Internationaler Druck Keller-Sutter liess der CS keine Wahl, aber hatte sie selber eine?

Von Philipp Dahm

22.3.2023

Experte: Credit-Suisse-Übernahme durch UBS war «sehr wichtig»

Experte: Credit-Suisse-Übernahme durch UBS war «sehr wichtig»

Auch nach der Übernahme der angeschlagenen Schweizer Bank Credit Suisse durch den Mitbewerber UBS bleibt die Nervosität hoch. Mehrere Experten rechnen trotzdem nicht mit einer globalen Finanzkrise. Der Kapitalmarktanalyst Robert Halver hält die No

20.03.2023

Karin Keller-Sutter hat der Credit Suisse keine Wahl gelassen. Doch auch die Bundesrätin selbst stand unter grossem Druck – aus dem Ausland. Kein Wunder, denn die Banken hängen alle zusammen, erklärt ein Experte.

Von Philipp Dahm

22.3.2023

Als am Sonntag die Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS verkündet wird, ist den Teilnehmenden an der Pressekonferenz anzusehen, dass sie ein sehr langes Wochenende hinter sich haben.

Von links: Axel Lehmann, Colm Kelleher, Karin Keller-Sutter, Alain Berset, Thomas  Jordan, Marlene Amstad und Bundesratssprecher André Simonazzi.
Von links: Axel Lehmann, Colm Kelleher, Karin Keller-Sutter, Alain Berset, Thomas  Jordan, Marlene Amstad und Bundesratssprecher André Simonazzi.
Bild: Keystone

In den vorhergehenden Verhandlungen war Dampf im Kessel, wenn man einem Bericht der britischen «Financial Times» (FT) Glauben schenken darf. Demnach hat ein Triumvirat die Federführung übernommen: Neben Bundesrätin Karin Keller-Sutter zählten SNB-Chef Tomas Jordan und Finma-Chefin Marlene Amstad dazu. In Anspielung auf die Bibel nennt die FT sie nur die «Dreifaltigkeit».

Diese «Dreifaltigkeit» soll dem CS-Verwaltungsratpräsidenten Axel Lehmann bereits am 15. März klargemacht haben: «Ihr werdet mit der UBS fusionieren. Das ist nicht optional.» Einen Tag später habe die Gruppe sich dann bei UBS-Präsident Colm Kelleher gemeldet und ihn über den Plan informiert.

Der hat sich angeblich an die Arbeit gemacht, ohne Lehmann und die CS miteinzubeziehen. Der habe sich am 18. März schriftlich an den UBS-Boss gewendet und ein erstes Angebot als zu tief abgelehnt. Der Preis stimme auch für drei Grossaktionäre aus Saudi-Arabien und Katar nicht, die auch Kunden der UBS sein sollen.

«Die Scheisse aus den Schweizern getreten»

Die UBS habe ihr Angebot daraufhin auf 3,25 Milliarden Dollar erhöht. Laut einem Mitglied des CS-Verhandlungsteams sei es eines gewesen, das die Krisenbank nicht habe ablehnen können. Obwohl die beiden Banken am Zürcher Paradeplatz Nachbarn sind, seien die meisten Verhandlungen online abgehalten worden. Ein CS-Berater nennt die Übernahme dann auch «inakzeptabel und empörend».

Ist das Vertrauen in die Schweizer Banken noch intakt?

Ist das Vertrauen in die Schweizer Banken noch intakt?

Zerstört die Zwangsheirat zwischen UBS und Credit Suisse das Vertrauen in die Schweizer Banken? Und wie sehen die Menschen auf der Strasse die Rettungsaktion? blue News hat sich in Zürich umgehört.

20.03.2023

Beim Poker um den Kauf der Grossbank waren aber auch internationale Spieler involviert, die insbesondere Druck auf Karin Keller-Sutter ausgeübt haben sollen. Die 59-Jährige soll laut FT am Wochenende mehrfach mit ihrer Amtskollegin Janet Yellen in Washington telefoniert haben.

Ein UBS-Berater wird gar zitiert, Amerikaner und Franzosen hätten «die Sch**sse aus den Schweizern getreten». Auch der «Spiegel» schreibt: «Insidern zufolge haben internationale Akteure die Schweiz zum zügigen Handeln bei der Credit Suisse gedrängt.»

Was ist mit den «internationalen Akteuren»?

Ist die Bedeutung der CS-Krise im internationalen Kontext wirklich so gross? «Es geht um eine der internationalen Too-big-to-fail-Banken: Wenn eine ausfällt, ob das jetzt die Credit Suisse oder Barclays ist, bringt das das ganze Finanzsystem in Bedrängnis», verdeutlicht Andreas Dietrich auf Nachfrage von blue News, der an der Hochschule Luzern lehrt und das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) leitet.

Es sei «im Interesse aller Finanzplätze, dass eine Bank in dieser Grössenordnung nicht Konkurs geht», erklärt der Experte. «Ich weiss nicht, wie gross der Druck war. Sicher gibt es ein sehr grosses Interesse daran, dass man das Problem schnell löst.» Denn es sei eine Erkenntnis dieser Krise, dass das Vertrauen extrem schnell abgenommen habe.

Dietrich weiter: «Ich nehme an, der Ansatz verschiedener Finanzakteure wird gewesen sein: ‹Wir müssen schnell etwas machen, sonst ist das globale Finanzsystem in Gefahr.›» Der Grund: «Banken in Deutschland, in der EU und in Amerika haben alle Verpflichtungen gegenüber der CS. Das ist international alles extrem verflochten, etwa durch Interbanken-Kredite.»

«Sehr starke Mittel»

Wenn ein grosser Player in Schieflage gerät, droht das ganze System zu kippen, erklärt Dietrich: «Der Fall Lehman Brothers ist noch nicht so lange her: Da hat man das gesehen, die Folgeschäden sind sehr gross gewesen. Deshalb hat man sowohl bei der Silicon Valley Bank als auch bei der CS zu sehr starken Mittel gegriffen, um unter allen Umständen eine Krise des Finanzmarkts zu verhindern.»

Welche Rolle spielt die jüngste Pleite der Silicon Valley Bank in den USA? Dietrich weiss: «Ein sehr grosser Schritt war, dass alle Gelder garantiert worden sind. Da hat man ein Signal gesetzt: Wir tun alles, damit nichts Schlimmeres passiert. Und dabei handelt es sich um einen viel kleineren Player als die CS. Man hat auch dort mit sehr starken Mitteln reagiert, um nicht noch mehr Nervosität entstehen zu lassen.»

Trotz Bankenbeben: Credit Suisse will hohe Boni zahlen

Trotz Bankenbeben: Credit Suisse will hohe Boni zahlen

Grossbank Credit Suisse hat trotz Milliardenverlusten 2022 Topleuten Boni im Umfang von rund einer Milliarde Franken zugesagt. Erst am Wochenende wurde die Notübernahme der angeschlagenen Bank durch die Schweizer Konkurrentin UBS verkündet.

21.03.2023

Wie sehr hat die Schweizer «Dreifaltigkeit» die beteiligten Banken bedrängt? Und unter welchem Druck stand Karin Keller-Sutter selbst? Dass der Poker um die CS-Übernahme ein undurchsichtiges Spiel bleibt, zeigt nicht zuletzt der Bericht der FT. Es sei klar, dass das Blatt «die Informationen bewusst aus Kreisen der involvierten Parteien gesteckt bekommen» habe, kommentiert Wirtschaftsjournalist Mark Dittli bei «persoenlich».

Warum? «Diese teils bewussten Leaks wurden in den letzten Tagen vermutlich genutzt, um auf die einzelnen Parteien Druck auszuüben», erklärt der Chefredaktor des Wirtschaftsmagazins «The Market». Der grosse Konkurrent der FT, «Bloomberg», hatte fälschlicherweise gemeldet, auch die US-Firma Blackrock wolle die CS übernehmen.

«Ich nehme an, die Schlagzeile diente wohl dazu, den Druck auf die UBS, einen einigermassen vernünftigen Preis zu bieten, zu erhöhen.»

Deine Meinung interessiert uns

Schreib einen Kommentar zum Thema.