Sommarugas Karriere Eine krisenfeste Perfektionistin geht

Von Laina Berclaz, Keystone-SDA

2.11.2022

Sie traute sich, die Parteilinie zu hinterfragen und liess sich auch von Dauerkritik der SVP und Rückschlägen an der Urne nicht entmutigen: Mit Simonetta Sommaruga geht eine sehr gewissenhafte Bundesrätin.

Von Laina Berclaz, Keystone-SDA

2.11.2022

Mit Simonetta Sommaruga verlässt eine Anhängerin des Konsenses nach zwölf Jahren den Bundesrat. Jedoch haben nicht alle ihrer ambitionierten Anliegen die Volkshürde geschafft. So ist sie mit dem CO2-Gesetz gescheitert, hat es aber geschafft, das Asylgesetz umfassend zu reformieren.

Die 62-jährige Sozialdemokratin stand oft vor hohen Hürden: Nachdem ihr im November 2010 nach dem Amtsantritt von den Bürgerlichen das Eidgenössische Justiz -und Polizeidepartement (EJPD) aufgezwungen worden war, schreckte sie nicht davor zurück, auch heikle und kontroverse Themen wie die Asylreform in Angriff zu nehmen.

Schliesslich schaffte die Bernerin als Nichtjuristin die Reform des Asylwesens, ohne an Popularität einzubüssen. Das Asylverfahren wurde durch die Zentralisierung in Bundeszentren beschleunigt, ohne die Rechte der Asylbewerber einzuschränken. 68 Prozent der Stimmbevölkerung folgten ihr 2016, als über die Reform abgestimmt wurde.

Feindbild der SVP

In der eigenen Partei machte sie sich aber nicht nur Freunde und stellte auch die Haltung der SP teilweise infrage. Vielen war sie auf einer zu liberalen Linie, statt sich streng ans Parteibuch zu halten und im Sinne der Partei zu entscheiden.

Vor allem der Kritik ausgesetzt war sie allerdings vonseiten der SVP. Sie wurde für die Ausländerprobleme und die Kriminalität verantwortlich gemacht, blieb aber trotzdem stets ruhig und besonnen. Sie zeigte auch Nerven aus Stahl, als sie 2014 mit der Kritik und dem Unverständnis aus Brüssel konfrontiert war, nachdem die Masseneinwanderungsinitiative der SVP angenommen worden war.

Auch mit der Übernahme des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) im Jahr 2019 verstummte die Kritik an ihr nicht. Im Gegenteil: Sie wurde mit ihrer Politik gegen die Mineralöllobby zum eigentlichen Feindbild der SVP.

«Plan B» bereit

Mit dem CO2-Gesetz, das im Parlament noch als Kompromiss mehrheitlich Zustimmung gefunden hatte, sollte die Schweiz ihre Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um die Hälfte senken. In der Volksabstimmung von 2021 scheiterte der Kompromissvorschlag des Parlaments allerdings deutlich.

Diese Niederlage hinderte sie aber nicht daran, eine umfassende Energiereform anzupacken, um die erneuerbaren Energien voranzubringen. Als «Plan B» zum gescheiterten CO2-Gesetz präsentierte sie einen direkten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Letztlich zogen die Initianten ihr Begehren zugunsten eines Gesetzesprojektes zurück. Über dieses wird das Volk voraussichtlich im Juni 2023 entscheiden.

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Ihrem Engagement für erneuerbare Energien kam die internationale Lage mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine entgegen, die dazu führte, dass der Strompreis völlig aus dem Gleichgewicht geriet und die Gaslieferungen aus Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine wegfielen.

Krisenfeste Bundesrätin

Krisenfest zeigte sich Sommaruga auch bei anderer Gelegenheit, so während der Corona-Pandemie als Bundespräsidentin oder mit einer Aufrüstung des Polizei- und Justizapparates nach den Terroranschlägen von Paris. Das Volk versuchte sie während der Corona-Pandemie mit ihrer Präsenz zu beruhigen und zu einen.

Hinter den Kulissen führte sie viele Gespräche mit den Kantonen und den besonders betroffenen Branchen, um für sie verträgliche Lösungen zu finden. Immer wieder griff sie auch zum Mittel eines Runden Tisches, um Befürworter und Gegner an einen Tisch zu bringen und so einen Kompromiss auszuhandeln. Dies brachte ihr etwa die Unterstützung der Kantone für ihre Asylpolitik ein. Auch in der Frage der Pflegekinder wurde so eine Lösung gefunden.

Die Departementschefin galt als eine Perfektionistin, die gern auf Nummer sicher geht und bei ihrem Personal nichts dem Zufall überlässt, selbst wenn sie sich von einem Tag auf den anderen vom Direktor des Migrationsamtes trennen musste. Allerdings war dieser Eklat für die Bundesrätin doch ungewöhnlich.

Im Amt an Profil gewonnen

Die populäre Konsumentenschützerin Sommaruga, die zu Beginn ihrer Amtszeit trotz ihrer guten Sprachkenntnisse eher verkrampft wirken konnte und ihre Worte stets abwog, schien sich mit zunehmender Dauer in ihrer Aufgabe wohler zu fühlen. Sie äusserte ihre Meinung zu Themen, die sie bewegten, und lernte, mit ihren Emotionen umzugehen.

Als Architektin der Modernisierung des Familienrechts hat die ausgebildete Pianistin Fingerspitzengefühl bewiesen, um ihr wichtige Anliegen voranzutreiben. So überzeugte sie den Bundesrat auch, gegen die Lohndiskriminierung von Frauen vorzugehen.

So oft und sicher sie sich vor den Fernsehkameras bewegte, so konsequent schützte sie ihr Privatleben. Sie galt als Familienmensch. Als ihr Ehemann, der Schriftsteller Lukas Hartmann, ins Spital musste, sagte sie unverzüglich alle Verpflichtungen ab. Letztlich führte dessen Krankheit zu ihrem Rücktritt.

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