Bluttat in Hamburg Das ist über die tödlichen Schüsse bei den Zeugen Jehovas bekannt

uri, DPA/SDA/AFP

10.3.2023

Mehrere Tote und Schwerverletzte durch Schüsse in Hamburger Kirche

Mehrere Tote und Schwerverletzte durch Schüsse in Hamburger Kirche

In einer Kirche der Zeugen Jehovas in Hamburg sind mehrere Menschen erschossen und weitere Menschen schwer verletzt worden. Beamte hätten anschliessend «eine leblose Person aufgefunden, bei der wir davon ausgehen, dass es sich um einen Täter hande

10.03.2023

Hamburg steht unter Schock, nachdem bei einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas mehrere Menschen durch Schüsse getötet wurden. Auch Stunden nach der Tat ist noch vieles unklar. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

uri, DPA/SDA/AFP

10.3.2023

Hinweis: Dieser Artikel wurde aufgrund neuer Angaben der Behörden aktualisiert.

Was ist passiert?

Bei einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Alsterdorf im Norden der Hansestadt sind am Donnerstagabend mehrere Schüsse gefallen. Die Polizei wurde durch mehrere Anrufe um 21:04 Uhr alarmiert. Laut einem Polizeisprecher sei eine Unterstützungseinheit für besondere Einsatzlagen zufällig nahe dem Tatort gewesen und nach wenigen Minuten dort eingetroffen. Die Beamten seien in das Gebäude eingedrungen und hätten hier mehrere Menschen mit Schussverletzungen vorgefunden. Im Obergeschoss des Gebäudes hörten sie offenbar einen weiteren Schuss und fanden hier einen weiteren leblosen Mann. Die Polizei geht derzeit davon aus, dass es sich dabei um den Täter handelt.

Wie viele Opfer gibt es?

Die Behörden sprechen von acht Toten und acht Verletzten. Das teilte Hamburgs Innensenator Andy Grote am Freitag in Hamburg an einer Medienkonferenz mit. Zu den Todesopfern zählt die Polizei auch den Täter selbst. Getötet wurden darüber hinaus vier Männer, zwei Frauen und ein weiblicher Fötus im Alter von sieben Monaten. Das ungeborene Kind sei im Mutterleib getroffen worden, sagte Grote. Die Mutter des Kindes überlebte den Angriffhingegen.

Nur dem schnellen Eingreifen der Polizei sei es zu verdanken, dass es nicht mehr Opfer zu beklagen gebe. 

Was ist über den mutmasslichen Täter bekannt?

Der mutmassliche Todesschütze ist ein 35 Jahre alter Deutscher. Philipp F. sei ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas gewesen und habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen. Das teilten Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde am Freitag in Hamburg mit.

Als Extremist war der mutmassliche Schütze demnach nicht bekannt. Er war aber Sportschütze und besass daher legal eine Waffe, die er bei er Tat verwendete. Er hatte zudem grosse Mengen Munition bei sich. Weitere Munition wurde in seiner Wohnung gefunden.

Hamburg: Amokschütze war ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas

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Laut Polizei starben bei den Schüssen in einem Gemeindehaus in Hamburg acht Menschen, darunter auch der mutmassliche Täter sowie ein ungeborenes Kind. Die Behörden gehen von einem Einzeltäter aus.

10.03.2023

Die Behörden gaben auch bekannt, dass die Waffenbehörde im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Krankheit des mutmasslichen Todesschützen bekommen habe, die jedoch nicht diagnostiziert worden sei. Auch stand hier angeblich, dass Philipp F. offenbar eine besonders grosse Wut auf die Anhänger von Religionen, vor allem die Zeugen Jehovas, habe.

Anfang Februar besuchten Polizeivollzugsbeamte der Waffenbehörde F. daraufhin unangekündigt zu Hause in Hamburg-Altona. Hier habe sich der Mann sich kooperativ gezeigt. Die Beamten überprüften die Einhaltung der waffenrechtlichen Vorschriften und konnten bis auf die Tatsache, dass ein Projektil außerhalb des Tresors lag, offenbar nichts beanstanden. Auch konnten sie keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung feststellen.

Das genaue Tatmotiv des Mannes sei noch nicht klar, einen politischen Hintergrund schlossen die Hamburger Ermittler indes aus.

Ermittler und Spurensicherung stehen vor einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg.
Ermittler und Spurensicherung stehen vor einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg.
Bild: Keystone

Wie wird die Gefahrenlage eingeschätzt?

Die zunächst bestehende Gefahrenwarnung rund um das Gotteshaus der Zeugen Jehovas ist wieder aufgehoben worden, wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz am Freitag kurz nach 3 Uhr morgens auf seiner Website mitteilte.

Ursprünglich waren die Behörden nicht sicher gewesen, ob es nicht noch einen Mittäter gibt. Für diesen Eindruck wurde indes ein Schatten in einer Videoaufzeichnung verantwortlich gemacht. 

Was sind die ersten Reaktionen?

Die Zeugen Jehovas haben sich «tief betroffen von der schrecklichen Amoktat» auf ihr Gotteshaus in Hamburg geäussert. «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen», erklärte die Religionsgemeinschaft in der Nacht zum Freitag. «Die Seelsorger der örtlichen Gemeinde tun ihr Bestes, ihnen in dieser schweren Stunde Beistand zu leisten.» Die Gemeinschaft gab an, die Bluttat habe sich «nach einem Gottesdienst» ereignet.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die tödlichen Schüsse als «brutale Gewalttat» bezeichnet. «Schlimme Nachrichten aus #Hamburg. Mehrere Mitglieder einer Jehova-Gemeinde sind gestern Abend einer brutalen Gewalttat zum Opfer gefallen», postete er am Freitagmorgen über den Regierungsaccount auf Twitter. 

Weitere Reaktionen aus dem In- und Ausland haben wir hier zusammengefasst.

Was sagen Augenzeugen?

Eine Nachbarin berichtete von mehreren Schüssen bei der Veranstaltung der Zeugen Jehovas.  «Ich habe gegen zehn vor neun Uhr mehrfach Schüsse vernommen. Die klangen sehr metallisch», sagte Anwohnerin Lara Bauch der Nachrichtenagentur dpa. «Erst dachten wir, dass auf der Baustelle so spät noch Arbeiten sind. Es hat sich dann herausgestellt, dass das nicht der Fall ist.» Die 23-jährige Studenten wohnt mit ihrem Freund in einer Seitenstrasse gegenüber und hat aus ihrer Dachwohnung direkte Sicht auf den Tatort an der viel befahrenen Strasse Deelböge.

«Es waren ungefähr vier Schussperioden. In diesen Perioden fielen immer mehrere Schüsse, etwa im Abstand von 20 Sekunden bis einer Minute», so Bauch. Von ihrem Fenster konnte sie demnach eine Person sehen, die ganz hektisch vom Erdgeschoss ins erste Obergeschoss gelaufen sei. «Der Mann war dunkel gekleidet und schnell unterwegs», sagt Bauch. Ob er maskiert war, konnte sie nicht sehen.

Ihr Freund hat das Geschehen zudem mit dem Handy gefilmt. Es ist zu sehen, wie ein Polizeitransporter mit Blaulicht vor dem Gebäude steht, während auf der Strasse noch Autos vorbeifahren. Schwer bewaffnete Beamte gehen zügig zum Eingang, öffnen die Tür und stürmen anschliessend die Treppe hoch ins Obergeschoss. 

Wie geht es weiter?

Die Ermittlungen dauern an. Die Polizei richtete zudem ein Hinweisportal ein. Auf der Website https://hh.hinweisportal.de/ könnten «Fotos und Videos zur Tat oder relevanten Ereignissen in diesem Zusammenhang hochgeladen werden», teilte die Polizei Hamburg auf Twitter mit.