ReformSo uneinig sind sich die Parteien bei Bersets Rentenreform
Von Julia Käser
26.11.2020
Bei der geplanten Reform der beruflichen Vorsorge stösst der Bundesrat auf viel Gegenwehr. Einig sind sich die Parteien einzig darüber, dass dringend etwas getan werden muss, um unsere Renten zu sichern.
Weil wir immer älter werden, muss die Schweizer Altersvorsorge saniert werden. Die Suche nach einer mehrheitsfähigen Lösung gestaltet sich jedoch äusserst schwierig. Nun unternimmt der Bundesrat einen erneuten Versuch, die 2. Säule zu reformieren.
Die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG 21) ist ein Kompromiss, auf den sich die Sozialpartner im Sommer 2019 geeinigt haben. Nachdem der Bundesrat diesen am Mittwoch unverändert als Botschaft verabschiedet hat, ist nun das Parlament am Zug. Dort wird die BVG 21 – wie schon viele Rentenreformen zuvor – einen schweren Stand haben.
Besonders umstritten ist der geplante Rentenzuschlag von bis zu 200 Franken monatlich. Dieser soll sicherstellen, dass niemand weniger Rente erhält. Finanziert werden soll das Ganze über einen Lohnbeitrag von 0,5 Prozent auf einem AHV-pflichtigen Jahreseinkommen bis 853'200 Franken. Heisst: Die Löhne werden tiefer. Das stösst den meisten Parteien sauer auf. Ein Überblick.
1
CVP
Grundsätzlich begrüsst die CVP die Stossrichtung des Bundesrats und die Senkung des Umwandlungssatzes. Nicht einverstanden ist die Partei mit der vorgeschlagenen Finanzierung der Rentenzuschläge. Dafür sollen nicht die Arbeitnehmenden, sondern der Bund selbst aufkommen, so die Forderung.
«Wir wollen den Generationenvertrag aufrechterhalten, damit sich auch in Zukunft alle auf sichere und stabile Renten verlassen können», lässt sich CVP-Ständerat Erich Ettlin zitieren. Um die Renten zu erhalten, fordert die CVP zudem, dass das Eintrittsalter der 2. Säule von 25 auf 20 Jahre gesenkt wird und die Beitragssätze abgeflacht werden.
Schliesslich spricht sich die CVP dafür aus, dass alle Teilzeitpensen obligatorisch zusammengerechnet werden. Das soll vor allem Frauen und jungen Menschen zugutekommen, die mehrere Jobs haben – und so zusammengerechnet die Eintrittsschwelle der 2. Säule überschreiten.
2
FDP
«Die meisten vorgeschlagenen Massnahmen gehen in die richtige Richtung», kommentiert die FDP die Botschaft des Bundesrats. Die Senkung des Umwandlungssatzes auf 6 Prozent reduziere die «unfaire Umverteilung von Jung und Alt» ein Stück weit. Auch die Senkung des Koordinationsabzugs wird begrüsst.
Wie die CVP stört sich die Partei aber an dem Rentenzuschlag. Bereits in der Vernehmlassung hatte die FDP den Bundesrat dazu aufgefordert, hierfür Alternativen vorzuschlagen. Laut der FDP beharrt der Bundesrat auf einem Umverteilungsmechanismus innerhalb der 2. Säule, der dort nicht hingehöre.
Die FDP verlangt zudem, dass die Zugangskriterien der Pensionskasse langfristig an jene der AHV angeglichen werden. Heisst unter anderem: Das Eintrittsalter läge bei 18 Jahren, die Eintrittsschwelle bei 2300 Franken und die Koordinationsabzüge würden ganz abgeschafft.
3
Grüne
Obwohl sie sich wie die SP in der Vergangenheit gegen eine Senkung des Umwandlungssatzes ausgesprochen haben, stellen sich die Grünen hinter den Bundesrat. Der Grund: Ausgerechnet der Rentenzuschlag, der den bürgerlichen Parteien und der GLP ein Dorn im Auge ist.
Laut den Grünen fördert dieser den Solidaritätsgedanken in der 2. Säule – denn zusammen mit der Halbierung des Koordinationsabzugs führe er zu leicht verbesserten Renten bei tiefen Einkommen.
Entscheidend ist für die Grünen auch, dass Teilzeitarbeitende und Frauen durch die Reform bessergestellt würden. Vor allem die Rentensituation der Frauen sei Stand jetzt problematisch – ihre Pensionskassen-Rente sei im Schnitt halb so hoch wie diejenige der Männer.
4
SVP
Deutliche Worte findet einmal mehr die SVP. Als «Bersets Rentenklau von links» bezeichnet die Partei die vorgeschlagene Rentenreform. Auch sie wehrt sich gegen den vorgeschlagenen Rentenzuschlag. Der Umlagemechanismus gefährde das bewährte 3-Säulen-Prinzip in der Schweizer Altersvorsorge und belaste vor allem den Mittelstand zusätzlich.
Um die berufliche Vorsorge auch in Zukunft zu sichern, spricht sich die SVP für das Rentenalter 65 für Männer und Frauen aus. Zudem schlägt sie wie die CVP ein Eintrittsalter von 20 Jahren vor.
Schliesslich verlangt die SVP, dass die Beitragssätze ab einem Alter von 45 Jahren gesenkt werden. Das soll dazu führen, dass ältere Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt weniger diskriminiert würden.
5
SP
Wie die Grünen stellt sich die SP hinter den Vorschlag des Bundesrats. Damit könne es endlich gelingen, die berufliche Vorsorge zu reformieren, «ohne dass insbesondere Beschäftigte mit kleinen Einkommen oder Teilzeitarbeitende tiefere Renten erhalten», so Nationalrätin Barbara Gysi.
Eine Rentenkürzung kommt für die SP nicht infrage – denn wer ein Leben lang gearbeitet habe, verdiene eine faire Rente. Auch die Halbierung des Koordinationsabzug begrüsst die SP. Das komme vor allem den Frauen zugute, die grundsätzlich tiefere Pensionskassen-Renten haben als die Männer.
Abstriche am Kompromiss der Sozialpartner – wie sie die meisten anderen Parteien wollen – wird die SP nicht akzeptieren. Das kündigte die Partei bereits am Ende der Vernehmlassung an.
6
GLP
Zwar begrüsst die GLP die Senkungen des Umwandlungssatzes und des Koordinationsabzugs, mit dem Rentenzuschlag kann sie jedoch so wenig anfangen wie die bürgerlichen Parteien.
Statt des vorgeschlagenen Rentenzuschlags fordert die Partei, dass auf «zielgerichtete, bedarfsorientierte und befristete Ausgleichsmassnahmen» gesetzt wird.
Analog zur SVP verweist sie zudem auf das 3-Säulen-Prinzip. Die zweite Säule basiere auf dem Kapitaldeckungsverfahren, nicht auf dem Umlageverfahren wie die AHV – und das soll laut GLP auch so bleiben. Auch beim Rentenalter 65 für alle sind sich GLP und SVP einig. Zusätzlich soll das Eintrittsalter auf 18 oder 20 Jahre gesenkt werden.
Darum geht's bei der BVG 21
Die Reform der beruflichen Vorsorge sieht vor, dass der Umwandlungssatz für die 2. Säule von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt wird. Das würde jedoch zu 12 Prozent tieferen Renten führen. Um das zu verhindern, schlägt der Bundesrat einen Rentenzuschlag vor, der durch höhere AHV-Lohnabzüge finanziert werden soll. Weiter sieht die Reform Verbesserungen für Teilzeitangestellte und Arbeitnehmende mit tiefen Einkommen vor. Der Koordinationsabzug, der den versicherten Lohn bestimmt, soll auf 12'443 Franken halbiert werden. Kritisiert wird am Vorschlag vor allem, dass er zu einer Vermischung der 1. und 2. Säule führt.