Spitäler im Covid-Stress Eingriffe aus dem Frühjahr 2020 wurden noch nicht nachgeholt

Von Alex Rudolf

24.8.2021

Anne Bütikofer ist Direktorin von Spitalverband «H+» und begrüsst die Ausbildungsoffensive, die das Parlament im Gesundheitsbereich beschlossen hat.
Anne Bütikofer ist Direktorin von Spitalverband «H+» und begrüsst die Ausbildungsoffensive, die das Parlament im Gesundheitsbereich beschlossen hat.
© KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER

Neun von zehn Covid-Patienten auf Intensivstationen sind nicht geimpft. Für das Spitalpersonal sei dies frustrierend sagt Anne Bütikofer. Die Direktorin des Schweizer Spitalverbands H+ hat aber auch gute Nachrichten.

Von Alex Rudolf

24.8.2021

Die Worte fallen an der heutigen Pressekonferenz des Bundes überraschend deutlich aus. So nannte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung beim Bundesamt für Gesundheit, die Corona-Lage ungünstig und besorgniserregend.

Neben steigenden Zahlen scheinen die Schweizer*innen die Pandemie hinter sich lassen zu wollen. Der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri stellt etwa eine abnehmende Disziplin bezüglich Maskentragen und Befolgen der Hygieneregeln fest. 

Die Lage in den Spitälern spitzt sich erneut zu. So steigen die Fallzahlen mit den Rückkehrern aus den Sommerferien und die Impfquote in der Bevölkerung liegt bei bescheidenen 50.89 Prozent, die bereits beide Dosen verabreicht bekommen haben.

Dass eine Impfung aber weitgehend vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützt, sagten nicht nur die Experten des Bundes. Auch ein Blick in die Zahlen legt diesen Schluss nahe: «Neun von zehn Covid-Patient*innen auf der Intensivstation sind nicht geimpft», sagte Mathys.


«Die hohen Zahlen Ungeimpfter sind frustrierend, da alle die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen.»


Das Spitalpersonal gerät also wieder unter Druck. Unternimmt der Bundesrat genug, um die Spitäler und deren Angestellte zu schützen? Der Verband der Schweizer Spitäler H+ begrüsst die Strategie des Bundesrates, wie Direktorin Anne Bütikofer auf Anfrage sagt. Die Spitäler und das gesamte Gesundheitssystem müssten geschützt werden.

Verschobene Eingriffe wurden noch nicht aufgeholt

Dass der Anteil Ungeimpfter bei den Covid-Fällen mit schwerem Verlauf aber derart hoch ist, muss dem Gesundheitspersonal sauer aufstossen? Bütikofer pflichtet bei: «Dies ist frustrierend, da alle die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen.»

Derweil nimmt die Auslastung der Intensivstationen rasch zu. Dies hat auch einen grossen Einfluss auf jene Patient*innen, die nicht an Corona erkrankten. «Das BAG hat bereits mehrmals betont, dass die verschobenen Eingriffe aus der ersten und zweiten Welle nicht wieder aufgeholt werden konnten», so Bütikofer. Müssten nun erneut sogenannte Wahl-Eingriffe – dazu zählen beispielsweise Tumor- und Herzoperationen – verschoben werden, gehe dies auch Kosten der geimpften Patient*innen. «Und diese haben auch Anspruch auf eine hochstehende medizinische Versorgung.

Was heisst dies aber konkret für Patient*innen, die noch immer auf einen solchen Wahleingriff warten? Dies lasse sich nur schwer abschätzen, so Bütikofer. Fakt ist aber, dass einige Wahleingriffe aus der ersten Welle, also aus dem Frühjahr 2020, noch nicht nachgeholt werden konnten.

Besonders auf den Intensivstationen gibt es wenig Personal

Dieser Stress geht auch am Personal nicht spurlos vorbei. So hiess es in der Medienkonferenz, dass der Personalmarkt stark ausgetrocknet sei. Dies bestätigt auch Bütikofer. «Fachpersonal ist knapp, vor allem Fachpersonal für Intensivstationen», sagt sie.

Zwar beschloss das Parlament eine Ausbildungsoffensive, wonach mehr Pflegepersonal ausgebildet werden solle. Aktuell sei man aber noch stark auf die Rekrutierung von ausländischem Gesundheitspersonal angewiesen. Das Problem dabei: Auch im Ausland wütet Covid und die Fachkräfte werden dort gebraucht.

Einen Hoffnungsschimmer sieht Bütikofer aber. Denn im 2021 hätten sich mehr junge Leute für einen Beruf im Gesundheitswesen entscheiden. «Dies zeigt, dass diese Berufe doch attraktiv sind.»