass die Drohnen den russischen Luftabwehrsystemen entgehen konnten», sagt Mittal. Das gesamte russische Territorium zu schützen, ist unmöglich. Aber dass so wichtige militärische Einrichtungen getroffen werden können, wirft Fragen auf.

Kein gutes Zeichen für Russland

«Wenn das russische Radar und die Luftabwehr eine Tu-141 aus den 1970er-Jahren, die Hunderte von Kilometern geflogen ist, nicht daran hindern konnten, den wichtigsten Luftwaffenstützpunkt für die strategischen Bomber zu treffen, dann verheisst das nichts Gutes für die Fähigkeit des Landes, einen gross angelegten Angriff mit Marschflugkörpern abzuwehren», urteilt Rob Lee von der US-Denkfabrik Foreign Policy Research Institute.

Die Angriffe scheinen ein weiteres Zeichen der Schwäche des russischen Militärs, die sich seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine immer wieder offenbarte. Das zeigen auch die zahlreichen kritischen Reaktionen russischer Militärblogger beim Messengerdienst Telegram, die der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) untersuchte.

«Mehrere behaupten, dass ukrainische Saboteure und Aufklärungstrupps den Angriff von russischem Territorium aus gestartet haben müssen», heisst es in der Analyse. Andernfalls, so befürchteten die Blogger, sei «Moskau von ukrainischem Territorium aus bedroht».