Prozesse Berner Obergericht muss Tötungsdelikt von 2011 neu beurteilen

SDA

1.11.2018 - 16:53

Das Berner Obergericht befasst sich seit Donnerstag erneut mit einem Tötungsdelikt im Jahr 2011 in der Agglomeration Bern. Auf Geheiss des Bundesgerichts müssen die Berner Richter den Fall neu beurteilen.

Der Beschuldigte ist ein 39-jährige Türke, der einen Landsmann erschoss. Wegen vorsätzlicher Tötung in Notwehrexzess verurteilte ihn das Obergericht 2016 zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Der Türke zog das Urteil ans Bundesgericht weiter, weil ihn das Obergericht als zweite Instanz nicht nochmals zu den Vorwürfen befragt hatte.

Das Bundesgericht gab ihm recht. Die Befragung des Beschuldigten sei unerlässlich - gerade in einem Fall, wo Aussage gegen Aussage stehe. Das Versäumnis holte das Obergericht am Donnerstag nach.

Der Fall dreht sich um zwei Türken, die Kontrahenten im gleichen Metier waren. Am 26. Dezember 2011 eskalierte der Streit bei der Bushaltestelle Steinhölzli im Könizer Ortsteil Liebefeld.

Der Beschuldigte gab zwei Schüsse aus kurzer Distanz ab, einer davon traf das Opfer tödlich im Brustkorb. Umstritten ist, ob der Beschuldigte seine Waffe in einer Notwehrsituation zückte, die sein Handeln rechtfertigte, oder ob er trotz allem nicht angemessen reagierte.

"Ich hatte Todesangst"

Er habe sich mit seinem Kontrahenten eine Rangelei geliefert, schliesslich seien sie gemeinsam zu Boden gestürzt, erklärte der Mann am Donnerstag. Er habe mehrere Mitglieder der Bande seines Kontrahenten wahrgenommen, Schläge vor allem gegen den Kopf einstecken müssen und plötzlich einen Baseballschläger gesehen.

"Ich hatte Todesangst", sagte der Mann. In diesem Moment habe er seine Pistole gezückt. "Das war eine spontane Reaktion, es war keine Überlegung dahinter." Die Waffe habe er eigentlich nicht einsetzen wollen. Er wünschte, dass dies alles nicht passiert wäre - denn es war der Wendepunkt in seinem Leben. Mittlerweile ging sein Unternehmen in Konkurs, er ist arbeitslos.

Der Bruder des Opfers äusserte vor Gericht Unverständnis dafür, dass der Beschuldigte sieben Jahre nach der Tat noch immer frei herumlaufe und sogar Ferien in der Türkei machen könne. Er verstehe das ganze System nicht und habe auch kein Vertrauen mehr zu den Anwälten.

Zwei Gutachten

Auch zwei Ballistiker wurden am Donnerstag eingehend befragt. Ihre Gutachten lassen verschiedene Schlüsse zu, wie sich die Schussabgabe genau zugetragen hat. Ob der Beschuldigte den tödlichen Schuss in stehender oder liegender Position abgab, lässt sich nicht eindeutig bestimmen.

Die Plädoyers folgen am Freitag. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch eröffnet werden. Der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt, nachdem sich Angehörige der beiden Männer nach dem ersten Prozess vor dem Obergericht in die Haare geraten waren.

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