Ungewöhnliche Massnahme Warum die Kapo St. Gallen vor ihren eigenen Blitzern warnt

tali

5.9.2019

In der Schweiz ist es seit einigen Jahren verboten, vor Blitzern zu warnen.
In der Schweiz ist es seit einigen Jahren verboten, vor Blitzern zu warnen.
Keystone

Wer andere vor Blitzern warnt, riskiert eine saftige Busse. Warum macht es also ausgerechnet die Kantonspolizei St. Gallen? Und zwar jede Woche?

Sobald alle Verkehrsmeldungen verlesen sind, geht es los: Dann verraten Radiomoderatoren deutscher und österreichischer Sender, wo die Polizei im Sendegebiet derzeit Geschwindigkeitskontrollen durchführt. Hierzulande ist das undenkbar: Laut Artikel 98a des Strassenverkehrsgesetzes wird seit einigen Jahren «mit Busse bestraft, wer öffentlich vor behördlichen Kontrollen im Strassenverkehr warnt». Und unter «öffentlich» fallen sogar schon geschlossene WhatsApp- oder Facebook-Gruppen.

Wie lässt sich also erklären, dass die Kantonspolizei St. Gallen jede Woche eine Liste ihrer Radarfallen auf ihrer Webseite veröffentlicht? Und das schon seit einigen Jahren?

Ist das legal?

Den Gesetzestext kennen natürlich auch die Beamten der Kantonspolizei – aber auch die Regelungen, die darüber hinaus gehen: «Wir stützen uns bei der Bekanntgabe der Standorte unserer semistationären Anlagen auf die Botschaft zu ‹via sicura›», erklärt Mediensprecher Hanspeter Krüsi. Und darin heisst es: «Legal bleiben Hinweise der Polizei auf bevorstehende Verkehrskontrollen beispielsweise im Rahmen von Verkehrssicherheitskampagnen oder von Geschwindigkeitskontrollen bei Autobahnbaustellen». Und als eine Massnahme zur Verkehrssicherheit sehen die Beamten ihr ungewöhnliches Vorgehen.

Zwar begrüsse die Kantonspolizei St. Gallen «grundsätzlich das Verbot der öffentlichen Radarwarnung», stellte Kommandant Bruno Zanga schon kurz nach der Einführung der Blitzerwarnungen in der Fachzeitschrift «Strassenverkehr» klar: «Sobald präzise Informationen über stationäre und insbesondere mobile Geschwindigkeitskontrollen bekannt gegeben werden, wird die Wirksamkeit dieser Massnahme gemindert.»

Man veröffentliche aber auf der Webseite weder den genauen Standort aller Radarfallen, noch sämtliche Messungen, noch tagesaktuell, betont Zanga. «Somit besteht keine Gewähr dafür, dass die Angaben tatsächlich stimmen – worauf wir auf unserer Homepage hinweisen.» Oder, wie es Mediensprecher Hanspeter Krüsi formuliert: «Es muss also jederzeit mit anderen Messungen gerechnet werden.»

Zustimmung vom Verkehrspsychologen

Wie es zu der ungewöhnlichen Massnahme kam, kann Kommandant Bruno Zanga erklären.
Wie es zu der ungewöhnlichen Massnahme kam, kann Kommandant Bruno Zanga erklären.
Keystone/Archiv

Rückendeckung bekommen die St. Galler von Verkehrspsychologen Uwe Ewert von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Stationäre wie semistationäre Anlagen hätten die Aufgabe, dafür zu sorgen, «dass lokal begrenzt langsamer gefahren wird», führte er einst in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» aus. «Das Vorgehen der St. Galler Polizei fördert die Sicherheit auf den Strassen, da mehr Leute wissen, wo kontrolliert wird, und demnach die Geschwindigkeitsvorgaben dort besser einhalten», beurteilt der Experte. «Klar ist jedoch, dass unbedingt noch unangekündigte mobile Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden müssen – was die Polizei im Kanton St. Gallen auch tut.»

So kam es dazu

Doch wie kamen die Ordnungshüter des Kantons überhaupt auf die Idee? Als der St. Galler Kantonsrat 2013 beschloss, fünf neue Radargeräte anzuschaffen, hagelte es Kritik aus der Bevölkerung: Statt um Unfallverhütung ginge es dabei vor allem um Mehreinnahmen durch mehr Bussen, lautete der Vorwurf. «Wir wollten mit der einmal wöchentlich aktualisierten Standortangabe der semistationären Anlagen beweisen, dass es uns um die Verkehrssicherheit geht», sagt Kommandant Bruno Zanga. 

Und das scheint gelungen. Nachahmer fanden sich in anderen Kantonen bislang trotzdem nicht, doch die Resonanz in der Bevölkerung sei hoch: «Das Bewusstsein, dass das Einhalten der Geschwindigkeit sehr wichtig und notwendig ist, ist sicher in der Bevölkerung gestärkt worden», schätzt Hanspeter Krüsi. Das Ziel, «die Verkehrsteilnehmer immer wieder daran zu erinnern, dass wir Geschwindigkeitskontrollen durchführen», werde erreicht und damit zur Steigerung der Verkehrssicherheit beigetragen. «Und nur dies ist unser Ziel und nicht das immer uns vorgeworfene ‹Geld verdienen›», stellt Krüsi klar. Und: «Jeder Verkehrsteilnehmer kann selber entscheiden, ob er ‹bussenlos› seine Fahrt durchführt».

Bilder aus der Schweiz

Zurück zur Startseite