Nazi-Symbole Was es bringt, Hakenkreuz und Hitlergruss zu verbieten

Von Andreas Fischer

13.1.2023

Ihre Symbole sollen verboten werden: Schweizer Rechtsradikale bei einem Aufmarsch auf dem Rütli 2012. (Archivbild)
Ihre Symbole sollen verboten werden: Schweizer Rechtsradikale bei einem Aufmarsch auf dem Rütli 2012. (Archivbild)
Keystone/SIGI TISCHLER

Wer Nazi-Symbole verwendet oder verbreitet, soll dafür bestraft werden können – das empfiehlt die zuständige Nationalratskommission. Doch wäre ein Verbot wirklich wirksam? Was dafür spricht – und was dagegen.

Von Andreas Fischer

13.1.2023

«Für uns ist es verletzend und beleidigend, dass der Hitlergruss in der Schweiz offen gezeigt werden kann», sagt Jonathan Kreutner zu blue News. «Es ist wichtig, dass man dem einen Riegel vorschiebt.»

Der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) findet es befremdlich, dass der Hitlergruss bislang nur bei werbendem Charakter verboten ist.

Dass sich die zuständige Nationalratskommission nun für ein Verbot von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit ausgesprochen hat, begrüsst der SIG sehr, sagte Kreutner in einem ersten Statement nach der Bekanntgabe. Die Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) schlägt gemäss Mitteilung vom Freitag vor, ein Spezialgesetz zu schaffen, auf dessen Grundlage Verstösse gegen dieses Verbot geahndet werden können.

«Für uns ist wichtig, dass dafür ein Spezialgesetz geschaffen werden soll. Dadurch ist das Verbot einfacher und schneller umsetzbar, als wenn man erst eine umständliche Liste von allen rassistischen Symbolen erstellen müsste.» An diesem Knackpunkt waren entsprechende Vorstösse in der Vergangenheit immer wieder gescheitert.

Die Empfehlung der RK-N ist allerdings nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem Verbot von Nazi-Symbolen. Die beiden entsprechenden parlamentarischen Initiativen gehen nun an die Schwesterkommission im Ständerat.

Wie die mit 12:11 Stimmen denkbar knappe Abstimmung in der Nationalratskommission zeigt, wird das Thema kontrovers diskutiert. Bringt ein Verbot wirklich etwas? Das sind die wichtigsten Argumente und Fakten auf beiden Seiten.

Wie ist der Status quo?

Aktuell sind Symbole nur strafbar, wenn damit für eine rassistische Ideologie geworben wird. Das heisst: Unter Gleichgesinnten kann der Hitlergruss auch in der Öffentlichkeit gezeigt werden. «Diesen Umstand nutzen Rechtsextremisten bei Demonstrationen oder Konzerten gezielt aus. Besonders für betroffene Minderheiten ist dies verletzend und unverständlich», kritisiert der SIG.

Was soll nun verboten werden?

Nationalrätin Gabriela Suter (SP) fordert in einer parlamentarischen Initiative vom 16. Dezember 2021, das Strafgesetzbuch so zu ergänzen, dass die Verwendung rassendiskriminierender Symbole, «insbesondere Symbole des Nationalsozialismus, oder Abwandlungen davon (…) mit Busse bestraft wird, auch wenn sie ohne Werbecharakter gezeigt werden». Zum selben Thema sind eine weitere parlamentarische Initiative sowie eine Motion hängig.

Was spricht für ein Verbot?

«Ein Verbot ergibt am meisten Sinn, wenn wir dieses eng formulieren und auf nationalsozialistische Symbole beschränken, verbunden mit klar und hart definierten Strafen», sagte Extremismus-Experte Samuel Althof in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.«Dann ist es ein gutes Statement: Nämlich, dass wir hier in der Schweiz niemanden dulden, der sich offen zum Gedankengut des Nationalsozialismus bekennt.»

Was spricht dagegen?

«Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass ein solches Verbot Rechtsextremismus eindämmen könnte», sagt ebenfalls Althof. Das zeigten Erfahrungen in Deutschland oder Österreich. «Tatsächlich könnte uns ein Verbot ein Gefühl der falschen Sicherheit vermitteln, da man die bekannten extremistischen Symbole nicht mehr oder viel weniger oft sehen würde.»

Was sagt die jüdische Gemeinde?

Weil sich die aktuellen Vorstösse insbesondere auf Symbole, Gesten und Fahnen mit Bezug zum Nationalsozialismus und zur Schoah fokussieren, ist der SIG «zuversichtlich, dass sie im Parlament Unterstützung finden werden». Insbesondere, weil es «wenige Zweifel darüber gibt, was unter solche Verbote fallen würde und was nicht». 

«Mit der Fokussierung auf Nazi-Symbole kann man nun in einfachen schnellen Schritten auf das Verbot hinarbeiten: Uns ist es wichtig, dass etwas passiert», hofft SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner im Gespräch mit blue News. Schliesslich sei es noch ein langer Weg bis zu einem Verbot: «Aber dass überhaupt ein positives Signal zu diesem schwierigen Thema ausgesendet wurde, sehen wir sehr positiv. Es zeigt sich, dass der Handlungsbedarf offensichtlich erkannt wurde und das Problem ernst genommen wird. Auch weil es ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen den zunehmenden Antisemitismus ist.»

Was sagt die Regierung?

Das Bundesamt für Justiz kam im Dezember 2022 zum Schluss, dass die Umsetzung eines generellen Verbots von nationalsozialistischen und rassistischen Symbolen «eine grosse Herausforderung» wäre. Es könne in der Schweiz zwar grundsätzlich eingeführt werden, die konkrete Ausgestaltung wäre jedoch rechtlich und redaktionell anspruchsvoll.

Insbesondere sei fraglich, ob die nötige Bestimmtheit der Norm gefunden werden könne, hiess es im Bericht. Die bestehende Gesetzeslage auf Stufe Bund und Kantone sei zudem für die meisten Situationen bereits ausreichend.

Wie ist die Verbotslage in den Nachbarländern?

In Deutschland ist die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, dazu gehören Hakenkreuz und Hitlergruss, verboten und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Der deutsche Verfassungsschutz hat eine umfangreiche Auflistung verbotener Symbole und Zeichen zusammengestellt.

Auch in Österreich können empfindliche Strafen (4000 Euro und/oder 1 Monat Arrest) für das öffentliche Tragen oder die Zurschaustellung von Abzeichen verbotener Organisationen verhängt werden (Abzeichengesetz). Wer den Hitlergruss zeigt oder nationalsozialistische Verbrechen leugnet, dem drohen nach dem Verbotsgesetz sogar Haftstrafen bis zu zehn Jahre.

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.