Analyst über Sommarugas Rücktritt «Sie zeigt menschliche Grösse»

Von Andrea Moser

2.11.2022

Rückblick: So war Simonetta Sommarugas Zeit als Bundesrätin

Rückblick: So war Simonetta Sommarugas Zeit als Bundesrätin

Umweltministerin Simonetta Sommaruga tritt aus persönlichen Gründen als Bundesrätin zurück. Der Entscheid komme abrupt und früher als vorgesehen, sagte sie am Mittwoch vor den Medien. Das Video von Keystone-SDA gibt einen Rückblick auf ihre zwölf Jahre als Bundesrätin.

02.11.2022

Bundesrätin Simonetta Sommaruga sitzt nur noch bis Ende Jahr für die SP in der Landesregierung. Ihr Rücktritt kommt überraschend. Auch für Polit-Analyst Mark Balsiger.

Von Andrea Moser

2.11.2022

Das Sprechen fällt Simonetta Sommaruga sichtlich schwer, als sie am Mittwochnachmittag vor die Medien tritt. Sie sei gern Bundesrätin, sagt sie. Ende Jahr ist damit Schluss. Nach einem kürzlich erlittenen Schlaganfall ihres Mannes hat sie sich für den Rücktritt entschieden. Er kommt überraschend.

«Sie zeigt menschliche Grösse», sagt Politik-Analyst Mark Balsiger im Gespräch mit blue News. «Ihre Prioritäten lagen zwölf Jahre lang im Amt als Bundesrätin. Nun geht es um ihren kranken Mann.» Sommarugas Rücktritt hat auch ihn überrascht.

Simonetta Sommaruga tritt per Ende Jahr zurück. Sie hat ihren Rücktritt am Mittwoch bekannt gegeben.
Simonetta Sommaruga tritt per Ende Jahr zurück. Sie hat ihren Rücktritt am Mittwoch bekannt gegeben.
Keystone (Archivbild)

Zweiervakanz bringt Dynamik

Nun beginnt die Suche nach einer Nachfolgerin. Der Wahltermin am 7. Dezember mische alles komplett auf, sagt Balsiger. «Man konnte ja nicht von einer Zweiervakanz ausgehen. Dadurch kommt viel Dynamik auf.» Die SP hat nach Sommarugas Rücktritt bereits angekündigt, dass sie ihren Sitz mit einem Frauen-Zweierticket verteidigen will.

Den Grünen wiederum hätte Balsiger einen Angriff auf den Sitz der SP zugetraut. «Diese Partei weiss, dass sie nicht im Schlafwagen zu einem Bundesratssitz kommt.»

In der Zwischenzeit haben die Grünen bekannt gegeben, dass sie den Sitz der SP nicht angreifen wollen. Ihre Chancen wären mit einer überzeugenden Kandidatur deutlich grösser, als wenn sie bei den Gesamterneuerungswahlen in einem Jahr gegen die FDP antritt, schreibt Balsiger auf Twitter.

Energiekrise und Gletscherinitiative als Knacknüsse

Wer letzten Endes Sommarugas Sitz und damit auch das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) übernimmt, hat mehrere Baustellen, die es zu bewältigen gibt. Mit der Energiekrise als echte Knacknuss sei der Fokus gesetzt, sagt Balsiger.

Hinzu kommt der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, die im Juni vors Stimmvolk kommt. «Da kann man davon ausgehen, dass das Referendum der SVP zustande kommt.» In einem so grossen Departement wie dem Uvek werde historisch gesehen immer viel investiert. «Beispielsweise in den öffentlichen Verkehr oder den Strassenbau. Dort sind Erwartungen da von unterschiedlicher Seite.»

Kein Abgang, den sich ein Bundesratsmitglied wünscht

Bis Ende Jahr ist das Amt noch bei Sommaruga. Allzu viel wird sie in dieser Zeit jedoch nicht mehr bewegen können, sagt Balsiger. «Da muss man realistisch sein. Wenn man so absorbiert ist aufgrund der privaten Belastung, ist es eine Illusion, noch etwas Neues anzureissen oder etwas fertigzumachen.»

Das sei sicher kein Abgang, den man sich als Bundesratsmitglied so wünsche. «In der Regel will man gehen, wenn ein grösseres Projekt erfolgreich abgeschlossen ist. Beispielsweise eine Volksabstimmung oder ein Gesetz, das im Parlament durchgekommen ist. Das sehen wir bei ihr jetzt nicht. Aber so spielt halt das Leben.»

«Es zeigt die Art, wie sie ist»

Schaut Balsiger auf Sommarugas Laufbahn zurück, bleibt ihm ihr Projekt der Wiedergutmachung rund um die Verdingkinder besonders in Erinnerung. «Ein ganz dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte. Dort hat man gesehen, wie wichtig ihr das war und mit welcher Ernsthaftigkeit sie das Projekt über Jahre hinweg verfolgt und anschliessend auch mit einer finanziellen Wiedergutmachung zu Ende gebracht hat.»

Balsiger lobt ihr Engagement. Auch dass sie sich mit betroffenen Organisationen an den Tisch gesetzt und einen Mittelweg gefunden habe. «Abschliessend hat sie an einem Gedenkanlass um Entschuldigung gebeten. Das fand ich eines der wichtigsten und stärksten Projekte ihrer Amtszeit, wenn auch kein prestigeträchtiges. Aber es zeigt die Art, wie sie ist.»