Legal aber gefährlich Experten warnen vor der Kräuterzigarette im Strassenverkehr

Von Anja Garms, dpa

26.9.2018

Eine Packung und ein Beutel neuer psychoaktiver Substanzen, auch Legal Highs genannt. Die Packung dieser Legal Highs trägt den Namen "AK-47" und wird wie alle anderen neuen psychoaktiven Substanzen zu Rauschzwecken konsumiert.
Eine Packung und ein Beutel neuer psychoaktiver Substanzen, auch Legal Highs genannt. Die Packung dieser Legal Highs trägt den Namen "AK-47" und wird wie alle anderen neuen psychoaktiven Substanzen zu Rauschzwecken konsumiert.
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Alkohol und Drogen werden insbesondere am Steuer zur tödlichen Gefahr. Das gilt auch für sogenannte neue psychoaktive Substanzen: Sie werden etwa im Internet als legale Rauschmittel verkauft, sind aber alles andere als harmlos.

Der Kick ist nur wenige Klicks entfernt: Wer auf der Suche nach berauschenden Stoffen das Internt durchforstet, wird schnell fündig. Unter dem Begriff Legal Highs werden dort viele Substanzen als vermeintliche legale und harmlose Rauschmittel beworben, die Experimentierfreudige per Post ins Haus bestellen können. Doch die Stoffe haben es in sich: Schon ein paar Züge an einer «Kräuterzigarette» können eine Ohnmacht hervorrufen, aggressives Verhalten, Herzrasen oder Psychosen zur Folge haben.

Neben diesen unmittelbaren gesundheitlichen Risiken sehen Fachleute eine weitere Gefahr: Die Substanzen seien ein unterschätztes Risiko im Strassenverkehr, warnen sie an einem Symposium der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie in Saarbrücken.

«Substanzen wirken stärker als Cannabis»

Dort diskutieren Ärzte, Toxikologen, Psychologen und Juristen, wie die Stoffe die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen, wie sie sich nachweisen und wie sich Drogenfahrten verhindern lassen.

Reagenzgläser gefüllt mit neuen psychoaktiven Substanzen. Sie werden etwa im Internet als legale Rauschmittel verkauft, sind aber alles andere als harmlos.
Reagenzgläser gefüllt mit neuen psychoaktiven Substanzen. Sie werden etwa im Internet als legale Rauschmittel verkauft, sind aber alles andere als harmlos.
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«Die Substanzen wirken oft sehr viel stärker als etwa Cannabis oder andere herkömmliche Drogen und werden oft überdosiert«, erläutert Toxikologin Nadine Schäfer vom Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes in Homburg. Die körperlichen Auswirkungen seien je nach Substanz sehr variabel. «Wie genau welcher Stoff in welcher Konzentration wirkt - darüber wissen wir noch viel zu wenig», so die Tagungsleiterin des Symposiums. Besonders problematisch im Strassenverkehr: Mit herkömmlichen Tests lassen sich die Substanzen meist nicht nachweisen.

Fachleute fassen die Legal Highs unter dem Begriff neue psychoaktive Substanzen (NPS) zusammen. Es handelt sich um synthetische Mittel, die als Alternative zu bekannten Drogen wie Cannabis, Ecstasy oder Amphetaminen vermarktet werden. Sie werden als Kräutermischung, getarnt als Badesalz oder Lufterfrischer angeboten und tragen Namen wie Summer High, Burning Skull oder Party Beast. Ihre Wirkung wird offensiv beworben: «Bau Dir eine Monstersichel und schädel Dich dezent für ein Stündchen oder mehr dahin, wo sich Aufregung und Hektik nicht hintrauen», schreibt ein Anbieter. Der Erwerb sei «absolut legal» und für den Käufer mit keinerlei Risiken verbunden.

Heilmittelinstitut befürchtet Langzeitfolgen

«Das ist so sicher nicht richtig», sagt Ludwig Kraus, Epidemiologe vom IFT Institut für Therapieforschung in München: «Wer solche Drogen im Internet bestellt, weiss nicht, was er bekommt - weder ob es legal ist, noch wie es wirkt. Das ist wie eine grosse Black Box.»

Auch in der Schweiz sind die psychoaktiven Substanzen auf dem Radar der Gesundheitsbehörden. So warnt das Schweizerische Heilmittelinstitut: «Der Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen ist ein Gesundheitsrisiko: Wechselwirkungen, Toxizität bei wiederholter Einnahme oder Abhängigkeitspotential sind meistens nicht bekannt.» Wegen der vergleichbaren Struktur mit Substanzen, die bereits unter Kontrolle stünden, müsse zudem von einem Abhängigkeits- und Missbrauchspotential ausgegangen werden. 

Seit Dezember 2011 wurden in der Schweiz 207 Einzelsubstanzen und 9 Gruppen (Derivate) in das Betäubungsmittelverzeichnis aufgenommen. «Damit können die Behörden die Verbreitung neuer psychoaktiver Substanzen auf dem Schwarzmarkt wirkungsvoll bekämpfen», wie die Behörde weiter schreibt. 

Spuren sind im Körper nicht nachweisbar

Genau wie andere Drogen beeinträchtigen die Substanzen die Fahrtüchtigkeit. «Synthetische Cannabinoide wirken oft dämpfend und führen zu nachlassender Aufmerksamkeit», sagt Toxikologin Schäfer. Solche Fahrer fielen oft durch sehr langsames Fahren auf. Ganz anders wirken etwa Stimulanzien. Sie erhöhen zwar die Wachsamkeit - aber auch die Risikobereitschaft. Rasantes Fahrverhalten sei die Folge.

Bei Verkehrskontrollen lässt sich ein Konsum derartiger Drogen nicht nachweisen - oder nur nach umfangreichen Analysen. Lieferten Atemalkohol- und Drogenschnelltests bei auffälligen Fahrern kein Ergebnis, werde eine Blutprobe entnommen und im Labor untersucht, erläutert Schäfer. Auch so sei der Nachweis von NPS kein Kinderspiel, weil die Substanzen sehr variabel seien und Hersteller die Rezepturen ständig änderten. «Das ist ein Katz-und-Maus-Spiel.»

Was in den Mischungen steckt, weiss niemand

In Europa sank die Zahl der neuerfassten Stoffe zuletzt. 2014 wurden laut Europäischem Drogenbericht noch 101 Substanzen erstmals nachgewiesen, im Jahr 2017 nur noch 51 - möglicherweise eine Folge nationaler Gesetze wie dem NPSG, heisst es in dem Bericht.

Auf den Verkaufsseiten werben Vertreiber indes weiter für ihre Produkte, oft mit dem Hinweis «Unterliegt nicht dem NPSG». Verlassen sollten sich Nutzer darauf nicht, sagt Kraus. Selbst Händler wüssten oft nicht, was in den Mischungen stecke. Das Risiko sei erheblich, illegale und gefährliche Substanzen zu erwischen.

Laut Europäischem Drogenbericht werden viele Substanzen in China in grossen Mengen hergestellt. In Europa erfolgten Weiterverarbeitung, Verpackung und Verkauf. Das Ausmass des Problems sei schwer zu fassen, von einer Epidemie könne man nicht sprechen, betont Kraus. In ihrem Drogen- und Suchtbericht 2017 spricht die Bundesregierung von knapp 460 000 Konsumenten zwischen 18 und 64 Jahren im vorherigen Jahr. Die meisten Nutzer fänden sich in der Gruppe der 18- bis 20-Jährigen.

Welche Rolle NPS im Strassenverkehr spielen, ist schwer zu beziffern. Laut Bundesverkehrsministerium hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle nach Drogenkonsum in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Darunter fielen Cannabis, Heroin, Ecstasy, Speed oder andere Amphetamine. Zu vernachlässigen sei das Problem jedenfalls nicht, sagt Toxikologin Schäfer. «Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch.»

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