«Es wird schlimmer werden»Klimawandel fördert Verbreitung von giftigen Algen in US-Trinkwasser
Tom James, AP
25.6.2018
Blaualgen befinden sich beinahe überall im Wasser. Wenn sie bei Wärme blühen, entwickeln sie Giftstoffe. Im Zuge des Klimawandels wird das zu einem wachsenden Problem für das Trinkwasser in den USA.
Salem (AP) - Kürzlich versetzte eine Warnmeldung die Bewohner von Salem in Schrecken. «Ziviler Notfall. Halten Sie sich bereit», hiess es in der Nachricht, die über die Handys an die Menschen in der Hauptstadt des US-Staates Oregon verbreitet wurde. Eine halbe Stunde später wurde die Warnung präzisiert. Es ging nicht, wie viele vermutet hatten, um einen Amoklauf oder einen Terroranschlag, sondern um giftige Algen, die in der Trinkwasserversorgung der Stadt entdeckt worden waren.
Ereignisse wie dieses haben sich in den Trinkwasserreservoiren, aber auch in Badeseen gehäuft. Experten sehen das als eine Folge der Erderwärmung und warnen vor den Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
«Wenn Wasserspeicher sich früher aufwärmen und länger warm bleiben, erhöht man die Zahl solcher Fälle», sagt Wayne Carmichael, emeritierter Professor von der Wright State University in Ohio, dessen Spezialgebiet Mikroorganismen sind. «Das ist nur logisch, und es ist belegt.»
Toxin gilt als krebsfördernd
Bei den Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, handelt es sich um eine alte Klasse von Organismen, die beinahe überall im Wasser zu finden ist und die unter Erwärmung Blüten bildet. Dabei entsteht eine einzigartige Art von Giftstoffen, deren Auswirkungen auf den Menschen bislang nur teilweise erforscht sind.
Hohe Dosen des Gifts können beim Menschen die Leber und das Nervensystem schädigen. Mittlerweile schliessen die meisten Behörden deswegen Badegewässer, wenn es zur Blaualgenblüte kommt. Weniger bekannt ist jedoch, was passiert, wenn Menschen niedrigeren Dosen ausgesetzt sind, besonders über längere Zeit.
Kleinere Studien ziehen eine Verbindung zu Leberkrebs, ein Toxin gilt als krebsfördernd, andere Giftstoffe werden in Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen gebracht, die Nervenzellen im menschlichen Gehirn betreffen. Für fundierte Belege benötige man jedoch grössere Studien, sagt Carmichael, der die Weltgesundheitsorganisation bei der Entwicklung von Sicherheitsstandards im Zusammenhang mit den Giftstoffen unterstützt.
Algenblüten auf dem Vormarsch
Steven Chapra, Professor für Umwelttechnik an der Tufts University in Boston, sagt: «Es ist meiner Meinung nach absolut sicher, dass die steigenden Temperaturen zu mehr von diesen Algenblüten führen werden.» Chapra führte ein Team mit Wissenschaftlern vom Massachusetts Institute of Technology und der US-Umweltbehörde EPA, das im Jahr 2017 eine der umfassendsten Studien zum Zusammenhang von Erderwärmung und Algenblüte veröffentlichte.
Weil die Algen warmes Wasser bevorzugen, helfen ihnen höhere Temperaturen im Sommer und häufigere Hitzewellen. Die zunehmenden Dürreperioden tragen zudem dazu bei, dass die Wasserstände in den Speichern niedriger sind und sich das verbliebene Wasser schneller erwärmt. Hinzu kommt, dass der mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebrachte häufigere Starkregen mehr stickstoff- und phosphorhaltigen Dünger in die Gewässer spült, ein guter Nährboden für die Algen.
In Utah erkrankten im Jahr 2016 nach der Algenblüte in einem Badesee mehr als 100 Menschen. Als die Geschichte landesweit Schlagzeilen machte, meldeten sich andere Staaten. Aislynn Tolman-Hill von der Gesundheitsbehörde in Utah erinnert sich, dass man immer wieder zu hören bekommen habe: «Hey, wir haben auch eine Algenblüte in einem See, wo das bisher noch nie der Fall war.»
Tourismusunternehmer betroffen
Die Behörden haben gerade erst damit begonnen, die Blüten genau zu protokollieren. Aber es zeichne sich ab, dass sich das Phänomen verstärke, sagt Ben Holcomb, Biologe von der Umweltbehörde in Utah. «Es beginnt früher, dauert länger und die Spitzen scheinen immer grösser zu werden», sagt er. «Ich glaube nicht, dass das nur in einem Staat so ist.»
Im Lake Erie sorgte im Jahr 2014 eine grössere Blüte dafür, dass die Behörden in Toledo in Ohio davor warnten, Leitungswasser zu trinken. Mehr als zwei Tage wurde die Hauptwasserversorgung für mehr als 400 000 Menschen abgestellt.
Jetzt gibt es jedes Jahr in Utah und Ohio Algenblüten. Die Behörden beruhigen. Sie seien weitgehend in der Lage, eine Vergiftung des Trinkwassers zu verhindern. Aber auch Menschen und Tiere, die in dem Wasser baden, sind gefährdet. Das trifft dann häufig auch die Freizeit- und Tourismusunternehmer entlang der Gewässer. Auch in New York, Florida und Kalifornien wurden in den vergangenen Jahren Algenblüten festgestellt.
In Oregon wurde die Trinkwasserwarnung für Salem nach einigen Tagen zunächst aufgehoben, später aber wieder erneuert. Allein in der Stadt sind 150 000 Menschen betroffen, dazu kommen die Menschen in den Vororten.
«Es wird schlimmer werden»
Die Behörden warnen, dass auch Dutzende andere Wasserspeicher gefährdet sein können. Tatsächlich wurde kurz darauf auch in einem Reservoir der Stadt Cottage Grove die Algenblüte nachgewiesen, wie lokale Medien berichteten.
Ein Test auf die Algenblüte ist bislang weder landesweit noch in den einzelnen Staaten vorgeschrieben, wie die Behörden einräumen. Das muss sich nach Ansicht der Wissenschaftler ändern, auch weil sich die Blüten mittlerweile auf Staaten ausbreiten, die bislang wegen niedrigerer Temperaturen als sicher galten.
Das was man am Lake Erie und in Oregon gesehen habe, sei ein ernster Warnschuss, sagt Chapra. «Es wird schlimmer werden, und zwar wird es in grossem Stil schlimmer werden.»
Trump will amerikanische Klimaforschung eindampfen
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Donald Trump legt auf Projekte zum Schutz von Umwelt und Klima keinen Wert. Das geht aus dem vom Weissen Haus vorgelegten Haushaltsplan hervor.
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Entgegen aller Fakten bezeichnet er den Klimawandel einfach als «Schwindel». Wichtige Institutionen, die sich eigentlich für das Thema einsetzen sollten, hat er kaltgestellt.
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In der 160 Seiten langen Zusammenfassung des neuen Haushaltsplans taucht der Begriff «Klimawandel» überhaupt nur ein einziges Mal auf – und zwar im Namen eines Programms der Umweltschutzbehörde EPA, das dem Rotstift zum Opfer fallen soll.
Bild: Jon Elswick/AP/dpa
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