Dünger Wie der Ukraine-Krieg weltweit die Versorgung gefährdet

AP/toko

15.4.2022 - 00:00

Der Ukraine-Krieg lässt Dünger knapp und teuer werden.
Der Ukraine-Krieg lässt Dünger knapp und teuer werden.
Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Durch den Ukrainekrieg sind die Düngemittelpreise in die Höhe geschnellt. Das erhöht das Risiko für Nahrungsmittelknappheit und politische Instabilität weltweit.

15.4.2022 - 00:00

Monica Kariuki ist kurz davor, ihre Landwirtschaft aufzugeben. Nicht schlechtes Wetter oder Schädlinge vertreiben sie von ihren vier Hektar Land ausserhalb von Nairobi, sondern der Preisanstieg beim Dünger.

Obwohl sie Tausende von Meilen von den Schlachtfeldern der Ukraine trennen, ist Kariukis Kohl-, Mais- und Spinatfarm indirektes Opfer der Invasion des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Krieg trieb den Preis für Erdgas, wichtigen Bestandteil von Dünger, in die Höhe und führte zu harten Sanktionen gegen Russland, einem Hauptexporteur für Dünger.

«Ich kann nicht weitermachen»

Früher hat Kariuki umgerechnet etwa 164 Franken für die Düngung ihrer Felder ausgegeben. Jetzt müsste sie fünf Mal so viel bezahlen. «Ich kann mit der Landwirtschaft nicht weitermachen, ich gebe es auf, um etwas anderes zu versuchen», erklärt sie.

Höhere Preise für Düngemittel machen die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln teurer und knapper, weil die Landwirte bei den Nährstoffen für ihre Pflanzen sparen und geringere Erträge erzielen. Die Auswirkungen werden in wohlhabenden Ländern beim Einkauf von Lebensmitteln zu spüren sein und vor allem Familien in ärmeren Ländern das Leben noch schwerer machen.

Der Zeitpunkt könnte nicht ungünstiger sein: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen teilte vergangene Woche mit, dass der weltweite Lebensmittelpreisindex im März den höchsten Stand seit seiner Einführung 1990 erreichte.

Versorgungslage ohnehin angespannt 

Die Düngemittelknappheit droht, die weltweite Nahrungsmittelversorgung weiter zu verknappen, die bereits durch die Unterbrechung wichtiger Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland beeinträchtigt ist. Der Verlust der preisgünstigen Versorgung mit Weizen, Gerste und anderen Getreidesorten erhöht das Risiko von Nahrungsmittelknappheit und politischer Instabilität in Ländern im Nahen Osten, Afrika und einigen asiatischen Länder, wo Millionen Menschen auf subventioniertes Brot und billige Nudeln angewiesen sind.

«Die Lebensmittelpreise werden in die Höhe schiessen, weil die Landwirte Gewinn machen müssen. – Doch was passiert dann mit den Verbrauchern?», fragt Uche Anyanwu, Landwirtschaftsexperte an der Universität von Nigeria. Die Hilfsorganisation Action Aid warnt, Familien am Horn von Afrika seien schon jetzt «am Rand des Überlebens».

Nach Angaben der Vereinten Nationen ist Russland führend beim Export von Stickstoffdünger und an zweiter Stelle bei Phosphor- und Kalium-Düngemitteln. Sein Verbündeter Belarus, ebenfalls von Sanktionen des Westens betroffen, ist ein weiterer wichtiger Düngemittelproduzent. Viele Entwicklungsländer – darunter die Mongolei, Honduras, Kamerun, Ghana, Senegal, Mexiko und Guatemala – sind bei mindestens einem Fünftel ihrer Importe auf Russland angewiesen.

Landwirte müssen weltweit höhere Preise für Dünger bezahlen.
Landwirte müssen weltweit höhere Preise für Dünger bezahlen.
Julian Stratenschulte/dpa (Symbol)

Kein Gewinn ohne Dünger

Auch den bereits exorbitant hohen Preis für Erdgas, das zur Herstellung von Stickstoffdünger verwendet wird, liess der Krieg weiter in die Höhe schnellen. Das Ergebnis: Die europäischen Energiepreise sind so hoch, dass einige Düngemittelproduzenten «ihre Geschäfte geschlossen und den Betrieb ihrer Anlagen eingestellt haben», sagt David Laborde, Forscher am International Food Policy Research Institute.

Für den Mais- und Kohlbauern Jackson Koeth in Eldoret im Westen Kenias war der Ukrainekrieg weit weg, bis er entscheiden musste, ob er bei einer Verdopplung der Düngemittelpreise mit den Pflanzungen fortfährt. Der 55-Jährige entschied sich, nur auf der Hälfte der Anbaufläche der vergangenen Jahre weiterzumachen. Er bezweifelt jedoch, dass er mit so teurem Dünger Gewinn machen kann.

Der griechische Landwirt Dimitris Filis baut Oliven, Orangen und Zitronen an und gibt an, die Kosten für die Düngung eines Zehn-Hektar-Olivenhains hätten sich auf 560 Euro verdoppelt. Beim Verkauf seiner Waren auf einem Bauernmarkt in Athen erzählt er, dass die meisten Landwirte in diesem Jahr auf die Düngung ihrer Oliven- und Orangenhaine verzichten. «Viele Leute werden überhaupt keine Düngemittel mehr verwenden, wodurch die Qualität der Erträge und die Erträge selbst sinken, und irgendwann werden sie ihr Land nicht mehr bewirtschaften können, weil sie kein Einkommen mehr haben», sagt Filis.

In China stieg der Preis von Pottasche – kaliumreiches Salz, das als Dünger verwendet wird – um 86 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Preise für Stickstoffdünger sind um 39 Prozent und die für Phosphordünger um zehn Prozent gestiegen.

Im ostchinesischen Tai’an gibt der Leiter einer Genossenschaft zum Anbau von Weizen und Mais mit 35 Familien an, der Preis für Düngemittel sei seit Beginn des Jahres um 40 Prozent gestiegen. «Wir können kaum noch Geld verdienen», sagt Zhao.

Im kalifornischen Ventura bewirtschaftet Terry Farms 850 Hektar. Hier verdoppelten sich die Preise für einige Düngemittelrezepturen, andere stiegen um 20 Prozent. Die Umstellung auf andere Dünger sei riskant, sagt Vizechef William Terry, weil billigere Varianten den Pflanzen möglicherweise nicht geben, «was sie als Nahrungsquelle brauchen».

Teure Ernte

Auch die Kartoffelbauern im US-Staat Maine müssen sich auf einen Anstieg von 70 bis 100 Prozent bei Düngemitteln im Vergleich zum Vorjahr einstellen, je nach Mischung. «Es wird eine ziemlich teure Ernte werden, egal was man in den Boden bringt, von Düngern über Kraftstoff bis zu Arbeit, Strom und allem anderen», sagt Donald Flannery, Geschäftsführer des Maine Potato Board.

In Prudentopolis, einer Stadt im brasilianischen Staat Parana, zeigt der Landwirt Edimilson Rickli ein Lagerhaus, das normalerweise voll ist mit Düngemittelsäcken, jetzt aber nur noch Vorräte für ein paar Wochen hat. Er macht sich Sorgen, dass er im Mai beim Anbau von Weizen, Gerste und Hafer ohne Dünger auskommen muss, wenn die Kämpfe in der Ukraine unvermindert weitergehen. «Die Frage ist, wo Brasilien mehr Dünger kaufen soll», sagt er. «Wir müssen andere Märkte finden.»

Andere Länder hoffen, die Lücken zu füllen. Nigeria beispielsweise eröffnete im März die grösste Düngemittelfabrik Afrikas – das 2,3 Milliarden Euro teure Werk lieferte bereits Düngemittel an die USA, Brasilien, Indien und Mexiko.

Suche nach Alternativen

Indien bemüht sich derweil um mehr Düngemittel aus Israel, dem Oman, Kanada und Saudi-Arabien, um die verlorenen Lieferungen aus Russland und Belarus auszugleichen. «Wenn sich die Versorgungsengpässe verschärfen, werden wir weniger produzieren», sagt Kishor Rungta von der gemeinnützigen Fertiliser Association of India. «Deshalb müssen wir nach Möglichkeiten suchen, um mehr Düngemittel ins Land zu bringen.»

Vor allem in Afrika, wo Armut oft den Zugang zu lebenswichtigen landwirtschaftlichen Betriebsmitteln erschwert, erhalten die Farmer Unterstützung von Landwirtschaftsunternehmen. In Kenia hilft Apollo Agriculture Landwirten bei der Beschaffung und Finanzierung von Düngemitteln. «Einige Landwirte lassen die Pflanzsaison ausfallen, andere gehen andere Wege, schaffen zum Beispiel Ziegen an, um zurechtzukommen», sagt Mitgründer Benjamin Njenga.

Auch von staatlicher Seite kommt Hilfe: Das US-Landwirtschaftsministerium kündigte im März an, umgerechnet 231 Millionen Euro Zuschüsse für die US-Düngemittelproduzenten bereitzustellen. Die Schweiz hat einen Teil ihrer Stickstoffdünger-Reserven freigegeben.

Und dennoch gibt es keine einfache Lösung für die Doppelbelastung durch höhere Düngemittelpreise und begrenzte Vorräte. Die nächsten zwölf bis 18 Monate werden schwierig, warnt Lebensmittelforscher Laborde. Schon vor dem Krieg sei der Markt «super eng» gewesen, sagt auch Kathy Mathers vom US-Handelsverband Fertilizer Institute. «Leider sind die Landwirte in vielen Fällen einfach froh, überhaupt Dünger zu bekommen.»

AP/toko