Abstimmung über Frontex-AusbauJa-Komitee will Schengen-Zusammenarbeit nicht aufs Spiel setzen
su, sda
29.3.2022 - 13:41
Die Schweiz soll Verantwortung übernehmen und die Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern nicht aufs Spiel setzen. So begründet ein überparteiliches Komitee sein Ja zum Frontex-Ausbau für die Abstimmung am 15. Mai.
29.3.2022 - 13:41
Das Ja-Komitee lancierte am Dienstag vor den Medien in Bern seine Kampagne für den Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex, der mit einem Referendum bekämpft wird. Zum Komitee gehören FDP, Mitte-Partei, GLP, der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und der Schweizer Tourismus-Verband. Auch Mitglieder von SVP, Operation Libero und der Europäischen Bewegung Schweiz arbeiten mit.
Ein falsches Signal
Mit dem Schengen-Beitritt habe sich die Schweiz verpflichtet, Entwicklungen des Abkommens zu übernehmen, sagte Nationalrätin Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) und erinnerte an das Ja zur Waffenrichtlinie von 2019. Für das damals von Rechts geführte Referendum gelte dasselbe wie für das heutige: «Wer A sagt, muss auch B sagen.»
Seit dem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU vor fast einem Jahr stecke die Schweizer Europapolitik in der Sackgasse, macht das Komitee geltend. Ein Schweizer Nein zum Frontex-Ausbau würde die Lage noch verschlimmern.
Jetzt, da die europäischen Länder wegen des Kriegs in der Ukraine wieder enger zusammenrückten, wäre für das Komitee ein «Abseitsstehen» erst recht das falsche Signal. «Seit der russischen Invasion in der Ukraine steht das Referendum völlig quer in der Landschaft», sagte Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler (LU).
Mit dem Schengen-Vertrag sei ein gemeinsamer Sicherheitsraum geschaffen worden. Mit einem Nein verliere die Schweiz den Zugang zum Schengener Informationssystem (SIS II) und zum Visa Informationssystem (VIS). «Das käme einem europapolitischen Totalschaden gleich», sagte Nationalrat Andri Silberschmidt (FDP/ZH).
«Frontex kann man nicht schönreden»
Nationalrat Jean-Pierre Grin (SVP/VD) erinnerte an Überfälle auf Geldtransporte in der Westschweiz in den Jahren 2017 bis 2019. 2020 hätten dann, dank der Zusammenarbeit der Behörden in Frankreich und in der Schweiz, die Täter aus dem Raum Lyon dingfest gemacht werden können.
Die Gegner, die hinter dem Referendum stehen, machen geltend, dass mit dem zusätzlichen Geld für Frontex die europäischen Aussengrenzen noch mehr abgeschottet und Sonderflüge für Zwangsausschaffungen beschleunigt würden. Frontex spiele eine zentrale Rolle bei der «Entwürdigung von Flüchtlingen durch Abschiebungen».
«Frontex kann man nicht schönreden», räumte Sanija Ameti ein, die Co-Präsidentin der Operation Libero. Wolle die Schweiz eine menschlichere Migrationspolitik, müsse sie Teil von Schengen bleiben. «Denn kein Schengen ist auch keine Lösung.»
Als Schengen-Mitglied könne die Schweiz bei Frontex mitbestimmen und darauf hinwirken, dass sich die europäische Grenzschutzagentur in ihrer Arbeit verbessere, hält das Komitee dazu fest. Und die Schweiz könne dafür sorgen, dass an den Schengen-Aussengrenzen die Grundrechte respektiert würden.
Reisefreiheit zählt für Wirtschaft
Ohne die Schengen-Zusammenarbeit würde die Schweiz eine Visums-Insel, argumentiert das Komitee zudem. Touristen von ausserhalb Europas bräuchten neu ein separates Visum für die Schweiz, und die Schweiz müsste ihre Grenzen wieder kontrollieren.
Das würde den Schweizer Tourismus jährlich über eine halbe Milliarde Franken kosten, gab Nicolo Paganini, Präsident des Schweizer Tourismus-Verbandes, zu bedenken. Viele Gäste aus Übersee würden wohl auf den Abstecher in die Schweiz verzichten, wenn sie dafür ein separates Visum bräuchten.
Verlasse die Schweiz den Schengen-Raum, sei sie als Standort für Unternehmen und als Bildungs- und Forschungsplatz weniger attraktiv, sagte Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl. Die ohne Schengen nötigen Spezialvisa seien für die globalisierte Schweiz ein Problem.
Die EU rüstet seit 2016 die Grenz- und Küstenwache Frontex mit mehr Personal und technischer Ausrüstung auf, damit diese ihre Aufgaben im Grenz- und Rückkehrbereich besser wahrnehmen kann. An diesem Ausbau muss sich auch die Schweiz beteiligen, weil es sich um eine Schengen-Weiterentwicklung handelt.
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