Hinter Rumänien Warum EU-Staaten weniger Arbeitslose haben als die Schweiz

tsha

24.6.2019

Viele Arbeitssuchende scheuen den Gang zum Arbeitsamt. In die Statistik fliessen sie dennoch ein.
Viele Arbeitssuchende scheuen den Gang zum Arbeitsamt. In die Statistik fliessen sie dennoch ein.
Bild: Keystone

In der Schweiz ist die Arbeitslosenquote niedriger als in jedem Land der EU? Das war einmal. Mittlerweile stehen Länder wie Bulgarien und Rumänien besser da.

Einst war die Schweiz europäischer Musterschüler bei der Arbeitslosigkeit: Noch vor fünf Jahren lag die Erwerbslosenquote bei uns niedriger als in den 29 Mitgliedsländern der Europäischen Union. Der frühere Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann verwies auf die Vollbeschäftigung in der Schweiz und eine Arbeitslosigkeit von nur zwei Prozent. Wie «CH Media» nun berichtet, hat sich die Lage zwischenzeitlich geändert – die Schweiz ist nur noch europäisches Mittelmass.

Setzt man nämlich internationale Standards zur Messung der Arbeitslosenzahlen an, liegt die Quote hierzulande bei 4,9 Prozent. Diese Zahl verzeichnet nicht nur Menschen, die bei den Arbeitsämtern registriert sind, sondern auch alle, die auf Stellensuche sind. Darunter fallen Menschen, die Sozialhilfe beziehen, den beruflichen Wiedereinstieg wagen oder nicht zum Arbeitsamt gehen wollen.

Im europäischen Vergleich sind diese 4,9 Prozent relativ hoch – die Schweiz landet nur auf dem 13. Platz und damit hinter Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen, Tschechien, Estland, Slowenien, Malta, Deutschland, Österreich, Grossbritannien und den Niederlanden.

Streit über die Ursachen

Die SVP schiebt die Schuld für das schlechte Abschneiden des Landes auf den Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU. «Ältere Arbeitnehmer werden in der Schweiz zunehmend entlassen und durch günstige Ausländer ersetzt. Kein Wunder fallen wir im internationalen Vergleich zurück», sagt der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter gegenüber «CH Media».

Wirtschaftswissenschaftler würden diese These hingegen nicht unterstützen. «Wir konnten keinen Effekt der Zuwanderung auf die Arbeitslosigkeit feststellen», erklärt etwa Arbeitsökonom Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich gegenüber «CH Media». In Berufen und Regionen mit grosser Zuwanderung sei die Arbeitslosigkeit sogar rückläufig, weil dort der Bedarf an Arbeitskräften besonders gross sei.

Rudolf Minsch, Chefökonom der Economiesuisse, macht für die Arbeitslosigkeit in der Schweiz das hohe Lohnniveau verantwortlich. Ausserdem, so der emeritierte Arbeitsmarktökonom George Sheldon, hätten die osteuropäischen Staaten besonders von der Freizügigkeit innerhalb der EU profitiert. Menschen, die in ihrer Heimat keine Arbeit finden können, belasteten dort nicht die Statistik, sondern gingen ins Ausland zum Arbeiten.

Grund zur Sorge gebe es in der Schweiz also nicht: Das schlechte Abschneiden des Landes liege vor allem an der positiven Entwicklung in anderen Teilen Europas.

Bilder aus der Schweiz
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