Eine Million auf den Strassen Proteste gegen Rentenreform in Frankreich spitzen sich zu

dpa

23.3.2023 - 21:55

Ausschreitungen in Frankreich bei neuen Grossdemos gegen Rentenreform

Ausschreitungen in Frankreich bei neuen Grossdemos gegen Rentenreform

Bei erneuten Protesten gegen die umstrittene Rentenreform in Frankreich sind deutlich mehr Menschen als zuletzt auf die Strasse gegangen. Das Innenministerium sprach von gut einer Millionen Demonstranten, die Gewerkschaft CGT von 3,5 Millionen. Te

23.03.2023

In den Streit um die Rentenreform in Frankreich kommt keine Ruhe. Neue Proteste und Streiks machen Druck auf Präsident Macron und die Regierung. 

23.3.2023 - 21:55

In Frankreich haben sich die Streiks und Proteste gegen die Rentenreform zugespitzt. Gegner der Reform blockierten am Donnerstag einzelne Bahnhöfe, Strassen und auch einen Teil des Pariser Flughafens Charles-de-Gaulle, wie Medien berichteten.

Nach offiziellen Angaben nahmen mehr als eine Million Menschen gegen die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron auf die Strasse gegangen. Das Innenministerium sprach am Donnerstag von landesweit knapp 1,09 Millionen Demonstrantinnen und Demonstranten. Laut Gewerkschaft CGT beteiligten sich sogar mehr etwa 3,5 Millionen Menschen an den Streiks und Protesten. In mehreren Städten war die Stimmung teils aufgeheizt, vereinzelt kam es auch zu Ausschreitungen.

Die Stimmung bei Protesten in Bordeaux, Nantes und Rennes war demnach aufgeheizt. Auch in Paris setzte die Polizei bereits am Nachmittag Tränengas ein. Fünf Menschen wurden in der Hauptstadt festgenommen.

Anhebung des Renteneintrittsalters geplant

Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Mitte-Regierung unter Präsident Emmanuel Macron. 12.000 Polizisten und Gendarmen waren im Einsatz. Die Behörden erwarteten landesweit bis zu 800.000 Demonstrantinnen und Demonstranten.

Demonstranten marschieren während einer Demonstration in Paris.
Demonstranten marschieren während einer Demonstration in Paris.
dpa

Die Streik- und Protesttage waren wochenlang überwiegend friedlich verlaufen. In den vergangenen Tagen kam es bei spontanen Demonstrationen immer öfter zu Gewalt. «Wir wollen nicht-gewaltvolle Aktionen, die Güter und Menschen respektieren», forderte Laurent Berger von der Gewerkschaft CFDT.

Die Mitte-Regierung will mit der Reform eine drohende Lücke in der Rentenkasse schliessen. Vor einer Woche verschärfte sich der Streit, weil sie den Text ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Am Montagabend scheiterten zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung. Die Reform ist damit verabschiedet. Sie liegt zur Prüfung beim Verfassungsrat. Wann dieser entscheidet, ist noch unklar. Macron will, dass die Reform bis zum Jahresende in Kraft tritt.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag – dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro (rund 1200 Franken) hochsetzen.

Am Donnerstag kam es auch zu Ausschreitungen.
Am Donnerstag kam es auch zu Ausschreitungen.
AP Photo/Christophe Ena/KEYSTONE

Macron verteidigt seine Reform

Macron hatte die umstrittene Reform noch am Vortag in einem Fernsehinterview verteidigt. Die Reform sei sehr schwierig. «Wir verlangen von den Menschen eine Anstrengung. Das ist nie beliebt.» Er fragte: «Denken Sie, es macht mir Spass, diese Reform zu machen?» und antwortete: «Nein». Aber: «Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes.» Für seinen Auftritt erntete Macron harsche Kritik von der Opposition und den Gewerkschaften.

Der Streit um die Reform hat die Regierung und Macron geschwächt. Eines der Misstrauensvoten überlebte die Regierung nur knapp. Ihr Durchgreifen wurde als Zeichen der Schwäche gewertet.

Durch die Streiks fielen am Donnerstag erneut Züge und Flüge aus. Gymnasien und Universitäten waren teils versperrt. Wegen der fortlaufenden Blockade von Öldepots fehlte laut Sender BFMTV an 15 Prozent der Tankstellen in Frankreich mindestens ein Kraftstoff.

dpa