Drogenabhängigkeit Entzug von Crystal Meth dank vielversprechender Doppelstrategie

SDA

9.4.2021 - 10:09

Keine andere Droge macht so schnell psychisch abhängig wie Crystal Meth und keine andere Sucht ist so schwer loszuwerden. Doch die Kombination zweier Medikamente und einer Belohnungsstrategie offeriert gemäss einer neuen Studie einen Lichtblick. (Archivbild)
Keine andere Droge macht so schnell psychisch abhängig wie Crystal Meth und keine andere Sucht ist so schwer loszuwerden. Doch die Kombination zweier Medikamente und einer Belohnungsstrategie offeriert gemäss einer neuen Studie einen Lichtblick. (Archivbild)
Keystone

Methamphetamin, vulgo Crystal Meth, ist eine tückische Droge: Es macht genauso schnell abhängig wie Heroin, ist aber noch viel schwieriger zu besiegen. Eine Medikamentenstudie mit zwei Substanzen verspricht nun erstmals eine wirkungsvolle Therapie der Sucht.

Keystone-SDA, SDA

Wie stark eine Substanz süchtig macht, wird folgendermassen ermittelt: Es wird gemessen, wie viel des erregenden Neurotransmitters Dopamin während des «Highs» durch das wichtigste Belohnungszentrum des Hirns strömt. Crystal Meth führt die traurige Rangliste an: «Methamphetamin ist die Droge, welche die grösste Freisetzung erzeugt», wird Nora Volkow, Direktorin des National Institute on Drug Abuse, in der aktuellen Ausgabe von «Scientific American» zitiert. «Selbst Tiere werden verrückt danach, den Hebel zu ziehen, um die Droge zu bekommen.»

Erfolgserlebnisse beim Meth-Entzug waren bisher selten wie Soft Ice in der Wüste. Das könnte sich nun dank der Kombination zweier Substanzen ändern. Bupropion, ein Antidepressivum, das auch zur Raucherentwöhnung verschrieben wird, hebt den Dopaminspiegel im Gehirn an und kann so das Elend der steilen Abstürze abfedern, die auftreten, wenn Menschen mit Meth aufhören.

Naltrexon, das zweite Medikament, ist ein Opioid-Blocker, der «auf den Belohnungskreislauf einwirkt und möglicherweise das Verlangen lindert», erklärt der Hauptautor der Studie, Madhukar H. Trivedi, ein Psychiater am University of Texas Southwestern Medical Center.

In einer Studie mit 403 starken Meth-Konsumenten half eine Kur mit den beiden Medikamenten 13,6 Prozent, von der Droge wegzukommen, indem sie über einen Zeitraum von sechs Wochen mindestens drei Viertel der Zeit methfrei waren. Nur 2,5 Prozent derjenigen, die Placebos erhielten, erreichten diesen Grad an Abstinenz.

Hilfe aus dem Goldfischglas

Als verhaltenstherapeutische Unterstützung wurde für die Studie in VA-Kliniken (die Veterans Health Administration bietet das grösste ganzheitliche Gesundheitssystem der USA) eine Belohnungsstrategie angewendet: Nach Abgabe einer drogenfreien Urinprobe durften Entzugsaspiranten einen Zettel aus einem Goldfischglas ziehen. Auf der Hälfte der Zettel standen verschiedene Dollarbeträge, die in den institutseigenen Shops ausgegeben werden konnten, auf dem Rest standen aufmunternde Worte. Bei zwei aufeinanderfolgenden reinen Urinproben gab es zwei Zettel zu fischen und so weiter.

Eine 2018 durchgeführte Studie mit 2'060 VA-Patienten, die vom klinischen Psychologen Dominick DePhilippis geleitet wurde, ergab, dass 91 Prozent der Urinproben von Teilnehmern an diesem Programm frei von der Droge waren. Gemäss einer 2018 durchgeführten Analyse von 50 Studien, an denen fast 7'000 Patienten mit Meth- oder Kokainabhängigkeit teilnahmen, profitierte eine/r von fünf Behandelten von dieser Form des Kontingenzmanagments.

Mehr Meth-Tote in der Coronakrise

In den USA haben seit dem Ausbruch von Covid-19 die Fälle von tödlichen Methamphetamin-Überdosen um 35 Prozent zugenommen, wie im Artikel nachzulesen ist.

Aktuelle Zahlen für die Schweiz gibt es nicht. Bekannt ist, dass der Konsum von Crystal Meth zunimmt, besonders stark in der Westschweiz. Doch «Abwasseranalysen zeigten bereits 2014, dass in 13 untersuchten Schweizer Städten insgesamt 4'100 Millionen Dosen à 20 Milligramm konsumiert wurden. Das sind 30 Kilo im Jahr. Nicht nur in sogenannten Meth-Hochburgen wie Neuenburg und Biel, sondern auch in Zürich, Luzern oder Basel», wie die «NZZ am Sonntag» kürzlich schrieb.

*Fachartikelnummer doi:10.1038/scientificamerican0421-21