Neutralitäts-Initiative der SVPChristoph Blocher will Schweizer Sanktionen verhindern
SDA, smi
25.7.2022 - 06:28
Micheline Calmy-Rey: «Niemand hat den Bundesrat so richtig verstanden»
Die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey kennt sich auf dem internationalen Parkett der Diplomatie bestens aus. Im Video-Interview mit blue News erklärt sie, was der Bundesrat hätte besser machen können.
02.06.2022
Christoph Blocher will, dass die Schweiz keine Sanktionen mehr ergreifen darf. Das will der Alt-Bundesrat mit seiner Neutralitäts-Initiative erreichen. Das Volk stehe hinter der Neutralität, die classe politique missachte sie.
25.07.2022, 06:28
25.07.2022, 09:36
SDA
Die Schweiz soll sich wie bisher aus militärischen Auseinandersetzungen anderer Staaten heraushalten müssen, neu aber auch keine Sanktionen ergreifen dürfen. Das will die Neutralitäts-Initiative des früheren SVP-Bundesrates Christoph Blocher. Der Bundesrat breche die Neutralität, die die Schweiz 200 Jahre lang vor schrecklichem Kriegsgeschehen bewahrt habe, sagte Blocher in einem am Montag veröffentlichten Interview mit dem «Blick». Indem die Schweiz sich an Sanktionen gegen Russland beteilige, beteilige sie sich an Zwangsmassnahmen gegen eine Kriegspartei.
Die schweizerische Neutralität fordere das Gegenteil, sagte Blocher. Sei die Schweiz glaubwürdig neutral, könne sie eine besondere Stellung für den Weltfrieden einnehmen, sagte er und erinnerte dabei an das Treffen von US-Präsident Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Juni 2021 in Genf.
Das Volk stehe hinter der Neutralität, und die classe politique missachte sie, so Blocher. Die Neutralitäts-Initiative sorge dafür, dass «die da oben auch hinter der Neutralität stehen müssen und nicht willkürlich die Schweiz in den Krieg treiben können».
Initiative stärkt angeblich dem Bundesrat den Rücken
Die Initiative verlangt, dass sich die Schweiz wie bisher nicht mit militärischen Mitteln an Kriegen beteiligen darf, aber ebenso wenig mit nicht-militärischen Zwangsmassnahmen. Blocher nannte dabei wirtschaftliche und personelle Sanktionen und «andere zivilen Zwangsmassnahmen».
Die Initiative stärke dem Bundesrat den Rücken. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe die Regierung zunächst entschieden, sich nicht an Sanktionen zu beteiligen, aber deren Umgehung zu verhindern. Innert Tagen sei sie aber unter Druck eingebrochen. «Die Neutralitäts-Initiative zwingt den Bundesrat, Rückgrat zu zeigen.»
Wer im Initiativkomitee Einsitz nehmen wird, ist laut Blocher noch offen. Über die Zusammensetzung werde entschieden, wenn die Bundeskanzlei den Initiativtext geprüft habe. «Wir haben viele Namen», sagte er. Die Unterschriftensammlung solle im Herbst beginnen, ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen.
Neutralität und Sanktionen stehen seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine oben auf der politischen Agenda. Der Nationalrat beschloss im Juni einen Paradigmenwechsel in der Sanktionspolitik, gegen den Willen der SVP. Er will, dass der Bundesrat künftig eigenständig Sanktionen verhängen kann. Der Ständerat muss darüber noch befinden.
Heute kann die Schweiz Sanktionen der Uno, der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen. Umgesetzt werden sie gestützt auf das Embargogesetz.
Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) arbeitet zudem an einem aktualisierten Neutralitätsbericht. Es würden insbesondere die letzten dreissig Jahre aufgearbeitet und die Entscheide des Bundesrates zum Krieg in der Ukraine eingeordnet, sagte Aussenminister Ignazio Cassis im Juni im Parlament.
Ebenso werde erörtert, wie die Neutralität weiterentwickelt werden könne. «Die Neutralität ist kein starres Gebilde». Der Ständerat wünschte sich mit einem Postulat Überlegungen zu Waffenlieferungen, zur Nato und zum Handlungsspielraum für Sanktionen.