Ständerat Volk und Kantone sollen mehr mitreden beim Rahmenabkommen

Von Anna Kappeler

3.12.2020

Eine gehisste EU und Schweizer Fahne flattern im Wind, aufgenommen am Zürichsee.
Eine gehisste EU und Schweizer Fahne flattern im Wind, aufgenommen am Zürichsee.
Bild: Keystone

Der Ständerat hat sich heute trotz Stillstand beim Rahmenabkommen gleich zweimal mit diesem beschäftigt. Er will zusätzlich zum Abkommen eine Gesetzesvorlage – und mehr demokratische Mitsprache für alle.

Es geht nicht vorwärts in einem der wichtigsten Dossiers der Schweizer Politik: dem institutionellen Rahmenabkommen (InstA) mit der EU. Zwar sollte es nach der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative im September Bewegung geben. Doch abgesehen von einem «Geheimplan» des Bundesrates vor drei Wochen, in der die Landesregierung ihre Position zum Rahmenabkommen beschloss, ohne sie öffentlich zu machen, passierte nichts.



Bis heute. Der Ständerat will jetzt den demokratischen Prozess bei einer Übernahme von EU-Recht definieren. Falls das Rahmenabkommen unterzeichnet wird, soll der Bundesrat dem Parlament dazu auch eine Gesetzesvorlage mitliefern. Speziell daran: Dieses soll das Mitspracherecht nicht nur vom Parlament regeln, sondern darüber hinaus auch die Kantone miteinbeziehen.

«Absurd» versus «bedeutsam»

Der Ständerat hat eine entsprechende Motion heute Donnerstag angenommen. Sie wurde noch vom Tessiner alt CVP-Ständerat Filippo Lombardi eingereicht. Zwar fand es Ständerat Thomas Minder (parteilos/SH) «absurd», etwas vorsorglich zu regeln, da es ja noch gar kein Rahmenabkommen gibt, wie er im Rat sagte.

Beat Rieder (CVP/VS) entgegnete: «Weil mir nicht bekannt ist, was in diesem Rahmenabkommen drinsteht, weil der Bundesrat noch verhandelt, hat diese Motion sehr wohl ihren Wert und ihre Bedeutung.» Dieser Argumentation folgte die Kleine Kammer.

Der anwesende Aussenminister Ignazio Cassis gab Minder insofern recht, also dass dieser Vorstoss nur dann Sinn mache, wenn das Rahmenabkommen unterzeichnet werde. Auch Cassis rief zu einer Annahme des Vorstosses auf.

Der Vorstoss geht nun an den Nationalrat. Gut zu wissen: Die grosse Kammer hatte eine gleichlautende Motion der CVP-Fraktion im September 2019 noch abgelehnt. Der Entscheid damals war knapp mit 98 zu 84 Stimmen.

Bundesrat ist für «Qualität vor Tempo»

Das Rahmenabkommen blieb auch beim anschliessenden Traktandum Thema. Ständerat Pirmin Bischof (CVP/SO) liess in einer Interpellation vom Bundesrat offene Fragen zum Rahmenabkommen klären. Trotz dessen schriftlichen Antworten verlangte Bischof zusätzlich eine Debatte im Rat. Dies, weil der Bundesrat seine Fragen nur «teilweise» beantwortet habe.

Zu wenig konkret war für Bischof die Frage des Tempos. «Ich bitte hier den Bundesrat zum Zeitraster etwas Aktuelles zu sagen, namentlich doch auch zur Frage: Wenn jetzt die Verhandlungen verzögert werden, könnte das für die Schweiz nicht auch ein Vorteil sein, weil dann auch in der Zwischenzeit etwas mehr Klarheit entsteht über den Brexit?»

Die Antwort von Cassis: «Der Bundesrat hat immer gesagt, dass Qualität vor Tempo kommt. Er wird zu gegebener Zeit eine Gesamtwürdigung des Verhandlungsergebnisses vornehmen.» Weiter sagte Cassis, der Bundesrat werde das Abkommen nur unterzeichnen, wenn für die offenen Punkte zufriedenstellende Lösungen vorlägen. In diesem Fall werde er dem Parlament eine Botschaft ausarbeiten.

Noch immer offen: das Thema Streitbeilegung

Weiter zeigte sich Bischof erfreut über die Tatsache, dass nun auch der Bundesrat den Punkt der Unionsbürgerrichtlinie «klargestellt» haben will.



Nicht zufrieden ist Bischof bei einem anderen Thema: «Der Bundesrat möchte die Frage der Streitbeilegung nicht mehr neu auflegen mit der EU, das enttäuscht mich, muss ich sagen.» Cassis äussert sich wie folgt: «Im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens beim institutionellen Abkommen kommt demzufolge dem Europäischen Gerichtshof ausschliesslich die Auslegungshoheit über das EU-Recht zu, genau wie dem Bundesgericht die Auslegungshoheit der Schweizer Rechte zukommt.» Das heisst vereinfacht: Der EuGH ist für EU-Recht zuständig, das Bundesgericht für Schweizer Recht.

Das Coronavirus bremst auch hier

Doch wie geht es nun weiter in der unendlichen Geschichte InstA? Sehr schnell werde der Bundesrat mit der EU-Kommission in Kontakt treten: Das versprach Bundesratssprecher André Simonazzi am 11. November. Der Bundesrat wolle seine Position nicht offenlegen, um den «Spielraum für die Schweiz zu bewahren». Bekannt ist auch: Tags darauf telefonierte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Doch seither schafften es die beiden Seiten nicht, einen Termin für ihre Chefunterhändler abzumachen.

Der Grund dafür: Sie werden sich nicht einig, ob das Treffen per Videokonferenz oder persönlich stattfinden soll, wie der «Tages-Anzeiger» heute berichtet. Die Schweizer Staatssekretärin Livia Leu will ein persönliches Treffen, die EU-Kommission wegen des Coronavirus ein virtuelles.

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