Stabile Lage in Spitälern Wie entscheidet der Bundesrat, wenn der Trend gleich bleibt?

gbi, SDA

8.1.2022

Werden nächste Woche wieder einmal über Corona diskutieren müssen: Gesundheitsminister Alain Berset (l.) und Bundespräsident Ignazio Cassis.
Werden nächste Woche wieder einmal über Corona diskutieren müssen: Gesundheitsminister Alain Berset (l.) und Bundespräsident Ignazio Cassis.
Bild: Keystone/Anthony Anex

Die wegen Omikron massiv angestiegenen Corona-Fallzahlen schlagen bislang noch nicht auf die Spitäler durch. Sind damit Verschärfungen der Corona-Massnahmen vom Tisch?

gbi, SDA

8.1.2022

Die Omikron-Welle rollt mit rekordhohen Fallzahlen über die Schweiz. Doch die Zahl der hospitalisierten Patientinnen und Patienten bleibt stabil – auf den Intensivstationen hat sie sich auf hohem Niveau eingependelt.

Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Klinik für Infektionskrankheiten des Universitätsspitals Zürich. «Wir behandeln derzeit nur sehr wenige Omikron-Fälle», sagt der leitende Arzt Huldrych Günthard im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger». Corona-Patient*innen, die derzeit eingeliefert würden, hätten sich meist mit der Delta-Variante angesteckt.

Ob die Omikron-Variante damit weniger gefährlich sei als Delta, kann der Mediziner nicht abschliessend beurteilen. Zu vieles zu Omikron sei noch unbekannt, etwa was das Risiko für Long-Covid-Fälle angehe. «Es deutet aber vieles darauf hin, dass Omikron wirklich seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt, insbesondere bei Geimpften», sagt Günthard. Das zeige sich auch an den Daten aus Grossbritannien.

«Es deutet vieles darauf hin, dass Omikron wirklich seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt.»

Huldrych Guenthard, Institut fuer Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Nicole Ochsenbein, Klinik fuer Geburtshilfe, und Gregor Zuend, CEO, und Peter Steiger, Institut fuer Intensivmedizin, von links, waehrend dem Point de Presse des Universitaetsspital Zuerich am Dienstag, 7. April 2020, in Zuerich. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

Huldrych Günthard

Leitender Arzt Klinik für Infektionskrankheiten der Uni Zürich

Die grosse Frage ist: Was bedeutet diese epidemiologische Entwicklung für die Corona-Massnahmen? Der Bundesrat trifft sich am kommenden Mittwoch zu seiner ersten regulären Sitzung im neuen Jahr. Und da er eine Verschärfung der Massnahmen primär von der Situation auf den Intensivstationen abhängig macht, könnte er darauf verzichten – obwohl die wissenschaftliche Taskforce solche Schritte empfiehlt.

Cassis: Massnahmenpaket hat sich bewährt

Bundespräsident Ignazio Cassis liess bereits erkennen, dass sich eine Verschärfung derzeit nicht aufdränge. Der FDP-Bundesrat erhielt in der SRF-Sendung «Arena» vom Freitagabend auch Rückendeckung der Parteipräsidenten von SVP, SP, FDP, Mitte, Grünen und Grünliberalen.

Das Massnahmenpaket, das der Bundesrat vor Weihnachten geschnürt habe, trage dazu bei, dass die Zahl der hospitalisierten Personen unter Kontrolle sei, sagte Cassis. Ein Lockdown sei derzeit kein Thema, lautete der Tenor in der «Arena».



Trotz des breiten Konsens: Ganz ohne kritische Töne ging die Diskussionsrunde laut einem Bericht von Nau.ch doch nicht über die Runde. Mitte-Präsident Gerhard Pfister fordert etwa, dass die Dauer der Quarantäne überdacht werde. Es könne nicht sein, dass «die Hälfte der Bevölkerung in Quarantäne ist». Und Grünen-Parteipräsident Balthasar Glättli forderte vom Bundesrat mehr vorausschauendes Handeln anstatt der Methode «abwarten, beobachten und Tee trinken».

Die Massnahmen verschärfen oder nicht? Diesen Entscheid zu treffen, sei in der aktuellen Situation sehr schwierig, findet der Arzt Huldrych Günthard. «Wir wissen über Omikron immer noch vieles nicht.» So würden sich derzeit vor allem jüngere Erwachsene infizieren. «Was in den Spitälern passiert, wenn die Welle auch auf die ältere Bevölkerung übergreift, wissen wir nicht.»

Vor diesen Wissenslücken warnt auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Je stärker sich Omikron ausbreite und vermehre, «desto wahrscheinlicher ist es, dass es eine neue Variante hervorbringt», sagte die WHO-Notfallexpertin Catherine Smallwood am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP.

«Wir befinden uns in einer sehr gefährlichen Phase»

Catherine Smallwood

Notfallexpertin der WHO

«Wir befinden uns in einer sehr gefährlichen Phase», betonte Smallwood. Zwar sei das Risiko, nach einer Omikron-Infektion im Spital zu landen, «individuell betrachtet» wahrscheinlich geringer als bei der bisher dominanten Delta-Variante. Allerdings gehe von Omikron wegen seiner starken Ausbreitung insgesamt womöglich eine grössere Gefahr aus.