Leben in sozialer Unsicherheit soll für Bäuerinnen bald passé sein: Philippe Jobin, SVP-Kantonsrat VD, Nationalrat Carlo Sommaruga, SP/GE, Anne Challandes, Präsidentin SBLV, Christine Badertscher, SWISSAID, und Markus Allemann, Direktor SWISSAID (von links), lancierten in Bern den Bäuerinnen-Appell.
Trotz vielen Diskussionen über die Belange der Frauen in diesen Tagen werden sie oft vergessen: Bäuerinnen und Swissaid haben in Bern den Bäuerinnen-Appell lanciert. Dieser verlangt die soziale Absicherung der in landwirtschaftlichen Betrieben tätigen (Ehe)Frauen.
Postkarten und Äpfel für die Passanten zur Lancierung des Bäuerinnen-Appells am Mittwoch in Bern.
Das Mittelalter ist vorbei: Bäuerinnen wollen endlich sozial abgesichert sein für ihre massgebliche Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben. Mit dem am Mittwoch in Bern lancierten Bäuerinnen-Appell setzen sie Druck auf. (Themenbild)
«Vergessene» lancieren Bäuerinnen-Appell
Leben in sozialer Unsicherheit soll für Bäuerinnen bald passé sein: Philippe Jobin, SVP-Kantonsrat VD, Nationalrat Carlo Sommaruga, SP/GE, Anne Challandes, Präsidentin SBLV, Christine Badertscher, SWISSAID, und Markus Allemann, Direktor SWISSAID (von links), lancierten in Bern den Bäuerinnen-Appell.
Trotz vielen Diskussionen über die Belange der Frauen in diesen Tagen werden sie oft vergessen: Bäuerinnen und Swissaid haben in Bern den Bäuerinnen-Appell lanciert. Dieser verlangt die soziale Absicherung der in landwirtschaftlichen Betrieben tätigen (Ehe)Frauen.
Postkarten und Äpfel für die Passanten zur Lancierung des Bäuerinnen-Appells am Mittwoch in Bern.
Das Mittelalter ist vorbei: Bäuerinnen wollen endlich sozial abgesichert sein für ihre massgebliche Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben. Mit dem am Mittwoch in Bern lancierten Bäuerinnen-Appell setzen sie Druck auf. (Themenbild)
In der Schweiz sind über 31'000 Bäuerinnen schlecht oder gar nicht sozial abgesichert. Ihr Berufsverband hat deshalb gemeinsam mit Swissaid den Bäuerinnen-Appell lanciert. Darin wird ein besserer sozialer Schutz im Rahmen der Agrarpolitik 2022 gefordert.
Wenn sich dieser Tage die ganze Schweiz mit der Situation der Frauen beschäftige, so gehe mit den Bäuerinnen regelmässig eine Gruppe von Frauen vergessen, hiess es am Mittwoch in Bern an einer Medienkonferenz des Schweizer Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV) und der Entwicklungshilfeorganisation Swissaid.
Obwohl die Bäuerinnen einen grossen Teil der Arbeit auf den Betrieben verrichteten, bleibe ihr Wirken oft unsichtbar im Hintergrund, erklärte SBLV-Präsidentin Anne Challandes. Bauernfrauen arbeiten laut einer Statistik des Bundes 63 Stunden pro Woche. Nur 30 Prozent der Bäuerinnen in der Schweiz sind jedoch gemäss Challandes sozial abgesichert und werden für ihre Arbeit entschädigt.
Für 70 Prozent oder über 31'000 Bäuerinnen gelte dies jedoch nicht, was namentlich bei Scheidungen zu existenziellen Problemen für die Frauen führen könne. Mittlerweile habe sich die vormals tiefe Scheidungsrate in Bauernfamilien dem Schweizer Durchschnitt angenähert.
Mehr Anfragen besorgter Frauen
Weil diese Bäuerinnen ohne angemessene Bezahlung und ohne Sozialversicherung arbeiten, gelten sie von Gesetzes wegen «fälschlicherweise» als nichterwerbstätig. Für Challandes sind die in den letzten Jahren zunehmende Anzahl von Anrufen an das bäuerliche Sorgentelefon und die bisher über 21'000 Besuche auf der SBLV-Webseite ein Indiz dafür, dass in diesem Bereich dringend gehandelt werden muss.
Wenn Bäuerinnen das Sorgentelefon wählen, stehen Themen wie Eheprobleme, Trennung und Scheidung deutlich häufiger im Fokus als bei den Männern. Diese melden sich eher wegen Generationenkonflikten auf dem Hof, oft im Zusammenhang mit Schwiegereltern und der Rolle der Frauen als «Eingeheiratete». Auf Platz 2 folgen auch bei den ratsuchenden Männern Paarkonflikte.
Gemeinsam legten die beiden Organisationen am Mittwoch dar, wie die Themen soziale Sicherheit, politische Repräsentation und die Verbesserung der rechtlichen Situation der Bäuerinnen in der Schweiz und weltweit verknüpft sind. Bäuerinnen seien für 70 Prozent der Welternährung verantwortlich. Die ungenügende soziale Anerkennung sei ein gravierender Missstand, der in der Schweiz und weltweit behoben werden müsse.
Druck aufsetzen im EDI und EDA
Die beiden Organisationen lancierten deshalb am Mittwochmorgen mit einer Postkarten- und Äpfelverteilaktion vor dem Bundeshaus den Bäuerinnen-Appell. In den nächsten vier Monaten sollen möglichst viele Unterschriften zusammenkommen, die dann Mitte Oktober dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) und dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) übergeben werden. Zudem sind verschiedene Aktionen und Anlässe in Planung.
Das Parlament fällt im Herbst wegweisende Entscheide zu den beiden Forderungen im Appell. Zum einen verlangt der Appell von Bundesrat und Parlament die gesetzliche Verankerung der sozialen Absicherung für Bäuerinnen in der Agrarpolitik sowie die Förderung der Mitbestimmung der Frauen in der Politik und in bäuerlichen Organisationen.
Der Bundesrat hat im Rahmen der Vernehmlassung zur Agrarpolitik 2022 vorgeschlagen, Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe nur noch auszurichten, wenn die Ehepartner sozial abgesichert sind. Bisher basiert die Absicherung auf Freiwilligkeit.
Für Challandes ist das ein Schritt in die richtige Richtung, wie sie vor den Medien betonte. Unglücklicherweise gebe es allerdings gerade aus dem bäuerlichen Milieu starke Widerstände und überzogene Besorgnis zu den bundesrätlichen Vorschlägen.
Appell mit internationalem Aspekt
Die Bäuerinnen sollen zum anderen in der neuen Botschaft des Bundesrats für internationale Zusammenarbeit (IZA) für die Jahre 2021-2024 eine wichtige Rolle spielen. Der Appell fordert von Landesregierung und Parlament, dass die Ernährungssicherheit und die Situation der Bäuerinnen in der IZA-Botschaft zu Schwerpunktthemen erklärt und insgesamt ein strategischer Fokus auf die Rechte der Bäuerinnen gelegt wird.
Damit die Lebensbedingungen verbessert werden können, braucht es für Frauen laut Swissaid-Entwicklungsexpertin Christine Badertscher weltweit langfristige Landnutzungsrechte und gleichberechtigten Zugang zu Bildung. Zudem müsse die Schweizerische Entwicklungszusammenarbeit insbesondere auf dem Land die Rechte der Frauen auf politischer Mitsprache in der Gesellschaft fördern.
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