Klimadebatte Gewerbeverband sistiert Zusammenarbeit mit der Stadt Bern

SDA

5.6.2019 - 18:07

Der Stadtberner Gewerbeverband übt heftige Kritik am rot-grünen Gemeinderat, dieser betreibe unter dem Deckmantel einer Klimaoffensive wirtschaftsfeindliche Politik.
Der Stadtberner Gewerbeverband übt heftige Kritik am rot-grünen Gemeinderat, dieser betreibe unter dem Deckmantel einer Klimaoffensive wirtschaftsfeindliche Politik.
Source: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Dem Gewerbeverband KMU Stadt Bern stösst die jüngste Klimaoffensive des Gemeinderats sauer auf. Der Verband sistiert daher Gespräche und Projekte mit der Stadt. Stadtpräsident Alec von Graffenried bedauert dies.

Eine Gesprächsverweigerung sei immer unangenehm, sagte von Graffenried der Nachrichtenagentur Keystone-sda. Schliesslich gehe es ja darum miteinander die Stadt zu entwickeln. Doch zwingen könne man den Gewerbeverband zum Mitmachen nicht.

KMU Stadt Bern werde aber weiterhin eingeladen, sich einzubringen, betonte der Berner Stadtpräsident. Von Graffenried bestritt, dass die Stadt eine wirtschaftsfeindliche Politik betreibe. Gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen sei Bern wichtig.

Gewerbefeindliche Politik

KMU Stadt Bern vermisst von der rot-grünen Stadtregierung den Willen und Bestrebungen, «eine starke Wirtschaft zu fördern oder auch nur zu erhalten». Die Stadt betreibe unter dem Deckmantel einer Klimaoffensive gewerbefeindliche Politik, so der Vorwurf von KMU Stadt Bern.

Konkret kritisiert der Verband unter anderem, dass die Stadt aus «Entwicklungsschwerpunkten Arbeit» Wohnquartiere machen wolle. Auch zentrale Verkehrswege sollen geschlossen werden, was lange Umfahrungen zur Folge habe. Im Gegenzug würden dann wiederum Verkehrswege und Publikumsparkplätze reduziert, um Klimaschutz zu betreiben.

Nachdem die Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft von KMU Stadt Bern «auf keinen fruchtbaren Boden» gefallen sei, will sich der Verband «resigniert» von weiteren Gesprächen in Projekt- und Mitwirkungsgruppen sowie ihm aussichtslos erscheinenden Projekten zurückziehen.

Bei dem vom Verband angesprochenen «Entwicklungsschwerpunkt Arbeiten» geht es um das Gebiet Weyermanns West. Grundeigentümer seien die Burgergemeinde Bern und die Post. Sie wollen laut von Graffenried das Gelände verstärkt für das Wohnen nutzen. Die Stadt sei also nicht der Auslöser dieser Veränderungen. Von Graffenried gab ausserdem zu bedenken, dass Wohnungsbau auch der Wirtschaft etwas bringe.

Zur Kritik an den Verkehrsmassnahmen in der Innenstadt betonte von Graffenried, dass die Stadt die C02-Ziele über den motorisierten Individualverkehr erreichen wolle und dass der Gewerbeverkehr privilegiert behandelt werden soll. Es werde also weiterhin möglich sein, in der unteren Altstadt Servicefahrten oder Anlieferungen zu tätigen.

Mit dem Verschwinden der Parkplätze sei es für die Gewerbler sogar leichter, zu den Geschäften zu gelangen als wenn alles zuparkiert sei. Der Gewerbeverkehr soll sich gemäss Stadtpräsident möglichst staufrei und flüssig durch die Stadt bewegen können.

Neue Massnahmen

Ende Mai gab die Berner Stadtregierung über 20 neue Massnahmen bekannt, die dafür sorgen sollen, dass die CO2-Emissionen auf dem Stadtgebiet schneller zurückgehen als bisher.

Unter anderem soll die Zahl der öffentlichen Parkplätze halbiert und das Angebot an privaten Parkplätzen bei Neubauten weiter eingeschränkt werden. Auf den städtischen Strassen will der Gemeinderat möglichst flächendeckend Tempo 30 einführen, da ein ruhiger und konstanter Verkehrsfluss zu weniger Treibstoffverbrauch führe.

Die Innenstadt soll dereinst komplett autofrei sein. Öfters als bisher soll es autofreie Sonntage geben – und zwar grossflächig. Stärker fördern will der Gemeinderat den öffentlichen Verkehr.

«Es ist höchste Zeit, dem Klimanotstand zu begegnen», betonte Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne Freie Liste) Ende Mai. Das Ziel sei, dass die Pro-Kopf-Emissionen in Bern bis 2035 auf eine Tonne CO2 pro Jahr zurückgehen.

Unmut schwelt schon länger

Die Wirtschaftsverbände der Stadt Bern haben bereits Anfang April ihren Unmut über die Stadtberner Verkehrspolitik kundgetan. Sie forderten, dass die Stadt nicht nur den Verkehr beruhigt und Tempo-30-Zonen einführt, sondern auch Projekte umsetzt, die dem Gewerbe- und Wirtschaftsverkehr nützen.

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