Genua Schweizer Gutachter entdecken Fremdkörper

tmxh / dpa

11.2.2019

Aktuell werden die Reste der Morandi-Brücke in Genua abgebaut. Schweizer Gutachter fanden indes Fremdkörper im Material.
Aktuell werden die Reste der Morandi-Brücke in Genua abgebaut. Schweizer Gutachter fanden indes Fremdkörper im Material.
Keystone

Während die eingestürzte Brücke in Genua demontiert wird, entdeckten die Schweizer Gutachter der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt an einem Brückenteil eigenartige Fremdkörper.

Ein halbes Jahr nach dem verheerenden Brückeneinsturz in Genua mit 43 Toten haben die Arbeiten zum Abriss der Viadukt-Überreste begonnen. In einer etwa zehn Stunden langen, komplizierten Aktion wurde bereits ein 36 Meter langes, Hunderte Tonnen schweres Teil des westlichen Brückenrests in Millimeterarbeit abgesenkt.

Währenddessen bringen die Schweizer Unglücks-Gutachter von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) verheerende Details ans Tageslicht, wie der «Blick» berichtet. Korrosionsexperte Bernhard Elsener und seine Kollegen in untersuchten in Dübendorf im Kanton Zürich im Auftrag der italienischen Justiz Teile der Unglücksbrücke.

Dabei prüften sie auch einen dreieinhalb mal dreieinhalb Meter grossen Zuganker aus Beton, der unter der Bezeichnung Trümmerteil 132 firmiert. Das Teil, aus dem verrostete und zerstörte Metallstäbe herausragen, steht im Zentrum des Schweizer Gutachtens. 

Fremdkörper im Beton

Demnach seien darin Fremdkörper entdeckt worden, wie die italienische Zeitung «Il Secolo XIX» schreibt. Dem Beton seien augenscheinlich Jute und Sand beigemengt worden, heisst es. Währenddessen hätten die Spannseile starke Spuren von Erosion aufgewiesen.

Laut den Experten aus Zürich habe man eine 50-prozentige Erosion der Seile entdeckt. Für den Zusammensturz der Morandi-Brücke seien diese laut «Sole 24 Ore» aber nicht entscheidend gewesen. Das sieht auch das italienische Innenministerium so. Die Seile hätten noch standgehalten, zitiert der «Blick» Giuseppe Mancini, den Gutachter der Brückenbetreiberin Autostrade per l'Italia (Aspi). 

Kaum Zweifel gibt es hingegen mit Blick auf die Frage, ob die Katastrophe hätte verhindert werden können. Die meisten Experten glauben, dass die zahlreichen Mängel am Bau einen Kollaps vorhersehbar machten, weshalb der Einsturz durch bessere Wartung und schnellere Sanierung hätte vermieden werden können. 



Eine «offene Wunde»

Seit mittlerweile sechs Monaten lebt Genua mit der gebrochenen Brücke – mit einer «offenen Wunde», die nur schwer wieder vollständig vernäht werden kann, wie Verkehrsminister Danilo Toninelli sagte. Die Brückenreste stünden auch heute noch für den tragischen Tod von Menschen, weshalb sie nun innerhalb weniger Monate abgerissen werden sollen.

«Das ist die Erlösung von Genua, Ligurien und Italien», sagte Regierungschef Giuseppe Conte am Freitag in der italienischen Hafenstadt. Die Worte waren bedeutungsschwer – der Beginn der Abrissarbeiten wurde regelrecht in Szene gesetzt. Regierungschef Conte liess sich von einem Ingenieur das Prozedere erklären. Zum Schutz trug er einen Feuerwehrhelm – so nah waren die Politiker, darunter auch Genuas Bürgermeister Marco Bucci, an die Unglücksbrücke herangekommen.

Eine Drohne flog in die Höhe und zeigte dem Premierminister den Ort der Arbeiten aus der Luft. Live-Videos im Internet dokumentierten das Treiben am Ort der Tragödie.

Der Brückeneinsturz von Genua

Ermittlungen gegen 20 Personen

Der Polcevera-Viadukt war am 14. August 2018 eingestürzt. Zahlreiche Fahrzeuge wurden mit ihren Insassen in die Tiefe gerissen. Dabei waren 43 Menschen ums Leben gekommen, darunter vier Kinder. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 20 Personen sowie gegen den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia.

Den Wiederaufbau einer neuen Brücke leitet Stararchitekt Renzo Piano, der ursprünglich aus Genua kommt. Die Arbeiten sollen parallel zum Abriss laufen. Die neue Brücke solle «tausend Jahre halten, sicher sein» und die Bürger verbinden, sagte der 81-jährige Piano am Donnerstag in einem Interview.



Für die Bürger dürfte entscheidend sein, dass die neue Brücke bald steht. Die Überführung ist essenziell für die Infrastruktur der Hafenstadt. Sie verband den Osten mit dem Westen, sie war Teil der Zufahrtstrasse zum Hafen, dem bedeutendsten in ganz Italien.

Der Einsturz hatte nicht nur die Mobilität der Anwohner und den Warenverkehr empfindlich gestört. Er machte auch Hunderte Menschen obdachlos. Der östliche Teil der Brücke führt über mehrere Wohnblöcke.

Minister Toninelli nutzte den Auftakt der Abrissarbeiten, um den Bürgern zu versichern, dass die neue Konstruktion Ende des Jahres fertig sei und Anfang 2020 für den Verkehr öffne. Ein ambitioniertes Ziel. Auch deswegen, so berichtete die Tageszeitung «La Repubblica», werde der neue Viadukt einer der teuersten Italiens sein.

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