«Nacktselfie-Affäre» Beschuldigter bestreitet im «Gerigate»-Prozess alle Vorwürfe

SDA/tafi

19.11.2019

In der «Nacktselfie-Affäre» um den früheren Aargauer Nationalrat Geri Müller steht der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits vor Gericht. Ihm werden verschiedene Straftaten vorgeworfen. Der Beschuldigte streitet am ersten Prozesstag alles ab.

Die «Nacktselfie-Affäre» hatte im Sommer 2014 für Aufregung gesorgt. Die «Schweiz am Sonntag» berichtete, dass der Badener Stadtammann und Nationalrat der Grünen Geri Müller von seinem Stadthausbüro aus einer Chatbekannten Nacktbilder geschickt hatte. Danach soll er die Frau aus dem Kanton Bern zum Löschen der Mitteilungen aufgefordert haben.

Fünf Jahre nach «Gerigate» wird die Medienaffäre nun vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland in Biel verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits, einer Schlüsselperson in dem Skandal, mehrere Straftaten, darunter versuchte Nötigung sowie Aufbewahrung, Auswertung, Zugänglichmachen und Kenntnisgabe von unbefugt aufgenommenen Gesprächen vor.

Beschuldigter streitet alles ab

Bei seiner Einvernahme am Prozess sagte der Beschuldigte, er habe die junge Bernerin nicht beeinflussen wollen. Sie habe den Kontakt zu Journalisten gesucht, nicht er. In Kontakt gekommen zur Chatpartnerin von Geri Müller sei Sacha Wigdorovits, weil er eines Tages von einer unbekannten Person ein SMS erhalten habe.

Dieses SMS stammte von der jungen Bernerin. Sie habe ihm geschrieben, es gebe belastendes Material zu ihm, Wigdorovits selbst, und zu Müller. In der Folge habe er die Frau bei sich im Büro getroffen, so der frühere Chefredaktor des «Blick».

Es sei zwar schon so, dass er und Müller in der Nahostpolitik unterschiedliche Meinungen verträten, sagte der Beschuldigte weiter. Wigdorovits ist aktiv bei der Stiftung Audiatur, welche sich nach eigenen Angaben für eine ausgewogene Berichterstattung zu Israel einsetzt. Müller ist Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina.

Diese Auseinandersetzungen hätten er und Müller aber wiederholt öffentlich ausgetragen. Das habe er immer gern gemacht. Ein Interesse, Müller aus dem Amt zu drücken, habe er nicht gehabt. Er wohne ja auch im Kanton Zürich, nicht in Baden. Eine Berner Staatsanwältin wirft Wigdorovits in ihrer Anklageschrift vor, als politischer Gegner Müllers die Affäre der jungen Bernerin mit Müller zum Anlass genommen zu haben, Müller «zum Rücktritt von seinen politischen Ämtern zu bewegen».

Geri Müller (links) stand vor fünf Jahren im Mittelpunkt einer Nacktfoto-Affäre. Nun muss sich der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits (rechts) unter anderem wegen versuchter Nötigung vor Gericht verantworten.
Geri Müller (links) stand vor fünf Jahren im Mittelpunkt einer Nacktfoto-Affäre. Nun muss sich der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits (rechts) unter anderem wegen versuchter Nötigung vor Gericht verantworten.
Bilder: KEYSTONE/Archiv

«Auskünfte erteilt»

Im weiteren Verlauf der Einvernahme sagte Wigdorovits mehr als einmal, er habe stets gesagt, er wolle nicht in diese Sache hineingezogen werden. Er habe der Frau auch keine Ratschläge oder Empfehlungen abgegeben, sondern lediglich Auskünfte erteilt und Tatsachen erläutert.
Die Frau habe ihn gebeten, Kontakt mit Medienleuten herzustellen, und das habe er auch getan, so zu den damaligen Chefredaktoren des «Blick» und der «SonntagsZeitung». Aber eben, es sei die Idee der Frau gewesen, einen «Medienrummel» auszulösen, nicht die seinige.

Der Bieler Richter hielt Wigdorovits immer wieder Auszüge aus einem umfangreichen «Extraktionsbericht» vor. Dabei handelt es sich offensichtlich um den Inhalt des Chatverlaufs zwischen der jungen Bernerin und dem Zürcher PR-Berater oder dem Bericht zum kompletten Inhalt des Mobiltelefons der jungen Frau.

Aus diesem Bericht geht laut dem Richter hervor, dass Wigdorovits mehrere Müller belastende Bild- und Tondateien erhielt. Wenn er sich richtig erinnere, habe er der jungen Frau gesagt, Aufnahmen dürfe man nur mit Einverständnis des Aufgenommenen machen, sagte Wigdorovits. Ihm selber sei nicht bewusst gewesen, dass man sich strafbar mache, wenn man einem zugeschickte, unbefugt gemachte Aufnahmen nicht sofort lösche.

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