Experte zur Credit Suisse «Geht der Geldabfluss weiter, muss man sich Alternativen überlegen»

tjnj, sry

16.3.2023

Die Credit Suisse hat nun wieder ausreichend Liquidität.
Die Credit Suisse hat nun wieder ausreichend Liquidität.
Bild: Keystone / Michael Buholzer

Die Credit Suisse braucht Hilfe von der Nationalbank, der Finanzmarkt ist in Aufruhr. Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008 werden wach. Der Finanzexperte Philip Valta von der Universität Bern ordnet die Lage ein. 

tjnj, sry

16.3.2023

Die Credit Suisse bekommt von der Nationalbank Hilfe in Form von 50 Milliarden Franken. Ob sie diese dann auch tatsächlich benötigen wird, hängt von der Entwicklung der nächsten Tage und Wochen ab: Können die Abflüsse von Kundengeldern gestoppt werden? Welchen Einfluss haben die hohen Zinsen? Und was hat der Fall Credit Suisse mit der Bankenkrise in den USA zu tun? Finanzexperte Philip Valta ordnet für dich die wichtigsten Fragen ein.

Ist das Geld der Kunden nach dem Eingreifen der Nationalbank nun wieder sicher?

«Dadurch dass die Schweizer Nationalbank jetzt diese zusätzliche Kreditfazilität zur Verfügung gestellt hat, gibt es bei der Credit Suisse viel Liquidität. Ein grosses Problem bei der CS ist in der Tat, dass sie grosse Kundengelderabflüsse hatten in den letzten Monaten. Die Märkte haben diese Kreditfazilität jetzt positiv aufgenommen. Allerdings wird es ein paar Tage dauern, bis wir sehen, wie viele Kunden jetzt zusätzlich ihr Geld von der Credit Suisse abziehen.

Die Märkte haben jetzt positiv reagiert und in der Schweiz haben wir ja auch die Einlagensicherung. Das heisst: Wenn Sie in der Schweiz wohnen und Ihr Konto bei der CS haben, sind die Gelder ja auch bis 100'000 Franken im Prinzip garantiert.»

«Die CS darf die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen»

«Die CS darf die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen»

Was ist da los bei der Credit Suisse? Vier Parlamentarier*innen geben blue News Auskunft. Thomas Matter; Nationalrat SVP/ZH, Beat Rieder, Ständerat Mitte/VS, Sarah Wyss, Nationalrätin SP/BS, Anna Giacometti, Nationalrätin FDP/GR.

16.03.2023

Joe Biden hat versprochen, die Einlagen aller amerikanischen Bankkunden zu garantieren. Sollte der Bundesrat einen solchen Schritt auch tätigen?

«Nach der Finanzkrise wollte man natürlich verhindern, dass sowas nochmal passiert. Es gibt zwar die Einlagensicherung, man wollte den Banken eben keinen Blankocheck im Voraus ausstellen. Denn wenn die Banken wissen, dass alle Kunden- und Kundinnengelder sowieso garantiert sind, dann haben sie noch grössere Anreize, Risiken einzugehen.

Ich finde, dass die Initiative der US-Regierung gegen das geht, was in den letzten Jahren seit der Finanzkrise gepredigt wurde: Man wollte den Banken aufzeigen, dass sie ihre eigenen Krisen kennen müssen und dass sie auch nur so viele Risiken eingehen, wie sie auch eingehen können. Und nicht, dass jederzeit der Staat kommt und die Banken dann rettet.

Ich denke, in der Schweiz ist so ein Szenario erst mal nicht vorgesehen. Wenn man sich die Bilanz der Credit Suisse ansieht, ist sie eigentlich sehr solide aufgebaut. Sie hat solide Vermögenswerte und ist sehr gut kapitalisiert.»

Wie unterscheiden sich die Probleme der CS von denen anderer Banken zum Beispiel in den USA?

«Das mit der Silicon Valley Bank in den USA war ja ein klassischer Bankensturm. Die Bank hat viele Kundengelder in langfristige Staatsanleihen investiert und kein gutes Risikomanagement betrieben, also sind die Zinsen stark angestiegen. Dadurch haben die Vermögenswerte stark eingebüsst. Und das führte dann zu Sorgen bei den Kundinnen und Kunden, die daraufhin schnell ihr Geld abgezogen haben.

Und wir sind auch in einem ganz anderen Szenario als in der Finanzkrise. In der Finanzkrise hatten viele Banken diese Ramschpapiere in der Bilanz, die dann schnell an Wert verloren haben. Das hat dann das Eigenkapital aufgezehrt. Da sind wir jetzt schon in einer anderen Situation bei der Credit Suisse. Die Bilanz ist solide, das Problem ist der Vertrauensverlust und der Abzug der Kundengelder. Das ist das Hauptproblem.»

Strassen-Umfrage zur Credit Suisse: «Ich habe investiert und noch mehr Aktien gekauft»

Strassen-Umfrage zur Credit Suisse: «Ich habe investiert und noch mehr Aktien gekauft»

Der tiefe Fall der Credit Suisse hat viele geschockt, doch so mancher Passant in Zürich hat es auch kommen sehen: Das denken Herr und Frau Schweizer über das Schwächeln der Grossbank.

16.03.2023

Was wären aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte, falls die Credit Suisse nicht aus dem Strudel herauskommt?

«Die Credit Suisse wird wahrscheinlich versuchen, sich mithilfe der Nationalbank eigenständig aus dem Sumpf zu ziehen und das Vertrauen der Finanzmärkte, aber auch der Kundinnen und Kunden wiederzugewinnen.

Wir wissen ja nicht, wie viele Personen in den letzten zwei Tagen ihre Kundengelder abgezogen haben und wie viele das in den nächsten Tagen machen werden. Wenn dieser Kundengelderabfluss weitergeht, dann muss man sich schon überlegen, ob es nicht alternative Szenarien braucht.»

Auffällig sind auch die Turbulenzen am Devisenmarkt: Hat der starke Franken einen Einfluss auf die Rettung der Credit Suisse?

«Da sehe ich keinen direkten Einfluss. Was natürlich generell auf die Finanzmärkte einen Einfluss hat, sind die stark gestiegenen Zinsen der letzten Monate. Das führt natürlich dazu, dass die Anleihen, die von vielen Banken gehalten werden, stark an Wert verloren haben. Und das schwächt die Bilanzen von Banken. Aber mit dem starken Franken an sich sehe ich keinen direkten Zusammenhang, nein.»

Ähnlich wie 2008 scheinen auch jetzt hohe Zinsen Ursache der Krise zu sein. Wo sehen Sie Parallelen, wo Unterschiede?

«Das Problem in der Krise 2008 war allen voran, dass die Immobilienpreise aufgrund der steigenden Zinsen vor allem in den USA stark gesunken sind. Dann konnten die Eigenheimsbesitzer und -besitzerinnen in Kalifornien ihre Hypotheken nicht mehr bedienen und das führte zu einer starken Abwertung dieser speziellen Konstrukte, der mortgage backed securities.

Das waren diese kreierten Instrumente, die man dann über die Kapitalmärkte verkauft hat. Wenn diese ein Top-Rating bekommen haben, wurden sie von anderen Banken aufgekauft. Und als man gemerkt hat, dass diese Finanzinstrumente doch nicht so risikofrei sind, haben diese stark an Wert eingebüsst und das hat die Bilanzen der Banken geschwächt.

Hier haben wir einen Anstieg der Zinsen, eine erhöhte Unsicherheit, hohe Inflationsraten. Natürlich besteht ein Risiko, dass auch wieder die Immobilienpreise sinken werden, vor allem in Gegenden, in denen die Immobilienpreise in den letzten zehn bis zwanzig Jahren stark gestiegen sind.

Aber ich weiss nicht, wie stark die Schweiz davon betroffen ist. Wenn man sich die Statistiken anschaut, haben sich die Preiserhöhungen von Schweizer Immobilien ein bisschen abgeschwächt. Also ob es da jetzt wirklich zu einer Krise kommt im Immobiliensektor, dafür sind die Zinsen in der Schweiz auch noch zu tief. Das ist ein bisschen anders als in den USA. Dort sind die Zinsen schon sehr stark angestiegen.»

Hat diese Bankenkrise das Potenzial, dass daraus eine Weltwirtschaftskrise erwächst?

«Wie es weitergehen wird, können wir nicht vorhersagen. Generell haben Bankenkrisen durchaus das Potenzial, wirtschaftliche Krisen zu beschleunigen oder zu verursachen. Der Bankensektor wird manchmal auch als Schmiermittel der Wirtschaft bezeichnet. Die Situation bei der Credit Suisse ist erst einmal stabilisiert. Jetzt muss sie das Vertrauen der Märkte und der Kundinnen und Kunden zurückgewinnen.»