Schweizer*innen denken um Die Neutralität wackelt nicht, aber die Nato wird attraktiver

Andreas Fischer

18.3.2023

Entsteht da was? Bundesrätin und Verteidigungsministerin Viola Amherd hat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am WEF 2022 schon mal die Hände geschüttelt.
Entsteht da was? Bundesrätin und Verteidigungsministerin Viola Amherd hat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am WEF 2022 schon mal die Hände geschüttelt.
Bild: Keystone/Laurent Gillieron

Putins Krieg gegen die Ukraine hat Einfluss auf die Stimmung in der Schweiz. Eine engere Zusammenarbeit mit der Nato ist für die meisten Schweizerinnen und Schweizer kein Tabu mehr – trotz Neutralität.

Andreas Fischer

18.3.2023

Die Schweiz ist neutral. Und sie soll es bleiben: Das wünscht sich eine deutliche Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer, die für die Studie «Sicherheit 2023»  der Militärakademie (Milak) und des Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich befragt wurden.

Allerdings zeigt sich aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein deutliches Umdenken in Sicherheitsfragen: Erstmals überhaupt wünscht sich eine Mehrheit der Bevölkerung eine Annäherung an die Nato. Und auch die Zustimmung zur Neutralität ist trotz immer noch sehr hoher Werte spürbar gesunken.

Im Ausland werden diese Änderungen im Sicherheitsempfinden der Schweizer als ziemlich signifikant wahrgenommen: Neben anderen Medien berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel» prominent über das Umdenken in der Bevölkerung.

In Krisen wächst das Sicherheitsbedürfnis

Für Tibor Szvircsev Tresch, Mitautor der Studie von der Milak, ist der Stimmungsumschwung dagegen nicht verwunderlich: «Das hat damit zu tun, dass man den Glauben an die eigene Verteidigungsfähigkeit, welche auch natürlich mit der Neutralität verbunden ist, etwas verloren hat», wird er bei SRF zitiert. Das sei typisch, wenn es Krisen im näheren Umfeld gebe.

Laut Studie befürwortet eine Mehrheit von 55 Prozent eine Annäherung an die Nato. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als noch im Januar 2021 (im Januar 2022 wurde diese Frage laut Studienautoren nicht gestellt). Eine knappe Mehrheit (53 Prozent) vertritt die Meinung, dass die Neutralität es zulasse, die militärische Verteidigung der Schweiz zusammen mit der Nato zu planen.

Die Zustimmung zur militärischen und nationalen Autonomie sank entsprechend deutlich. Das zeigt gemäss der Studie, dass die Schweizerinnen und Schweizer öffnungs- und kooperationsbereiter sind als in den Vorjahren.

Nato-Betritt ist kein Thema

Die gewünschte Annäherung an die Nato bedeutet derweil nicht, dass die Schweiz dem transatlantischen Militärbündnis beitreten soll. Das bleibt ein Minderheitenanliegen: Zwei Drittel der befragten Personen sprechen sich dagegen aus.

Auch die Neutralität geniesst mit 91 Prozent Zustimmung weiterhin einen hohen Rückhalt. Allerdings sind das auch sechs Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Kommt hinzu, dass eine Mehrheit die differenzielle Neutralität unterstützt: Die Schweiz solle bei politischen Konflikten klar Stellung beziehen, bei militärischen aber neutral bleiben.

Berset: «Neutralität der Schweiz wurde gut verstanden»

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19.01.2023

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und dpa.