China Sie schuften für leuchtende Kinderaugen in der Schweiz

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6.12.2018

Chinesische Spielzeugproduktion: Vielerorts sind die Arbeitsbedingungen schlecht. 
Chinesische Spielzeugproduktion: Vielerorts sind die Arbeitsbedingungen schlecht. 
Symbolbild: Keystone

Überstunden bis zur völligen Erschöpfung, Hantieren mit giftigen Substanzen – und das für einen Hungerlohn: Hilfsorganisationen prangern die Arbeitsbedingungen in chinesischen Spielzeugfabriken an. 

Sie lächelt. Ihr rotes, wallendes Haar reicht bis zur glitzernden, beweglichen Schwanzflosse. Etwas hat die Puppe, die mit ihren 1800 bis 2500 baugleichen Schwestern in Massenproduktion von flinken Händen zu einer menschenähnlichen Gestalt Disney’s Princess Sing & Sparkle Ariel Doll wird, mit den Fabrikarbeiterinnen gemeinsam: Sie funktioniert auf Knopfdruck.

Pro gefertigter Figur bleiben einer der 75 Arbeiterinnen, die in der chinesischen Fabrik Wah Tung 26 Tage im Monat unter erbärmlichen Bedingungen schuften, gerade einmal ein Rappen. Verkauft wird das Püppchen später beispielsweise bei Amazon für 35 Franken.

Noch härter arbeiten

Um der steigenden Nachfrage der Vorweihnachtszeit gerecht zu werden, läuft die Produktion in den asiatischen Fertigungsstätten während der Sommermonate auf Hochtouren – mit gravierenden Folgen für die Arbeiterinnen. Das beobachtet auch Simone Wasmann, Kampagnenverantwortliche Faire Arbeit der Non-Profit-Organisation Solidar Suisse: «Die Schere zwischen den besseren und den schlechteren Fabriken ist dieses Jahr extrem aufgegangen.» Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bestätigt Wasmann, dass der Druck auf die Arbeiterinnen massiv zugenommen habe. Um bei einer derart schlechten Bezahlung überleben zu können, müssten die Mitarbeiterinnen noch länger und härter arbeiten, um auf einen Lohn zu kommen, der zum Überleben reiche.

Dass die Missstände überhaupt aufgedeckt wurden, ist Ermittlern der Organisation China Labor Watch zu verdanken. Sie nahmen die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Fabriken Lovable, Wah Tung, Herald und Jetta unter die Lupe. Dort wird für  Spielwarenunternehmen wie Disney, Mattel oder Hasbro produziert. Deutsche Hersteller wie Ravensburger, Schleich oder Simba Diecki stehen genauso auf der Kundenliste, wie die Schweizer Detailhandelsriesen Migros, Coop, Manor oder der Spielwarenkonzern Franz Carl Weber.

Giftige Arbeitsmaterialien

Obwohl das chinesische Arbeitsrecht maximal 36 Überstunden erlaubt, wurde in diesem Jahr in der von China Labor Watch überwachten Wah-Tung-Fabrik 175 – teilweise unbezahlte – Überstunden geleistet. Und das bei nur einem Ruhetag pro Monat. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es nur 140. Gesamthaft wurde die Sollarbeitszeit in den vier beobachteten Fertigungsbetrieben um 80 Stunden überschritten.

Nicht nur die hohe Arbeitsbelastung bedroht die Gesundheit der Fabrikangestellten: Sie hantieren – nicht selten ungeschützt – mit Substanzen wie Lösungsmitteln oder Klebstoffstoffen, die die Schleimhäute reizen, die Haut irritieren oder Allergien auslösen können. Auch Stoffe wie Benzol werden eingesetzt: Benzol kann langfristig zu Herzrhythmusstörungen, Atemlähmung oder sogar zu Leukämie führen.

Solidar Suisse sieht das Problem für die desolaten Zustände beim Druck der Industrie, der auf die Fabriken ausgeübt wird. Um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können, verlangen die grossen Player des Spielzeuggewerbes, dass grössere Stückzahlen produziert werden. Die steigenden variablen Kosten würden dann auf die Belegschaft abgewälzt.  Anders als in anderen Ländern, können Chinas Arbeiter nicht auf die Unterstützung einer funktionierenden Gewerkschaft zählen, die ihnen in rechtlichen Belangen hilft.

Transparenz gefordert

Verbessern könne sich die Situation gemäss Simone Wasmann nur, wenn Schweizer Händler für die Transparenz gegenüber Konsumentinnen und Konsumenten der Schweiz sorgten.

Yves Burger, Geschäftsführer bei Franz Carl Weber, stützt sich darauf, dass man in seinem Unternehmen grösstenteils mit inländischen oder europäischen Lieferanten zusammenarbeite und sich die grossen Marken an die Bestimmungen der ICTI halten würden. Man vertraue auf die Kontrollsysteme dieser international anerkannten Organisation und darauf, dass man die Arbeitsbedingungen laufend kontrolliere.

«Stichprobenartige Überprüfung»

«Wir verlangen von allen unseren Markenartikelherstellern die Einhaltung unserer Richtlinie der nachhaltigen Beschaffung, welche die Einhaltung hoher sozialer Standards gewährleistet», sagt Coop Sprecherin Alena Kress und ergänzt, dass Studienergebnisse geprüft würden und man mit Markenartikelherstellern Kontakt aufnehme.

Migros antwortet unter anderem, dass die Zustände für sie nicht akzeptabel seien. Alexandra Kunz, Sprecherin der Migros, sagt, man werde mit den Herstellern das Gespräch suchen. Die meisten Spielwarenmarken arbeiteten mit dem ICTI-Ethical-Toy-Programm, und Migros überprüfe stichprobenartig, ob sich die Fabriken an die Bedingungen hielten. Bei Manor heisst es, man beziehe die Ware von einem Schweizer Importeur. Ein Compliance Agreement stelle sicher, dass die Richtlinien eingehalten würden.

Simone Wasmann von Solidar Suisse genügt das nicht. Auch wenn keine direkte Zusammenarbeit mit den Fabriken bestünde, könne man nicht ausschliessen, dass sie Produkte der betreffenden Hersteller bezögen. Auf Labels wie BSCI oder ICTI sei nur Verlass, wenn sie das halten würden, was sie versprechen.

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