Pekings harte Hand Darum verschwinden immer wieder chinesische Superreiche

Von Gabriela Beck

9.3.2023

Alibaba-Gründer Jack Ma im Jahr 2017, damals noch strahlend selbstbewusst. Nachdem er die Finanzaufsicht der chinesischen Volksrepublik kritisiert hatte, verschwand er für drei Monate.
Alibaba-Gründer Jack Ma im Jahr 2017, damals noch strahlend selbstbewusst. Nachdem er die Finanzaufsicht der chinesischen Volksrepublik kritisiert hatte, verschwand er für drei Monate.
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Immer mal wieder verschwinden chinesische Wirtschaftsgrössen und Superreiche wochenlang spurlos – zuletzt Milliardär Bao Fan. Steckt da System der Regierung dahinter?

Von Gabriela Beck

Die Investmentbank China Renaissance hat vor rund drei Wochen ihre Aktionäre mit einer seltsamen Meldung überrascht: Das Unternehmen sei nicht in der Lage, Bankchef und Hauptaktionär Bao Fan zu kontaktieren, hiess es in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse. Nähere Angaben machte die Bank nicht.

Der 52-jährige Bao ist Gründer der in Hongkong ansässigen Investmentbank China Renaissance, die auf die Finanzierung von Internet-Start-ups spezialisiert ist. Die Bank mit mehr als 700 Beschäftigten ist auch in Singapur und den USA tätig. Das wäre in etwa so, als würden Credit-Suisse-Chef Ulrich Körner oder UBS-CEO Ralph Hamers spurlos verschwinden.

Unter Staatspräsident Xi Jinping verschwinden immer mal wieder über Nacht Manager und Parteifunktionäre, ohne dass man etwas Genaues erfährt – zuletzt Investmentbanker Bao Fan.
Unter Staatspräsident Xi Jinping verschwinden immer mal wieder über Nacht Manager und Parteifunktionäre, ohne dass man etwas Genaues erfährt – zuletzt Investmentbanker Bao Fan.
imago/VCG

Wenig später hiess es dann plötzlich, der chinesische Milliardär «kooperiere in einer Untersuchung» der Behörden in Festland-China. Genauer äusserte sich das Geldinstitut nicht. Kein Wort zum Inhalt der Untersuchung, um welche Behörde es sich handelt oder den Aufenthaltsort des Firmenchefs. Der Aktienkurs der Bank brach zeitweise um 50 Prozent ein.

Bao Fan in prominenter Gesellschaft

Baos Verschwinden hat Befürchtungen geweckt, die Regierung in Peking könne erneut hart gegen die Finanzbranche durchgreifen. Denn in den vergangenen Jahren gerieten in der Volksrepublik wiederholt Investoren ins Visier der Behörden und verschwanden zeitweise von der Bildfläche.

So wurde 2017 der chinesisch-kanadische Geschäftsmann Xiao Jianhua festgenommen, damals einer der reichsten Männer Chinas. Im August 2022 wurde er wegen Korruption zu 13 Jahren Haft verurteilt. Zwischen 2017 und 2020 gab es keine Informationen über seinen Aufenthaltsort.

Im März 2020 verschwand der milliardenschwere Immobilienmagnat Ren Zhiqiang, nachdem er Regierungschef Xi Jinping wegen seines Umgangs mit der Pandemie als «Clown» bezeichnet hatte. Später in diesem Jahr wurde Ren nach einem eintägigen Prozess wegen der Korruptionsvorwürfe zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.

Der prominenteste Fall ist wohl der des Alibaba-Chefs Jack Ma, Gründer der grössten Internet- und IT-Gruppe in der Volksrepublik. Der damals reichste Chinese verschwand Ende 2020, nachdem er die Finanzaufsichtsbehörden des Landes kritisiert hatte. Nach drei Monaten tauchte er wieder auf. Doch seitdem hat sich der selbstbewusste Selfmade-Milliardär weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, ebenso wie aus seinem Online-Imperium.

Staatliche Ermittlungen gegen Korruption?

Doch das sind nur die bekanntesten Fälle. Allein im letzten Monat verschwanden chinesischen Medienberichten zufolge bei einer Handvoll börsennotierter Unternehmen wichtige Manager, weiss die «Süddeutsche Zeitung» zu berichten. Hinter deren Verschwinden steckten häufig staatliche Ermittlungen.

Zwar habe es in China immer wieder politische Schauprozesse gegeben und das kommunistische Land sei von einer unparteilichen Justiz weit entfernt, analysiert «Capital», doch im Zuge der Wirtschaftsreformen nach 1979 habe sich durchaus ein Stück Rechtssicherheit für die Unternehmen im Lande entwickelt.

Seit Präsident Xi Jinping die Herrschaft der Kommunistischen Partei allmählich in seine persönliche Diktatur verwandele, falle jedoch auch das Wirtschaftsrecht in die Willkür zurück, so das Wirtschaftsmagazin weiter.

Klare Botschaft an gewisse Branchen

Zwar behauptet die chinesische Regierung unbeirrt, dass die Ermittlungen gegen einige der reichsten Personen des Landes lediglich dazu dienen, gegen Korruption vorzugehen. Dennoch macht es den Anschein, als wolle Präsident Xi Jinping auf diese Weise seinen politischen Machtanspruch in der Wirtschaft durchsetzen – vor allem auf dem Finanz- und Technologiesektor, aber auch in der Immobilienwirtschaft.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping (r) spricht mit den Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des Politbüros, Wang Huning (l) und Li Qiang während einer Sitzung des Nationalen Volkskongresses (NVK) Chinas am Dienstag, dem 7. März 2023.
Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping (r) spricht mit den Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des Politbüros, Wang Huning (l) und Li Qiang während einer Sitzung des Nationalen Volkskongresses (NVK) Chinas am Dienstag, dem 7. März 2023.
Ng Han Guan/KEYSTONE

«Manchmal werden diese Vorfälle so orchestriert, dass sie eine breitere Botschaft senden, insbesondere an eine bestimmte Branche oder Interessengruppe», sagt Nick Marro, Leiter des Analyseunternehmens Economist Intelligence Unit, gegenüber der «BBC». Letztendlich sei es ein Versuch, die Kontrolle und Autorität über einen bestimmten Teil der Wirtschaft zu zentralisieren, «was in den letzten zehn Jahren ein Schlüsselmerkmal von Xis Regierungsstil war».

Peking wolle sicherstellen, dass grosse Technologie-Plattformen und Akteure keine eigenen Marken und Einflussmöglichkeiten entwickeln, die Peking die Kontrolle erschweren, beurteilt Paul Triolo, China-Experte beim Beratungsunternehmen Albright Stonebridge Group, die Vorkommnisse.

Peking zieht die Daumenschrauben an

Dazu passt, dass diese Woche im Vorfeld des jährlichen Nationalen Volkskongresses Pläne für die grösste Überarbeitung des chinesischen Finanzregulierungssystems seit Jahren angekündigt wurden.

Demnach soll eine neue übergeordnete Finanz-Aufsichtsbehörde eingerichtet werden, um die derzeitigen Schlupflöcher zu schliessen, die durch mehrere für verschiedene Teilbereiche des Finanzsektors zuständige Ämter verursacht würden. Banker wurden darüber hinaus davor gewarnt, dem Beispiel ihrer «hedonistischen» westlichen Kollegen zu folgen.

Bisher habe es so gut wie keine Fälle gegeben, in denen die Investitionen westlicher Konzerne zum Opfer willkürlicher Gerichtsurteile geworden wären, schreibt «Capital». Dennoch wachse auch das Risiko für westliche Anleger, die an den Börsen von Schanghai oder Hongkong investieren.

Mit Material der Nachrichtenagentur AFP