300'000 streunende Tiere Kommt in der Schweiz jetzt die Kastrationspflicht für Katzen?

Von Jennifer Furer

8.8.2020

«Unterernährung, Krankheiten oder Revierkämpfen»: Ohne Kastration verbreiten sich Katzen in der Schweiz ungebremst.
«Unterernährung, Krankheiten oder Revierkämpfen»: Ohne Kastration verbreiten sich Katzen in der Schweiz ungebremst.
Getty Images

In der Schweiz streunen bis zu 300'000 Katzen umher. Sie sind unkastriert – und vermehren sich unkontrolliert weiter. Der Bund will dennoch keine Kastrationspflicht. Jetzt reagieren kantonale Politiker.

Herumstreunende Katzen, unkontrollierter Nachwuchs und Problemfälle, die durch Erschiessen beseitigt werden müssen: In der Schweiz herrscht ein Katzenelend. Das zumindest sagt Esther Geisser von der Tierschutzorganisation Netap mit Sitz in Esslingen ZH.

Mit ihrer im Jahr 2008 gegründeten Organisation Network for Animal Protection kämpft sie gegen die ungebremste Ausbreitung unkastrierter Katzen und hilft herrenlosen und verwahrlosten Tieren wieder auf die Beine.

Seit Jahren pocht Geisser auf eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen auf nationaler Ebene. Ein solcher Vorstoss wurde vom Parlament abgelehnt. Auch der Bundesrat hat sich gegen das Begehren ausgesprochen. Begründung: Nach geltendem Recht seien Tierhalterinnen und -halter bereits jetzt verpflichtet, «alle zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um eine übermässige Vermehrung ihrer Tiere zu verhindern».

Zwei Vorstösse geplant

David Stampfli, SP-Grossrat im Kanton Bern, sagt, dass diese Aufforderung nicht genüge. Ein Gesetz hingegen würde Abhilfe schaffen. «Wenn die Leute wissen, dass sie ihre Katze kastrieren lassen müssen und dass sie sonst gebüsst werden können, werden sie es hoffentlich auch tun», sagt er zum SRF.

Stampfli hat zusammen mit zwei Parteikollegen ein Postulat eingereicht. Die Kantonsregierung soll eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen prüfen. Im Postulat schreiben die SP-Politiker, dass es dem Kanton Bern «gut anstehen» würde, wenn er als einer der grössten Kantone bei der Kastrationspflicht eine Vorreiterrolle übernähme.

Jetzt handelt auch Barbara Franzen, FDP-Kantonsrätin aus Zürich. Sie plant nach den Sommerferien, in Richtung einer kantonalen Kastrationspflicht politisch aktiv zu werden.

Streunende Katzen auf Höfen sorgen bei der Tierschutzorganisation Netap immer wieder für Kastrationseinsätze.
Streunende Katzen auf Höfen sorgen bei der Tierschutzorganisation Netap immer wieder für Kastrationseinsätze.
Netap

«In der Schweiz gibt es über 1,6 Millionen Katzen, davon sind gemäss Schätzungen 100'000 bis 300'000 streunende Tiere», sagt Franzen. «Katzen können sich rasch vermehren, wodurch ihre Population stetig steigt. Das führt zu grossem Leid bei den streunenden Tieren, sei es durch Unterernährung, Krankheiten oder Revierkämpfen.»

Die Zahl der Tiere steige weiter an. «Herrenlose Tiere, vielfach Jungkatzen, haben Glück, wenn sie in Tierheimen versorgt werden. Allzu oft werden Katzen und ihre Jungen heute noch qualvoll getötet», begründet Franzen ihr Engagement. Zudem gefährde ein allzu hoher Bestand an domestizierten Freigängerkatzen oder wilden Katzenpopulationen andere Tiere wie etwa seltene Vogel- oder Reptilienarten.

Eine Kastrationspflicht für Freigänger sei der richtige Weg, dem Tierleid mit relativ geringem Aufwand zu begegnen.

Umfrage
Haben Sie eine Katze?

Bisher würden Kantone, Gemeinden und Tierschutzorganisationen gezielte Kastrationsprogramme für streunende Katzen umsetzen. «Dies reicht aber nicht aus, um die Streunerpopulationen in Griff zu bekommen», sagt Franzen.

Die FDP-Politikerin sagt, dass eine nationale Regelung zu begrüssen sei. «Doch nach der abschlägigen Antwort des Bundesrates und der Ablehnung im Parlament drängt sich nun die kantonale Frage auf.» Zudem habe der Bundesrat gesagt, dass angesichts der föderalen Aufgabenteilung allfällige Kastrationskampagnen in die Kompetenz der Kantone fallen würden.

Bund weiss nicht, wie viele Katzen umherstreunen

Auch aktuell pocht der Bund auf eine kantonale Umsetzung der Kastrationen, eine nationale Pflicht sei nicht in Ausarbeitung. Eva van Beek, Sprecherin beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, sagt: «In Einzelfällen haben die kantonalen Vollzugsbehörden die Möglichkeit, die Kastration von Tieren anzuordnen, wenn ihre Halterinnen und Halter nicht in der Lage sind, die Fortpflanzung ihrer Katzen zu kontrollieren.»

Obwohl dem Bund die Anzahl Freigänger- und streunender Katzen nicht bekannt ist, sagt van Beek, dass man aufgrund «aktueller Schätzungen» davon ausgehe, dass ein Grossteil der Halterinnen und Halter ihre Katzen sterilisiert oder kastriert. «Eine besondere Lage lässt sich in der Schweiz aber nicht erkennen, da ein grosser Teil der Katzenhalterinnen und Katzenhalter ihren Pflichten nachkommt», so van Beek.

Das BLV engagiert sich insoweit, dass es die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert. «Darüber hinaus hat sich das BLV verschiedenen Organisationen angeschlossen für die Kampagne Luna & Filou, die im Oktober 2018 lanciert wurde.» Diese verfolge den Zweck, alle Katzenhalterinnen und -halter über die Vorteile einer Kastration und einer dauerhaften Kennzeichnung durch einen elektronischen Chip zu informieren.

Zurück zur Startseite