Staatsschulden Europaparlament gibt grünes Licht für neue EU-Schuldenregeln

tp

23.4.2024 - 14:27

Weiterhin soll der Schuldenstand eines EU-Landes 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übersteigen. (Archivbild)
Weiterhin soll der Schuldenstand eines EU-Landes 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übersteigen. (Archivbild)
Keystone

Das Europäische Parlament hat den Weg für neue Regeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden in der EU frei gemacht. Die Abgeordneten stimmten einem Kompromiss für die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu.

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Demnach sollen künftig etwa klare Mindestanforderungen für das Senken von Schuldenstandsquoten für hoch verschuldete Länder gelten. Gleichzeitig soll bei EU-Zielvorgaben die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden.

Grundsätzlich soll in der EU unter den neuen Vorschriften auch weiterhin gelten, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Zudem soll das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit – also die vor allem durch Kredite zu deckende Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts – unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden.

Jährliche Senkungen

Darüber hinaus sind unter anderem Schutzmassnahmen geplant: Hoch verschuldete Länder (Schuldenstand von über 90 Prozent) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte.

Gleichzeitig soll die für die Aufsicht zuständige EU-Kommission in einem Übergangszeitraum bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen den Anstieg der Zinszahlungen berücksichtigen können. Wenn Mitgliedstaaten glaubhafte Reform- und Investitionspläne vorlegen, die Widerstandsfähigkeit und Wachstumspotenzial verbessern, soll auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden können.

Hoffnungen und Befürchtungen

Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber, wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, begrüsste die Annahme. «Mit den neuen EU-Schuldenregeln kehren wir zu einer verantwortungsvollen EU-Haushaltspolitik zurück.» Das neue Regelwerk schaffe mehr Klarheit und stelle die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein solides Fundament.

Kritiker hingegen betonten stets, dass die Regeln nötigen Investitionen etwa in Klimaschutz oder in den sozialen Bereich die Luft abschnürten. Eine Analyse vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) war Anfang April zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Einhaltung der geplanten Regeln ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage seien, sich notwendige Ausgaben zu leisten. Auch in Deutschland würden demnach Investitionen stark gehemmt, hiess es.

EU-Staaten am Zug

Vertreter des Europaparlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten hatten sich Anfang Februar nach langer Debatte auf den umstrittenen Kompromiss verständigt. Nach der Abstimmung im Plenum des Europaparlaments müssen auch noch die EU-Staaten die neuen Regeln bestätigen. Das ist in der Regel Formsache und für kommende Woche vorgesehen.

Das bisherige Regelwerk zur Überwachung und Durchsetzung dieser Vorgaben wird von Kritikern seit langem als zu kompliziert und zu streng angesehen. Deswegen soll es reformiert werden. Bei Übertreten der Obergrenzen können Schulden-Strafverfahren, sogenannte Defizitverfahren, eingeleitet werden. Dann muss ein Land Gegenmassnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken. Damit soll vor allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden.

Ausgesetzte Verfahren

Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt. Vor allem 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke. Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können. Nach jüngsten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat brachen mehrere Länder im vergangenen Jahr die Regeln.

Grundlage der nun getroffenen Einigung für die Reform der aus den 1990er Jahren stammenden Regeln waren Vorschläge der EU-Kommission. Vor allem von der Bundesregierung waren diese allerdings als zu weitreichende Aufweichung des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts kritisiert worden. Die Regierungen der EU-Staaten hatten sich deswegen nach monatelangen Verhandlungen auf etliche Veränderungen verständigt.