Parteikollegen entsetzt Nationalrat schwärmt für «die guten Seiten» von Nordkoreas Regime

tali/SDA

22.7.2019

Claude Béglé will im Herbst wiedergewählt werden. Das könnte sich nach seinem Reisebericht aus Nordkorea nun schwieriger gestalten.
Claude Béglé will im Herbst wiedergewählt werden. Das könnte sich nach seinem Reisebericht aus Nordkorea nun schwieriger gestalten.
Keystone

CVP-Nationalrat Claude Béglé twittert über seine Nordkorea-Reise – und empört Parteikollegen und Menschenrechtler mit seinen Aussagen gleichermassen.

Das Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten warnt Nordkorea-Reisende davor, öffentliche Bauten zu fotografieren, sich politisch zu äussern oder gar, die Regierung zu kritisieren: «Allgemein werden in Nordkorea Gesetzesverstösse wesentlich strenger geahndet als in der Schweiz und können mit langjährigen Haftstrafen oder Arbeitslager bestraft werden.»

Ob Claude Béglé diese Reiseinformationen nicht gelesen hat? Der CVP-Nationalrat des Kantons Waadt ist derzeit in dem diktatorisch regierten Land unterwegs – und twittert munter über «die guten Seiten des Sozialismus»: «Die Löhne sind niedrig (CHF 50 pro Monat), aber alles wird vom Staat kostenlos zur Verfügung gestellt: Reis und die wichtigsten Lebensmittel, Unterkunft, Gesundheit, Bildung.»

«Ist so eine Person noch tragbar von der CVP?»

Das funktioniere «viel besser, als wir es uns hätten vorstellen können», schwärmt der ehemalige Post-Verwaltungsratspräsident etwa nach dem Besuch einer Seidenspinnerei. Es gebe sogar eine «hübsche Cafeteria» und einen Pool für die Arbeiterinnen.

Unter den Tweets hagelt es Kritik: Das Schwimmbad auf dem Foto sei wahrscheinlich gerade leer, weil man nach 14 Stunden Arbeit zu müde zum schwimmen sei, vermutet ein User. «Bitte bleiben Sie dort. Sie gehören mit Ihren Ansichten nicht in ein Schweizer Parlament», empört sei ein anderer. «Ist so eine Person noch tragbar von der CVP?», wundert sich der nächste.

Erstaunen bei der CVP

Eine Frage, die sich offenbar auch Béglés Parteikollegen: Die CVP habe die «äusserst lobenden Botschaften» zu Nordkorea «mit Erstaunen» zur Kenntnis genommen, sagte am Montag Kopräsidentin Isabelle Tasset Vacheyrout auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Wir stimmen diesen Aussagen überhaupt nicht zu.»

In einem Communiqué schreibt die CVP-Kantonalpartei weiter, sie verurteile das diktatorische nordkoreanische Regime vorbehaltlos. Sie werde Béglé nach dessen Rückkehr aus Asien zur Rede stellen. «Wir wollen den Kontext verstehen, in dem diese Nachrichten geschrieben wurden», sagte Tasset Vacheyrout. Bislang sei der Nationalrat nicht erreichbar gewesen.

Entsetzen bei Amnesty Schweiz

Amnesty International zeigte sich über Béglés Tweets regelrecht entsetzt: «Die Schönwetterberichte von Claude Béglé aus Nordkorea sind völlig deplatziert», twitterte Amnesty Schweiz. «In dem Land sind immer noch bis zu 120'000 Menschen in Lagern für politische Gefangene inhaftiert und Misshandlungen, Folter und Zwangsarbeit ausgesetzt.»

Tweet für Tweet ordnet die Menschenrechtsorganisation Béglés Reiseeindrücke in ein: Die Menschen werden mit allem versorgt? «In einigen Regionen reicht der Mindestlohn gerade mal für ein Kilo Reis pro Monat. Wer aufmuckst, dem droht Arbeitslager.»

Ins richtige Licht gerückt

Das Paradies für Kinder, das Béglé nach dem Besuch ein Freizeitheim für Schüler porträtiert? «Viele Kinder können wegen Krankheit, Mangelernährung oder fehlendem Einkommen der Familie gar nicht zur Schule. Jedes Jahr müssen Schulkinder bis zu 40 Tage Landarbeit verrichten, für ältere Kinder gilt oft Schwerarbeit.»

Für Béglés anstehenden Wahlkampf im Herbst könnte diese Reise zur Stolperfalle werden: Der Nationalrat ist für die CVP Waadt das Zugpferd für die nationalen Wahlen. Er kandidiert sowohl für den National- als auch für den Ständerat.

Bilder aus der Schweiz
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