ETH-Experte erklärt CCS Speichern wir CO2 bald im Meeresboden?

Von Gabriela Beck

27.2.2023

Dänische Küste: Die Unternehmen TotalEnergies, Ineos und Wintershall Dea wollen in der Nordsee CO₂ einlagern.
Dänische Küste: Die Unternehmen TotalEnergies, Ineos und Wintershall Dea wollen in der Nordsee CO₂ einlagern.
imago/Westend61

In den Meeresboden unter der Nordsee sollen Milliarden Tonnen CO2 gepumpt und dort eingelagert werden. Doch die Technik ist umstritten. ETH-Umweltexperte Cyril Brunner ordnet Chancen und Risiken ein.

Von Gabriela Beck

27.2.2023

Die Idee ist bestechend einfach: Um die Klimaziele zu erreichen, sammelt man vereinfacht gesagt Kohlendioxid ein und speichert es dauerhaft unter der Erde. Die entsprechende Technik nennt sich CCS: Carbon Capture and Storage. Regierungen und Unternehmen wollen sich damit Zeit kaufen im Kampf gegen den Klimawandel – auch die Schweiz.

Ob eine sichere geologische CO2-Endlagerung ohne signifikante Lecks tatsächlich für viele Jahrtausende garantiert werden kann, ist naturgemäss nicht abschliessend geklärt, dennoch hat der Weltklimarat IPCC in seinem aktuellen Report der Technologie eine fundamentale Rolle zugesprochen.

Diagramm einer CCS-Infrastruktur mit Offshore-Speicherung.
Diagramm einer CCS-Infrastruktur mit Offshore-Speicherung.
© Sintef 2020

Dänemark hat nun die ersten Zulassungen erteilt, damit Unternehmen in grösserem Massstab CO2 unter dem Meeresgrund der Nordsee einlagern können. Und auch Norwegen will Treibhausgas aus europäischen Industrieanlagen vor der Küste in eine Gesteinsformation einleiten, schreibt das Magazin «Spiegel». Die Häfen von Rotterdam, Antwerpen und Gent planen und bauen demnach bereits CCS-Anlagen, um ihr CO2 über Leitungen in zwei leere Gasfelder unter der Nordsee zu pumpen.

Zur Person
Cyril Brunner
© ETH Zürich

Dr. Cyril Brunner forscht am Departement Umweltwissenschaften der ETH Zürich zu den Themen Klimastrategien, CO2-Entfernung, Netto-Null.

Herr Brunner, wie erprobt ist die CCS-Speichertechnik und wo liegen die Risiken?
Die Methode wird beispielsweise in Norwegen beim Standort Sleipner seit 1995 angewendet, um jährlich bis zu 1 Million Tonnen CO2 zu speichern. Global wurden im Jahr 2019 insgesamt 39 Millionen Tonnen CO2 so gespeichert, also etwa die gleiche Menge, wie die Schweiz im Jahr 2019 emittierte.

Risiken sind primär induzierte seismische Aktivitäten – also durch die Speicheraktivitäten angeregte Erdbeben (Anm. d. Red.). Durch eine gute Sondierung der geologischen Stresszonen und eine geeignete Standortwahl kann die induzierte seismische Aktivität jedoch auf ein Niveau gebracht werden, dass das Risiko nicht mehr grösser ist, als jenes betreffend natürliche seismische Aktivität.

Geologische CO2-Speicherung sollte hier nicht verwechselt werden mit Fracking. Bei der geologischen CO2-Speicherung werden bewusst poröse Gesteinsschichten gesucht, um das Kohlendioxid in die Gesteinsporen zu pumpen. Bei Fracking macht man mit viel Druck Risse in undurchlässiges Gestein, um das enthaltene Erdöl herauszubekommen. Zudem findet stets ein Monitoring statt: Nach der Sondierung der Geologie wird die Migration von CO2 zuerst simuliert und dann nach der Injektion mit Messgeräten regelmässig verfolgt.

Und wie steht es um die Dauerhaftigkeit?
Die geologische CO2-Speicherung zählt zu den dauerhaftesten Methoden, die wir kennen, um Kohlendioxid an einem Wiedereintritt in die Atmosphäre zu hindern. Studien rechnen damit, dass das CO2 wegen der involvierten physikalischen und chemischen Prozesse über mehrere 100'000 Jahre eingeschlossen sein sollte.

Es gibt übrigens auch natürliche Kohlendioxid-Felder – analog zu Erdgasfeldern. Das enthaltene CO2 ist darin bereits seit mehreren Millionen Jahren eingeschlossen.

Der Weltklimarat IPCC hat CCS eine grosse Rolle in seiner Strategie zugesprochen, das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen. Bis 2100 sollen weltweit um die 700 Milliarden Tonnen CO₂ eingelagert werden. Was halten Sie von diesem Ansatz?
Die CO2-Entfernung und CCS sind unvermeidbar, um die globale Erwärmung zu stoppen. Bei der CO2-Entfernung wird CO2 aus der Atmosphäre gefiltert, bei CCS aus den Abgasen von grossen Industrieanlagen. Bei beiden fällt, je nach Methode, reines CO2 an, welches am Wiedereintritt in die Atmosphäre gehindert werden muss. Die primäre Methode dazu ist die geologische Speicherung von CO2.

Wieso sage ich unvermeidbar? Wenn wir die globale Erwärmung stoppen wollen, müssen wir unsere Treibhausgasemissionen auf Netto-Null senken (vereinfacht gesagt). Selbst wenn wir grösste Anstrengungen betreiben würden, bringen wir jedoch nicht alle Treibhausgasemissionen auf null. Methan und Lachgas in der Landwirtschaft oder bei Kläranlagen, Kältemittel in Wärmepumpen, Narkosegase – das sind alles Beispiele von Treibhausgasemissionen, die wir vermutlich nicht ganz wegbekommen.

Daher zielen wir auf Netto-Null statt auf null Treibhausgasemissionen hin. Bei Netto-Null reduzieren wir unsere Treibhausgasemissionen so gut es geht und für jene Emissionen, die sich nur schwer vermeiden lassen, entfernen wir gleichzeitig eine gleichwertige Menge CO2 wieder aus der Atmosphäre. So, dass es für das Klima so wirkt, wie wenn wir gar nichts emittiert hätten.

Rechnet sich die Technik wirtschaftlich?
Solange es faktisch gratis ist, CO2 in die Atmosphäre zu emittieren, ist die kurzfristige wirtschaftliche Rentabilität nicht gegeben. Bei der Emission einer Tonne CO2 entstehen jedoch Folgekosten in der Grössenordnung von 300 bis 800 Franken. Im Vergleich liegen die Kosten für die Speicherung bei 2 bis 25 Franken pro Tonne CO2.

Hinzu kommen der Transport und das Herausfiltern. Wird das CO2 aus Abgasen gefiltert, liegen die Gesamtkosten ungefähr bei 80 bis 250 Franken pro Tonne CO2, bei einer Entfernung des CO2 aus der Atmosphäre heute bei 600 Franken, in der Zukunft schätzungsweise bei 100 bis 200 Franken pro Tonne CO2.

Der Energiebedarf fällt auch ins Gewicht, einfach, weil wir gigantisch viel CO2 emittieren: Für das Netto-Null-Ziel der Schweiz werden schätzungsweise etwa zwei bis drei Prozent des Schweizer Primärenergieverbrauchs aus dem Jahr 2021 benötigt, um CCS-Speichertechnologie zu betreiben.

Ist die Nordsee für CCS ideal oder gibt es besser geeignete Standorte?
Die Nordsee ist insofern geeignet, als dass es dort eine geschätzte Speicherkapazität von 100 bis 900 Milliarden Tonnen CO2 gibt, welche in unmittelbarer Nähe zum Festland liegt. Unter dem Festland gibt es nur deutlich begrenztere Speichermöglichkeiten, einfach wegen der geologischen Gegebenheiten.

Der Untergrund in der Schweiz ist noch unzureichend untersucht, um genaue Speicherpotenziale zu nennen. Die aktuellen Schätzungen sind entsprechend sehr unsicher und bewegen sich um 50 bis 2000 Millionen Tonnen CO2.

Gibt es Pläne für CCS in der Schweiz?
Die Schweiz sieht vor, ihre Kehrichtverbrennungsanlagen mit CCS auszustatten, um so die CO2-Emissionen aus unseren Abfällen zu reduzieren. Erste Anlagen sollen 2026 bis 2030 mit CCS nachgerüstet werden. Da die Speicherkapazitäten in der Schweiz noch ungewiss sind, ist eine CO2-Speicherung in der Nordsee am wahrscheinlichsten. Dafür fehlt es aber an einer Transportinfrastruktur von der Schweiz zur Nordsee, was einer der Hauptgründe dafür ist, wieso viele CCS-Projekte stocken.