Molekularbiologie Mit Arzneimittel-Mischungen gegen multiresistente Bakterien

8.7.2018

Petrischalen mit sogenannten Krankenhauskeimen, die Mehrfachresistenzen gegenüber Antibiotika aufweisen. Foto: Armin Weigel
Petrischalen mit sogenannten Krankenhauskeimen, die Mehrfachresistenzen gegenüber Antibiotika aufweisen. Foto: Armin Weigel
Source: Armin Weigel

Es ist eines der ganz grossen Gesundheitsprobleme: Bakterien, denen kaum noch ein Antibiotikum etwas anhaben kann. Neue neue Wirkstoffe müssen her. Oder etwa doch nicht?

Im Kampf gegen resistente Bakterien könnten bereits bekannte, aber mit anderen Stoffen aufgepeppte Medikamente helfen.

Das haben Forscher um Ana Rita Brochado vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (Embl) in Heidelberg eindrücklich belegt. Sie hatten im Labor getestet, wie knapp 3000 verschiedene Kombinationen von Antibiotika und anderen Mitteln auf Bakterien wirken. Den Forschern zufolge war es die bislang grösste Untersuchung dieser Art. Dabei ging es um grundsätzliche Wechselwirkungen zwischen den untersuchten Stoffen, zu neuen Therapien ist es noch ein weiter Weg.

Antibiotikaresistente Bakterien sind nicht nur, aber vor allem für immungeschwächte Menschen eine Gefahr. Bei rund 500 000 neuen Tuberkulose-Fällen 2016 wirkten laut Weltgesundheitsorganisation WHO schon mindestens zwei Antibiotika nicht mehr, 250 000 Menschen sterben pro Jahr an resistenten Tuberkulose-Erregern. Auch gegen Lungenentzündung oder Harnwegsinfekte helfen gängige Antibiotika oft nicht mehr. Zugleich wird es für Forscher und Industrie immer härter, neue Waffen gegen die Bakterien zu entwickeln.

Das internationale Team kombinierte insgesamt 79 Stoffe - darunter Antibiotika, andere Medikamente und Nahrungsmittelzusätze - jeweils paarweise. Dann schauten die Forscher, wie drei Bakterienarten auf die Mischungen reagierten. Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli und Salmonella typhimurium sind bekannt dafür, besonders oft Resistenzen gegen Antiobiotika zu entwickeln.

Ergebnis: Die meisten getesteten Kombinationen schwächen die antibiotische Wirkung eher ab. In über 500 Fällen gab es aber einen verstärkenden Effekt, wie die Forscher im Fachblatt «Nature» berichten. Einige Paarungen wurden auch bei multiresistenten Bakterien getestet und zeigten ein positives Ergebnis.

Besonders stach den Forschern die Kombination des Antibiotikums Spectinomycin mit Vanillin ins Auge. Der Aromastoff sorge dafür, dass Spectinomycin leichter in die Bakterienzelle kommt und dort das Wachstum stoppt. Das Antibiotikum sei Anfang der 60er Jahre entwickelt worden, um gegen die Geschlechtskrankheit Gonorrhoe, auch Tripper genannt, vorzugehen. Heutzutage sei das Mittel aber kaum noch im Einsatz, weil Bakterien resistent geworden seien. In Kombination mit Vanillin könnte Spectinomycin aber ein Comeback erleben. Bei anderen Antibiotika hatte der Aromastoff hingegen einen gegensätzlichen Effekt.

Die Forscher weisen darauf hin, dass noch viele weitere Tests und auch klinische Studien nötig sind, um die Effekte von Medikamentenmischungen auf den Menschen zu untersuchen.

Gänzlich neu sind die Erkenntnisse der Heidelberger Forscher nicht, wie der Infektiologe Winfried Kern vom Universitätsklinikum Freiburg betont. «Die Befunde sind grösstenteils bekannt und in ähnlicher Form auch bereits mehrfach publiziert», stellt Kern, der nicht an der Studie beteiligt war, fest. Der Befund, dass Vanillin und Spectinomycin sich gegenseitig aktivieren, Vanillin aber ansonsten eher zur mehr Resistenz bei Antibiotika führt, sei aber interessant.

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite