Geboren in der Schweiz So tickt Österreichs neuer Kanzler Alexander Schallenberg

Von Maximilian Haase

11.10.2021

Alexander Schallenberg wird neuer österreichischer Bundeskanzler. (Archivbild)
Alexander Schallenberg wird neuer österreichischer Bundeskanzler. (Archivbild)
Georg Hochmuth/APA/dpa

Alexander Schallenberg ist als neuer österreichischer Kanzler vereidigt worden. Wer ist der Mann, der 1969 in Bern geboren wurde?

Von Maximilian Haase

11.10.2021

«Überraschung für uns alle», kommentierte Alexander Schallenberg kurz und knapp eine Entwicklung, mit der er selbst nicht gerechnet hatte. Nachdem Sebastian Kurz aufgrund von Korruptionsvorwürfen vom Amt des Kanzlers zurückgetreten war, ging es vergleichsweise schnell: Der bisherige Aussenminister wurde als Österreichs neuer Kanzler vereidigt. Doch wer ist der neue Mann an der Spitze?

Einer geplanten Karriere folgt der Aufstieg zum 16. Bundeskanzler jedenfalls nicht, wenn man Schallenbergs eigenen Worten Glauben schenkt. Schon der Posten des Aussenministers sei nicht Teil seiner Lebensplanung gewesen, sagte er 2020 auf die Frage, ob er in dem Amt bleiben wolle. Dabei wirkt die Laufbahn des Mannes, der als enger Vertrauter von Sebastian Kurz gilt, wie aus dem Karriere-Lehrbuch.



Stolz auf seinen Schweizer Geburtsort

Dass ihm das aussenpolitische Gen schon in die Wiege gelegt wurde, zeigt bereits der Schweizer Geburtsort Schallenbergs: Als Sohn eines österreichischen Diplomaten kommt er am 20. Juni 1969 in Bern zur Welt. Auch wenn er das Bürgerrecht nie besass – auf seinen Schweizer Geburtsort, so schreibt es etwa die NZZ, sei er immer stolz gewesen. Sein Lebenszentrum wechselt der Nachkomme einer alten Adelsfamilie als Kind indes stetig; er wächst an jenen Orten auf, an denen sein Vater als Botschafter arbeitet – von Indien über Spanien bis Frankreich.  

Schallenberg studiert Rechtswissenschaften in Wien und Paris, bevor er 1997, ganz in der Familientradition, in den diplomatischen Dienst Österreichs eintritt. Seine erste Funktion im Ausland bekleidet der Jurist drei Jahre später als Leiter der Rechtsabteilung in der österreichischen EU-Vertretung in Brüssel. 2005 wird er Pressesprecher im Aussenministerium in Wien.



Der grosse Karrieresprung kommt mit Sebastian Kurz. Dieser, gerade selbst frisch gebackener Aussenminister, ernennt ihn 2013 zum Leiter der «Stabstelle für strategische aussenpolitische Planung», vier Jahre später leitet er die Europa-Sektion des Aussenministeriums. Als Kurz 2017 Kanzler wird, bedeutet das auch einen Karrieresprung für Schallenberg, der bei der Regierungsbildung für die ÖVP mitverhandelt hatte.

Im Kanzleramt leitet er die Stabsstelle Strategie und Planung, später die Sektion Europa – eine Funktion, in der er den österreichischen EU-Ratsvorsitz 2018 entscheidend mitvorbereitet.

Was dann folgt, lässt Schallenberg zu seiner und der Überraschung vieler anderer innerhalb kurzer Zeit in höchste Ämter aufsteigen. Auslöser ist die Ibiza-Affäre, die mit dem Zusammenbruch der Koalition aus ÖVP und FPÖ endet. Ernannt von Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein, wird Schallenberg 2019 wenige Tage vor seinem 50. Geburtstag Aussenminister der Republik Österreich. Unter der zweiten Regierung Kurz, die 2020 dank einer Koalition mit den Grünen zustande kommt, bleibt er als einziger Minister der Übergangsregierung im Amt.

Ein Hardliner in Sachen Migration

Und fährt dort einen politischen Kurs, der sich Beobachtern zufolge sehr an Kanzler Kurz orientiert. Als dessen «Intimus» wird er in den Medien bisweilen bezeichnet, umgekehrt findet auch Schallenberg fast nur lobende Worte für Kurz. Für den «Spiegel» ist er der «kosmopolitische wie linientreue Gefolgsmann des Ex-Kanzlers». Er gilt als Transatlantiker, hält aber auch nichts davon, Russland oder Ungarn zu isolieren. Nach Einschätzung der NZZ sei er «ein strategischer Denker – innenpolitisch aber ein unbeschriebenes Blatt».

In der Migrationsdebatte gilt Schallenberg ebenso wie Kurz als Hardliner. Man müsse die Debatte «deemotionalisieren, wir müssen sie rationalisieren», sagt er im ORF zur Haltung der Regierung, keine Geflüchteten aus dem bei einem Brand zerstörten Lager Moria aufzunehmen. «Und nicht bei jedem Fall, wenn ein Schiff an der Küste Europas auftaucht oder ein Zwischenfall in einem Lager ist oder eben so eine Notlage, gibt es sofort das Geschrei der Verteilung.» Dies könne «nicht die Lösung sein». Worte, die ihm später vorgeworfen werden.



Inhaltlich verteidigt sich Schallenberg bei einer Pressestunde: «Ich bin hier eindeutig Überzeugungstäter», Populismus sei das nicht. Bei seiner harten Linie bleibt der vierfache Vater, zuletzt auch in der Diskussion um die Aufnahme afghanischer Geflüchteter: «Die Situation von 2015 darf sich nicht wiederholen», sagt er in einem Interview mit Puls 24. Und: «Österreich war solidarisch, jetzt sind andere am Zug.»

Aufsehen erregt Schallenberg auch im Frühjahr 2020, als er auf dem Dach des Bundeskanzleramts die israelische Flagge hissen liess: «Es war ein ganz bewusstes Zeichen der Solidarität angesichts der über 3000 Raketen, die von einer Terrororganisation, nämlich Hamas, wahllos auf israelisches Gebiet losgelassen wurden», lautete gegenüber «Ö1 – Journal zu Gast» seine Erklärung.

In die Affäre um die Chat-Protokolle war Schallenberg derweil, soweit bislang bekannt ist, nicht involviert. Weil er seine saubere Weste behielt, steigt er jetzt zum Kanzler auf. «Es ist eine enorm herausfordernde Aufgabe und Zeit», kommentiert Schallenberg seinen Weg ins Kanzleramt. Es sei «nicht leicht – für keinen von uns, aber ich glaube, wir zeigen ein unglaubliches Mass an Verantwortung für dieses Land.»

Vereidigung und erstes Statement

Für das Amt des Bundeskanzlers bringe Schallenberg als Spitzendiplomat die «besten Voraussetzungen» mit, wie Bundespräsident Van der Bellen bei der Vereidigung am Montag betonte. Er sei «überzeugt, dass Ihnen diese Fähigkeit grossen Nutzen für Ihre Arbeit bringt», sagte er dem neuen Kanzler. Und: «Wir erwarten doch alle, dass die Regierung jetzt gemeinsam wieder an die Arbeit geht und gemeinsam etwas weiter bringt.»

Statement von Sebastian Kurz

In einem schriftlichen Statement, dass er auch bei Twitter veröffentlichte, dankte Sebastian Kurz seinem Nachfolger für «seine Bereitschaft, Verantwortung als Bundeskanzler zu übernehmen». Er selbst werde «in meiner Funktion als Bundesparteiobmann und Klubobmann die Arbeit der Bundesregierung unterstützen, weil es das Beste für die Menschen in unserem Land ist». Kurz betonte: «Eines ist dabei klar: Ich bin kein Schattenkanzler». Die kommenden Tage werde er «auf Hochtouren arbeiten, um eine geordnete Übergabe sicherzustellen».

Und der neu Vereidigte? Der sprach in seinem ersten Statement als neuer Bundeskanzler von einer «Ehre, die ich mir nie erwartet hätte und auch nie gewünscht habe». Es sei für ihn aber keine Option gewesen, die Verantwortung nicht anzunehmen, so Schallenberg vor Medienvertretern. Das neue Amt trete er mit «grosser Ehrfurcht und grossem Respekt» an. Dass er «Diplomat mit Leib und Seele» sei, sei vielleicht Vorbereitung auf die Situation gewesen.

Es brauche «Verantwortung und Stabilität», zu arbeiten gebe es «wahrlich viel». Mit Sebastian Kurz werde er «selbstverständlich sehr eng zusammenarbeiten»: «Alles andere wäre absurd». Die im Raum stehenden Vorwürfe gegen seinen Vorgänger, so Schallenberg, halte er für falsch.