Atemnot und Unausgeglichenheit Was Betroffene mit «Long Covid» tun können

dpa/jka

24.12.2020 - 14:56

Die Wissenschaft weiss schon viel über das Coronavirus  – bei möglichen Spätfolgen jedoch ist noch vieles unbekannt. Wer davon betroffen ist, findet spezielle Beratungsangebote.

Schränkt eine Corona-Infektion Betroffene längerfristig ein, sprächen Ärztinnen und Ärzte vom sogenannten «Long Covid». Die Beschwerden halten lange an und bestehen nach dem Abklingen der akuten Erkrankung weiter.

«Noch gibt es relativ wenige Daten dazu – vor allem fehlen aber noch systematische Langzeitstudien», sagt die deutsche Neurologin Prof. Kathrin Reetz von der Neurologischen Klinik der RWTH Aachen. Klar ist lediglich: Die Berichte über die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion häufen sich.

Und auch etwas anderes lässt sich laut Reetz aus den bereits vorliegenden Studien und ersten Erfahrungen aus Sprechstunden sagen: Die häufigsten Symptome des «Long Covid» seien anhaltende Müdigkeit und eine geringere Belastbarkeit, Schmerzen in Muskeln und Gelenken, Riech- und Geschmacksstörungen sowie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen.

«Long Covid» auch nach milden Verläufen

«In einer kürzlich publizierten Studie bei fast 2500 Patienten wurde zudem gezeigt, dass noch nach Wochen der Covid-19-Erkrankung weiterhin eine Atemnot bestand», sagt Reetz. 

«Aus unserer Sprechstunde wissen wir, dass auch häufig von einer emotionalen Unausgeglichenheit berichtet wird. Viele sagen, sie seien einfach anders und nicht mehr so belastbar», so die Medizinerin. Es seien auch junge Menschen betroffen, die mitten im Berufsleben stünden und zuvor keine Schwierigkeiten im Alltag hatten.

Die bisher vorliegenden Daten deuten zwar darauf hin, dass vermehrt Menschen mit einem schweren Erkrankungsverlauf im Krankenhaus solche «Long Covid»-Symptome entwickeln können. Doch nach bisher sehr groben Schätzungen sind laut der Medizinerin auch zehn bis zwanzig Prozent derjenigen betroffen, die einen milden Verlauf hatten oder trotz einer Corona-Infektion gar keine Symptome gezeigt haben.

Spezielle Sprechstunden und Selbsthilfe

Für Betroffene ist die erste Anlaufstelle idealerweise eine sogenannte Post-Covid-Sprechstunde, die es bereits am Genfer Universitätsspital gibt. Dort können die geschilderten Probleme durch erfahrene Medizinerinnen und Mediziner eingeordnet und objektiviert werden – zum Beispiel bei wahrgenommenen Riechstörungen durch die Durchführung von Riechtests oder bei Gedächtnisstörungen durch eine neuropsychologische Testung.

«Das ist wichtig, da es durchaus auch zu Unterschieden zwischen der eigenen Wahrnehmung der Beschwerden und der Objektivierung dieser kommen kann», erläutert Reetz, die auch Vizepräsidentin der Deutschen Hirnstiftung ist. «Nach der Einordnung der Beschwerden kann dann gegebenenfalls auch eine Therapie erfolgen – ob man gegen Schmerzen zum Beispiel Medikamente verordnet oder bei Konzentrationsschwäche ein neuropsychologisches Training oder Ergotherapie.»

Hilfe gibt aber auch in anderer Form: Zusammen mit der Selbsthilfe Zürich hat der Verein «Leben mit Corona» eine Selbsthilfegruppe für Betroffene von «Long Covid» und ihre Angehörigen ins Leben gerufen. Die Treffen finden als Videokonferenz statt.

Tagebuch zu Symptomen führen

Sie hält es für hilfreich, wenn Betroffene ein Symptomtagebuch führen. «Der Verlauf von Beschwerden, gerade auch wenn sie schwankend sind, lässt sich damit besser nachvollziehen.» Das hilft den Medizinern bei der Einschätzung. Und man selbst versteht vielleicht auch besser die eigenen Beschwerden und in welcher Ausprägung sie wann auftreten.

Generell empfiehlt etwa die Deutsche Hirnstiftung: Man sollte sich nach der Genesung von der Corona-Erkrankung einige Tage Zeit geben. Meist gebe sich der gestörte Geruch- und Geschmackssinn dann wieder. Bei Kopfschmerzen sei es ähnlich. Entwickelt man neurologische Symptome wie Probleme mit der Konzentration oder Kribbeln in den Gliedmassen aber erst nachdem man die Infektion offenbar überstanden hat, sollte man sich ärztlichen Rat holen. Der Hausarzt kann einen gegebenenfalls auch an eine neurologische Fachpraxis überweisen.

Patienten aus der ersten Welle haben noch immer Symptome

Die Dauer und Ausprägung der «Long Covid»-Symptome kann sehr stark von Patient zu Patient variieren. «Es ist jetzt noch zu früh, Vorhersagen zu treffen», sagt Reetz. «Manche Patienten von uns aus dem Frühjahr haben noch immer diese Symptome, bei anderen ist es schnell besser geworden. Wir brauchen hier einfach noch mehr Langzeitstudien, um darauf eine Antwort geben zu können.»

Ansteckend sind Patienten, die von Corona-Spätfolgen betroffen sind, nach Angaben der Hirnstiftung nicht mehr. Die meisten seien bereits zehn Tage nach Beginn der Erkrankung kein Risiko mehr für andere. Wer aber sicher sein möchte, lässt sich nach Abklingen der akuten Symptome nochmals auf das Virus testen.

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dpa/jka