Schweiz ohne Armee Vor 30 Jahren «heilige Kuh» geschlachtet

SDA

26.11.2019 - 09:05

Völlig unerwartet haben vor 30 Jahren mehr als 35 Prozent der Urnengänger für die Initiative «für eine Schweiz ohne Armee und für eine umfassende Friedenspolitik» gestimmt. Für die Initianten ist dies ein Grund, auf aktuelle sicherheitspolitische Themen hinzuweisen.

«Die Schweiz hat keine Armee, sie ist eine Armee», schrieb der Bundesrat 1988 selbstbewusst in seiner Botschaft zur Armeeabschaffungs-Initiative. Über ein Drittel der Stimmberechtigten (35,6 Prozent) sagten dennoch am 26. November 1989, gut zwei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer, Ja zu dem radikalen Volksbegehren der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA).

Bei einer Stimmbeteiligung von fast 70 Prozent wurde damit von unerwartet vielen Stimmberechtigten am Bild der Armee als der «heiligen Kuh» der Schweiz gerüttelt. Obwohl die Initianten ihr Ziel der Abschaffung der Armee klar verfehlten, stellte der Ausgang der Abstimmung mehr als nur einen Achtungserfolg dar.

Die Rolle der Armee in der Schweiz wurde dadurch grundsätzlich in Frage gestellt, wie die GSoA in einer aktuellen Mitteilung betont. Die Armee sei heute nicht mehr die gleiche, wie noch 1989. Sie bleibe aber eine einflussreiche Institution.

Das Verteidigungsbudget betrug 1989 noch 5,5 Milliarden Franken, gegenüber 4,8 Milliarden Franken aktuell. Der Effektivbestand der Armee ist von 600'000 Soldaten Ende der 1980er Jahre auf heute 140'000 gesunken.

Unattraktiver Militärdienst

Die Armee ist heute offenbar für immer mehr Jugendliche unattraktiv. Noch nie haben laut dem Verteidigungsdepartement (VBS) so wenige Personen die Rekrutenschule absolviert wie im letzten Jahr. Mit 16'306 neu eingeteilten Armeeangehörigen sank die Zahl der Rekruten 2018 auf einen neuen Tiefststand. Für den Erhalt der Armee braucht es aber laut VBS jährlich knapp 2000 Rekruten mehr.

Ein Grund für die sinkenden Rekrutenzahlen ist der Zivildienst. Eine Jahrgangsauswertung des VBS zeigte, dass rund die Hälfte der Militärdiensttauglichen bis zum 26. Altersjahr aus dem Militärdienst ausscheidet. Im Jahr 2018 verlor die Armee 3303 Angehörige aus medizinischen Gründen und 6205 Angehörige durch die Zulassung zum Zivildienst.

Um die Armeebestände zu sichern, sollen daher die Hürden für den Zivildienst höher werden. Im Parlament ist derzeit eine Gesetzesänderung hängig. Unter anderem soll der Zivildienst neu mindestens 150 Diensttage dauern. Der Zivildienstverband Civiva hat dagegen Mitte November vorsorglich das Referendum beschlossen.

Verteidigungsministerin Viola Amherd will zudem den Militärdienst für Sportler attraktiver machen. Die Zahl der Sport-Rekruten soll sich bis 2023 verdoppeln.

Volk entscheidet mit

Grossprojekte wie der Gripen wurden nach der denkwürdigen Abstimmung von 1989 nicht mehr widerstandslos von Parlament und Volk durchgewunken. Im Mai 2014 lehnten 53,4 Prozent der Stimmberechtigten den Kauf von 22 Gripen des schwedischen Herstellers Saab für 3,1 Milliarden Franken ab.

Die Bevölkerung ist aber nicht grundsätzlich gegen Beschaffungen der Schweizer Armee. 1993 votierten 57 Prozent der Stimmenden für den Kauf von 34 F/A-18 für die Luftwaffe.

Die geplante Beschaffung neuer Kampfjets für 6 Milliarden Franken wird – wie zu erwarten – von der GSoA als «eindeutig zu viel» kritisiert. Es brauche jetzt keine neuen Flugzeuge. 30 Jahre nach der historischen Abstimmung hält die GSoA an ihrer Forderung nach einer Abschaffung der Armee fest.

Im kommenden Jahr wird die Schweizer Bevölkerung über den Kauf neuer Kampfjets und möglicherweise auch über die Verschärfungen beim Zivildienst abstimmen. Zudem stehen Abstimmungen zu der Kriegsgeschäfte- und der Korrektur-Initiative an.

Die Korrektur-Initiative will kein absolutes Verbot von Kriegsmaterialexporten. Sie verlangt, dass keine Schweizer Waffen in Länder exportiert werden dürfen, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, oder in ein Land, das in einen Konflikt verwickelt ist. Der Bundesrat soll bei Kriegsmaterialexporten nicht mehr in Eigenregie entscheiden können, sondern Parlament und Volk sollen eine Mitsprache haben.

Die Kriegsgeschäfte-Initiative der GSoA will es der Nationalbank, Stiftungen und Pensionskassen verbieten, in Unternehmen zu investieren, die Kriegsmaterial produzieren.

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