Nawalnys Tod Es gibt Ungereimtheiten im Straflager Nummer 3

Von Philipp Dahm

19.2.2024

Tausende fordern Herausgabe von Nawalnys Leiche an Angehörige

Tausende fordern Herausgabe von Nawalnys Leiche an Angehörige

Tausende fordern Herausgabe von Nawalnys Leiche an Angehörige

19.02.2024

Die Mithäftlinge von Alexej Nawalny wollen bereits am Morgen des 16. Februar gewusst haben, dass der Kremlkritiker tot ist. International sind die Reaktionen scharf – ausser bei Donald Trump.

Von Philipp Dahm

19.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Kritiker werfen dem Kreml nach Alexej Nawalnys Tod vor, die Ursache dafür zu vertuschen.
  • Mithäftlinge des Straflagers Nummer 3 berichten, dass es schon am Vorabend Veränderungen gab.
  • Die Insassen wollen bereits am Morgen von Nawalnys Tod gewusst haben.
  • Ein Video zeigt, wie ein Konvoi in der Nacht auf den 17. Februar das Straflager verlässt.
  • Der Fall schlägt diplomatisch hohe Wellen. Nur Donald Trump äussert sich anders als die meisten.

Der Tod von Alexej Nawalny schlägt weiter hohe Wellen. Während Hunderte Demonstrierende, die in Berlin vor die russische Botschaft ziehen, nichts zu befürchten haben, sind in St. Petersburg, Moskau und anderen russischen Städten zahlreiche Trauernde verhaftet und bis zu 15 Tagen Haft verurteilt worden.

Nach Nawalny Tod: Hunderte bei Protest vor russischer Botschaft

Nach Nawalny Tod: Hunderte bei Protest vor russischer Botschaft

Der Tod des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny hat weltweit für Entsetzen gesorgt. Auch in Berlin: Hier demonstrieren am Sonntag wieder Hunderte Menschen gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Vor der russischen Botschaft Unter den Linden versammeln sich rund 450 Demonstranten und ziehen über die angrenzenden Strassen um das Botschaftsgebäude.

19.02.2024

Die Behörden haben die Untersuchung zum Tod Nawalnys verlängert – und begründen damit auch, warum sein Leichnam bisher nicht den Verbliebenen übergeben wird. Anhänger Nawalnys werfen den Behörden Mord vor. Sein Mitstreiter Iwan Schdanow schreibt von Lakaien und Lügnern. «Es ist klar, was sie jetzt tun – sie vertuschen die Spuren ihres Verbrechens.»

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch ergänzt auf X: «Sie lügen, schinden Zeit und geben sich nicht einmal die Mühe, es zu verbergen.» Seine Witwe Ljudmila Nawalnaja greift den Kreml in einem emotionalen Video an: «Ich werde die Sache von Alexej Nawalny fortsetzen und um unser Land kämpfen», sagt sie darin. «Ich rufe euch auf, an meiner Seite zu stehen.»

Veränderungen schon am Vorabend

Dass es um das Ableben des 47-Jährigen noch Ungereimtheiten gibt, wird nach diesen Aussagen nicht überraschen. Interessant sind in diesem Zusammenhang Aussagen von Mithäftlingen, die im Straflager Nummer 3 alias «Polarwolf» in Charp einsitzen, das im nördlichen Permafrost-Gebiet und mehr als 2'000 Kilometer von Moskau entfernt liegt.

Sträflinge berichten der «Nowaja Gaseta», dass es bereits am Vorabend des Todestages von Nawalny Veränderungen gegeben habe. Die abendliche Kontrolle wurde beschleunigt, was sonst nur vor Feiertagen geschehe, wenn die Wärter früh Feierabend machen wollten.

«Dann wurden wir in den Baracken eingesperrt und gewarnt, dass es zwischen den Baracken keinen Verkehr geben würde», berichtet ein Insasse. «Die Sicherheit wurde verstärkt. Man konnte also nicht einmal die Nase herausstrecken.» Am Morgen des 16. Februar habe es Razzien in den Zellen gegeben: «Aus den Worten der Wärter schliessen die Gefangenen, dass in der Kolonie eine Inspektion erwartet wurde», so die «Nowaja Gaseta».

Video zeigt Konvoi, der Straflager verlässt

Dass Nawalny tot ist, geht demnach bereits um 8 Uhr Moskauer Zeit durchs Straflager. Die Quelle der unabhängigen russischen Zeitung glaubt, dass der Kremlkritiker «höchstwahrscheinlich [in der] Nacht» gestorben ist. Gegen 13 Uhr Moskauer Zeit fahren einige Autos ins Straflager ein. 

Offiziell wird Nawalnys Tod aus 12.17 Uhr Moskauer Zeit terminiert. Bekannt gemacht wird er erst um 14.11 Uhr, weiss «Mediazona». Die unabhängige Publikation hat auf einer Überwachungskamera auch einen Konvoi entdeckt, der das Straflager in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar verlässt und wahrscheinlich Nawalnys Leiche abtransportiert.

Ob je geklärt werden wird, wie der 47-Jährige gestorben ist, steht in den Sternen. Klar ist hingegen, dass der Fall diplomatische Nachspiele haben wird. London und Berlin haben den russischen Botschafter einbestellt. US-Präsident Joe Biden macht Wladimir Putin für seinen Tod verantwortlich.

Blumen und Gedenken vor der russischen Botschaft in London am heutigen 19. Februar.
Blumen und Gedenken vor der russischen Botschaft in London am heutigen 19. Februar.
Imago/SOPA Images

Und Donald Trump? Der wahrscheinliche Herausforderer Bidens äusserte sich drei Tage nicht zur Sache. Doch nun gibt es ein Statement: Trump fühlt sich durch den Tod erinnert – und zwar an das, was im eigenen Land schlecht laufe.