Literatur heute «Mutter aller Schweine»: lohnendes Debüt

SDA

27.4.2020 - 13:00

Der Zürcher Verleger André Gstettenhofer hat mit «Mutter aller Schweine» einen Debütroman in sein Frühjahrsprogramm aufgenommen, der mit einem vielschichtigen Blick auf das heutige Jordanien überrascht.
Der Zürcher Verleger André Gstettenhofer hat mit «Mutter aller Schweine» einen Debütroman in sein Frühjahrsprogramm aufgenommen, der mit einem vielschichtigen Blick auf das heutige Jordanien überrascht.
Source: Keystone/PETER KLAUNZER

Vier Frauen aus drei Generationen nehmen die Leserin mit in ihren Familienalltag im heutigen Jordanien: «Mutter aller Schweine» heisst der Roman, der im Zürcher Verlag Elster & Salis erschienen ist.

Verleger André Gstettenhofer erzählt während eines Literatur-Spaziergangs, warum er das Werk in sein Frühjahrsprogramm aufgenommen hat.

Die Sonne scheint von einem tiefblauen Himmel, Bäume zeigen ihr erstes helles Grün, die Vögel zwitschern. Wir spazieren durch den Wald im Berner Mittelland und reden über Jordanien, über einen Roman, der dort spielt.

Im Grenzgebiet zu Syrien lebt die Familie Sabas, und zwar von der Metzgerei und der Schweinezucht – der einzigen in der Levante. Das Unternehmen ist erfolgreich, vor allem mit dem Schweinefleisch. Doch die politische Situation ist nicht gut für ein derartiges Unternehmen. Aus dem kriegsversehrten Syrien kommen immer mehr Flüchtlinge, Aktivitäten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) und der Krieg sind eine ständige Bedrohung. Die christliche Familie Sabas erregt zusehends den Ärger konservativer Muslime.

Wo Männer das Sagen haben

Was das für den Familienalltag bedeutet, erzählt «Mutter aller Schweine» aus den unterschiedlichen Perspektiven von vier Frauen. Sie machen das Werk zu einem arabischen feministischen Roman.

Geschrieben hat den Roman Malu Halasa. Sie hat sich bisher einen Namen gemacht mit Sachbüchern über Kultur und Politik im Nahen Osten. «Mutter aller Schweine» ist ihr erster Roman. Halasa ist in den USA geboren und aufgewachsen, ihr Vater ist in den 1950er Jahren aus Jordanien in die USA emigriert, die Familie der Mutter kam von den Philippinen in die USA.

Halasa selbst hat 1979 erstmals die väterliche Familie in Jordanien besucht. Das war der Zeitpunkt, als sie über den Roman nachzudenken begann, schreibt sie im Nachwort zur arabischen Ausgabe von «Mutter aller Schweine». Die Geschichte ihrer eigenen Familie ist die Grundlage des Romans; Muna, die Besucherin aus den USA, ist autobiografisch. Religion, Terrorismus und die Unterdrückung der Frauen seien die Themen, die die Sicht auf ihre Weltgegend seit jeher und bis heute prägten, so Halasa weiter im Nachwort. Und es sind die Themen, die «Mutter aller Schweine» fundiert, aus einer überraschenden Perspektive und literarisch kunstvoll verhandelt.

«Mit dem Roman blicken wir ins moderne arabische Leben, wie wir im Westen es nicht kennen; gleichzeitig öffnet er den Bedeutungsraum», sagt der Schweizer Verleger Gstettenhofer während des Spaziergangs. Tatsächlich lohnt sich die Lektüre auf verschiedenen Ebenen: als Blick in eine unbekannte Welt oder als politische Auseinandersetzung mit arabischem Feminismus und religiös motiviertem Fundamentalismus.

Politisch und humorvoll

«Der politische Bezug fasziniert mich an dem Buch, und der hintergründige Humor», sagt Gstettenhofer. Die Sachbuch-Autorin Malu Halasa kennt er seit mehr als zehn Jahren persönlich. Nun sei sie, durchaus überraschend für ihn, mit ihrem ersten Roman, auf ihn zugekommen. Er hat das Werk als eines von dreien in das aktuelle Frühjahrsprogramm seines Verlags aufgenommen.

Halasa nähere sich den Verhältnissen in Jordanien mit dem Blick von aussen. «Damit übernimmt sie die Funktion der Brückenbauerin: Sie holt den westlichen Leser ab und eröffnet ihm einen differenzierten Blick auf komplizierte Verhältnisse», begründet der Verleger, während wir in der Schweiz spazieren und im Kopf nach Jordanien gereist sind.*

*Dieser Text von Andrea Fiedler, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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