Daniel Koch «Wir müssen wieder lernen, solche Grossveranstaltungen durchzuführen»

Von Alex Rudolf

17.7.2021

Daniel Koch war Berater der UEFA im Rahmen der Austragung der Europameisterschaft.
Daniel Koch war Berater der UEFA im Rahmen der Austragung der Europameisterschaft.
KEYSTONE/ENNIO LEANZA

In seiner Funktion als UEFA-Berater musste Daniel Koch, ehemaliger «Mr. Corona» beim Bundesamt für Gesundheit, viel Kritik einstecken. Im Gespräch erklärt er, warum volle Fussballstadien nicht das Problem sind.

Von Alex Rudolf

17.7.2021

Die Fussball-Europameisterschaft ist vorbei und Daniel Koch blickt auf ein ereignisreiches Turnier zurück. Für ihn stand jedoch nicht der Sport im Vordergrund. Als Berater der UEFA liess der ehemalige Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) sein Fachwissen einfliessen. Die Bilder der vollen Ränge in Fussballstadien brachten ihm dabei viel Kritik ein.

Herr Koch, die Bilder von feiernden Fussballfans in Italien gingen am Wochenende um die Welt. Was lösten diese in Ihnen aus?

Daniel Koch: Solche Menschenmassen sind aus meiner Sicht kein Problem. Denn wenn die Besucher*innen im Vorfeld getestet oder geimpft wurden, ist das Übertragungsrisiko minim. Wir müssen als Gesellschaft wieder lernen, solche Grossveranstaltungen durchzuführen. Das ist sehr wichtig.

«Die Regierungen von Spanien, Portugal oder Zypern müssen Lösungen für die steigenden Fallzahlen finden.»

Die Fussballfans, die sich in den Strassen Roms in den Armen lagen, waren wohl kaum alle geimpft oder getestet. Bei diesen Bildern wird Ihnen nicht unwohl?

Unwohl sicher nicht. Wir sind nicht mehr in derselben Situation wie vor einem Jahr. Zudem sind die allermeisten Feiernden eher jung und haben daher ein geringeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Besser wäre es natürlich, wenn alle geimpft wären. Problematisch sind eher die Entwicklungen in den Touristengebieten, wo junge Menschen feiern, weil sie nun über ein Jahr darauf verzichten mussten. Die Regierungen von Spanien, Portugal oder Zypern müssen Lösungen für die steigenden Fallzahlen finden. Aber alles zu verbieten, ist nicht die Lösung.

Nicht nur in Partygebieten, sondern auch im restlichen Europa steigen die Zahlen. Welche Entwicklung erwarten Sie?

Ich bin überhaupt nicht besorgt. Die steigenden Inzidenzzahlen hängen von vielen Faktoren ab wie Testmenge oder Art der Tests. Viel wichtiger ist die Zahl der Hospitalisierungen. Diese übersteigt die Kapazität aktuell jedoch nirgends ausser in Russland, wo auch Ältere und Risikopatienten nicht geimpft sind. Für die Schweiz halte ich es für wichtig, dass die Impfzahlen bis im Herbst und Winter noch deutlich erhöht werden.

«Ich bin überhaupt nicht besorgt.»

Sie machen sich keine Sorgen: Dennoch finden die Olympischen Spiele in Tokio vor leeren Rängen statt. Ist man dort übervorsichtig?

Sicher nicht. Jedes Land muss die Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung wahrnehmen. Ich masse mir nicht an, die Lage in Japan beurteilen zu können. Fest steht: Die Bevölkerung dort ist stark überaltert, die Gefahr ist also grösser als in Europa. Zudem hatten noch nicht viele Japaner*innen das Virus, die natürliche Immunität ist damit verschwindend klein. Zudem ist man mit den Impfungen noch nicht so weit. Ich verstehe, dass man in Japan sehr vorsichtig ist. Jedes Land muss sein eigenes Risiko abschätzen.

Tatsächlich gibt es Unterschiede von Land zu Land. Doch sind mehrere Zehntausend Zuschauer in London oder Tokio nicht dasselbe?

Das ist genau nicht dasselbe. Die Veranstalter tragen ja nicht primär das Risiko, sondern halten sich an die Vorgaben der Regierung. Diese muss schauen, welche Massnahmen Sinn ergeben. Einheitliche Massnahmen wären völlig falsch, da nicht zuletzt auch die Kulturen unterschiedlich sind und die Bevölkerung Massnahmen unterschiedlich wahrnimmt.

«Einheitliche Massnahmen wären völlig falsch, da nicht zuletzt auch die Kulturen unterschiedlich sind und die Bevölkerung Massnahmen unterschiedlich wahrnimmt.»

Sie mussten als Berater der UEFA viel Kritik einstecken. Wie gehen Sie damit um?

Es gibt zu diesem Thema so viele verschiedene Meinungen, daher sollte man nicht alles auf die Goldwaage legen. Doch muss ich sagen, dass  Grossveranstaltungen für die Menschen auch sehr wichtig sind. Diese bilden die Motivation zum Sporttreiben. Vernachlässigen wir dies heute, kriegen wir in ein paar Jahren massive Probleme.

Wie unterscheiden sich Ihre Funktionen beim BAG und bei der UEFA?

«Es gibt zu diesem Thema so viele verschiedene Meinungen, daher sollte man nicht alles auf die Goldwaage legen.»

Es sind ganz unterschiedliche Dinge. Beim BAG war ich verantwortlich und nahm diese Verantwortung auch gerne wahr. Bei der UEFA habe ich ein Beratungsmandat und stelle mein Fachwissen jenen zur Verfügung, die danach fragen. 

Welches Gewicht hatte Ihre Meinung bei der UEFA?

Das kann ich nicht beurteilen. Das überlasse ich jenen, die meine Beratungen in Anspruch nehmen. 

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22.07.2021