Trotz schneller Entwicklung «Das ist wirklich solide» – Fauci verteidigt neue Impfstoffe

sda/phi

20.11.2020

«Hilfe ist unterwegs»: Dr. Anthony Fauci am 19. November im Weissen Haus in Washington.
«Hilfe ist unterwegs»: Dr. Anthony Fauci am 19. November im Weissen Haus in Washington.
Bild: Keystone

Viele Menschen haben mit Skepsis auf die Ankündigungen neuer Corona-Impfstoffe reagiert. US-Immunologe Anthony Fauci zerstreut jedoch Bedenken: Trotz der schnellen Entwicklung seien die Impfstoffe sicher.

Der renommierte US-Immunologe Anthony Fauci hat Bedenken zurückgewiesen, wonach die Entwicklung der Corona-Impfstoffe zulasten der Verträglichkeit und Wirksamkeit beschleunigt worden sein soll. «Die Geschwindigkeit des Prozesses hat die Sicherheit in keiner Weise kompromittiert», sagte Fauci am Donnerstag im Weissen Haus.

Es wurde erwartet, dass das deutsche Unternehmen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer noch am Freitag eine Notfallgenehmigung für den von ihnen entwickelten Corona-Impfstoff beantragen würden. Unterdessen gab es in den USA am Donnerstag nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität mit mehr als 187'000 neuen Corona-Fällen binnen weniger Tage erneut einen Rekord.

Auch die wissenschaftliche Integrität sei nicht beeinträchtigt worden, sagte Fauci weiter. Die Daten der Studien zu den Impfstoffen seien von unabhängigen Experten beurteilt worden, die niemandem etwas schuldeten, auch «nicht der Regierung». Es gebe in dieser Hinsicht keinen Grund zur Sorge, betonte Fauci. «Das ist wirklich solide.»

Sobald die Anträge auf eine Notfallgenehmigung für die Impfstoffe eingingen, würde die zuständige Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA alles «sehr sorgfältig» überprüfen, so der Immunologe, der Mitglied der Corona-Arbeitsgruppe des Weissen Hauses ist. Experten befürchten, dass manche Menschen dem Impfstoff wegen der beschleunigten Entwicklung und politischen Debatten skeptisch gegenüberstehen könnten.

«Hilfe ist unterwegs»

Fauci sagte, wirksame Impfstoffe seien im Kampf zur Eindämmung der Pandemie die «Kavallerie», aber bis zu deren Eintreffen müssten alle bekannten Vorsichtsmassnahmen weiter praktiziert werden. «Wenn man in einer Schlacht kämpft und die Kavallerie ist unterwegs, dann hört man nicht auf zu schiessen. Man macht weiter, bis die Kavallerie da ist – und dann will man vielleicht weiter kämpfen», sagte Fauci.

Er rief die Amerikaner auf, die «einfachen» Massnahmen zur Vorbeugung von Ansteckungen weiterhin zu befolgen: Masken tragen, Abstand halten und Menschenansammlungen meiden. Er appellierte zudem, sich impfen zu lassen, sobald die Impfstoffe verfügbar seien.

Die Regierung hofft, dass bei einer Zulassung Millionen Dosen des Impfstoffs schon vor Jahresende verfügbar sein könnten. «Wir werden innerhalb von 24 Stunden nach der Zulassung durch die FDA Millionen von Impfstoffdosen ausliefern. Meine Botschaft lautet also: Hoffnung und Hilfe sind auf dem Weg», sagte Gesundheitsminister Alex Azar.

USA mit Negativ-Rekord

In den USA sind nach Daten der Johns-Hopkins-Universität bereits mehr als eine Viertelmillion Menschen seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit einer Infektion gestorben – nirgendwo sonst auf der Welt sind so viele Corona-Todesfälle bekannt. Seit Anfang November wurden täglich mehr als 100'000 Neuinfektionen nachgewiesen, zuletzt waren es im Schnitt bereits rund 160'000.

Covid-19-Patient im Holy Cross Medical Center in Los Angeles am 19. November.
Covid-19-Patient im Holy Cross Medical Center in Los Angeles am 19. November.
Bild: Keystone

Am Donnerstag verzeichnete das Land innerhalb weniger Tage erneut einen Höchststand bei den Coronavirus-Neuinfektionen. Die Behörden meldeten binnen eines Tages 187'833 neue Fälle, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität hervorging. Der bislang höchste Wert war am vergangenen Freitag registriert worden, als mehr als 177'000 Neuinfektionen gemeldet wurden.

Auch die Zahl der Toten im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion stieg weiter rapide an: Mit 2015 neuen Todesfällen wurde am Donnerstag seit Anfang Mai erstmals wieder die 2000er-Marke überschritten. Der höchste Wert an einem Tag wurde am 15. April mit 2609 Toten erreicht.

Kaliforniens «Notbremse»

Die Johns-Hopkins-Zahlen werden regelmässig aktualisiert und sind daher höher als die der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In manchen Fällen wurden Zahlen – unter anderem die der Neuinfektionen binnen 24 Stunden – nachträglich korrigiert.

Viele Bundesstaaten verschärfen inzwischen wieder ihre Corona-Auflagen. Kalifornien etwa führt wegen steigender Infektionszahlen eine nächtliche Ausgangsbeschränkung ein. Ab 22 Uhr bis 5 Uhr sollen die Bewohner Zuhause bleiben, wie Gouverneur Gavin Newsom bekanntgab. Die Anordnung soll am Samstag in Kraft treten und vorerst einen Monat gelten.

Betroffen sind die meisten Bezirke des Westküstenstaates. In Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat, leben knapp 40 Millionen Menschen. Für gut 94 Prozent der Bevölkerung gilt nun diese strikte Auflage. Der Staat hatte erst am Montag die «Notbremse» gezogen und neue Corona-Auflagen verfügt.

Pence sieht USA auf gutem Weg

Angesichts steigender Infektionszahlen riet die US-Gesundheitsbehörde CDC den Amerikanern dringend von Reisen und Familienbesuchen rund um das Erntedankfest Thanksgiving in der kommenden Woche ab. Stattdessen solle zu Hause und nur mit Menschen aus dem eigenen Haushalt gefeiert werden, hiess es.

Mit sich zufrieden: Mike Pence mit Fauci im Hintergrund am 19. November im Weissen Haus.
Mit sich zufrieden: Mike Pence mit Fauci im Hintergrund am 19. November im Weissen Haus.
Bild: Keystone

Der amtierende US-Vizepräsident Mike Pence sah die USA trotz der dramatisch steigenden Corona-Fallzahlen auf einem guten Weg. «Die Fälle und die Positivrate steigen im ganzen Land. Aber wir nähern uns diesem Moment mit der Zuversicht der Erfahrung und wir wissen, dass das amerikanische Volk weiss, was zu tun ist», sagte Pence am Donnerstag im Weissen Haus. «Amerika war noch nie so gut auf die Bekämpfung dieses Virus vorbereitet wie heute», fügte Pence hinzu.

Die Ärztin Deborah Birx machte deutlich, dass zwar immer mehr Menschen getestet würden, aber der Anteil der positiven Tests deutlich angestiegen sei. Birx mahnte: «Jeder Amerikaner muss in diesem Moment wachsam sein.»

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