Frauenstreik 4000 Frauen demonstrieren in St. Gallen für Gleichberechtigung

SDA

14.6.2019 - 18:25

Rund 4000 Frauen und Männer aus der Ostschweiz haben am Freitag in St. Gallen für gleiche Rechte demonstriert. Vor der Kundgebung trafen sich Frauen aller Altersgruppen zu verschiedenen Aktionen in Städten und Dörfern.

Der 14. Juni ist ein Schlüsseldatum für die Gleichstellung von Mann und Frau in der Schweiz. 1981 hiess das Volk den entsprechenden Verfassungsartikel gut. Zehn Jahre später streikten eine halbe Million Frauen.

Zum zweiten Frauenstreik in der Geschichte der Schweiz reisten am Freitag viele Ostschweizerinnen nach St. Gallen, wo ein breit abgestütztes Komitee den Streiktag vorbereitet hatte. Herzstück war die Kundgebung durch die Innenstadt, an welcher sich laut der St. Galler Stadtpolizei rund 4000 Personen beteiligten.

Der lilafarbene Zug, in dem hauptsächlich Frauen mitmarschierten, führte vom Streikplatz in der Marktgasse durch den Klosterbezirk zum Bahnhof und wieder zurück. Mit dabei waren neben Frauen aller Altersgruppen auch Gewerkschaften, Familien, Männer, Politikerinnen und Politiker, Schauspielerinnen und Schauspieler.

Weniger Lohn – früher Feierabend

Die Aktion startete um 15.24 Uhr beim Vadian-Denkmal. Diese Zeit war wegen der Lohnungleichheit bewusst gewählt worden. Bei einem Arbeitstag bis 17 Uhr könnten die Frauen aufgrund des Lohnunterschieds nämlich bereits um 15.24 Uhr die Arbeit niederlegen, hatten die Veranstalterinnen im Vorfeld des Frauenstreiks gesagt.

«Vorwärts mit dem gleichen Lohn, alles andere ist ein Hohn!» oder «Ufe mit de Frauelöhn, abe mit de Boni!» skandierten die Frauen auf dem mehrere hundert Meter langen Demonstrationszug durch die Gassen der Altstadt.

Männer hüten Kinder

Am Vormittag hatten sich viele Frauen auf dem Streikplatz in der Marktgasse auf die Kundgebung vorbereitet. Während die Kinder im Märlizelt oder auf dem Spielplatz von Männern betreut wurden, griffen die Frauen zu Pinsel und Farbe. Gemeinsam kreierten sie Spruchbänder und Plakate.

Wer noch kein lila oder violettes Kleidungsstück oder Accessoire hatte, konnte sich an einem Marktstand mit T-Shirts, Tüchern oder einer Fahne eindecken. Reissenden Absatz fanden die Frauenstreik-Buttons mit der geballten Faust mit dem rot lackierten Daumennagel im Venussymbol auf violettem Hintergrund.

An einer Start-Aktion um 11 Uhr auf dem Streikplatz nahmen mehrere hundert Frauen teil, beobachtet von Passantinnen und Passanten, für die es zeitweise kein Durchkommen durch die belebte St. Galler Innenstadt mehr gab. Während einer Viertelstunde verharrten die Frauen in einer selbst gewählten Heldenpose, während die Manifest-Forderungen des Frauenstreiks verlesen wurden. Zum Schluss skandierte der Chor unter Trommelwirbeln: «Gleichstellung jetzt!»

Geschäftsfrau unter Vormundschaft

Auf einem feministischen Stadtrundgang durch die Altstadt wurden kaum bekannte Vorkämpferinnen vorgestellt. Ziel sei, Frauen sichtbar zu machen, die sich im letzten oder vorletzten Jahrhundert unter schwierigen Bedingungen für Frauenanliegen einsetzten, sagte die Historikerin Jolanda Schärli, welche die Rundgänge initiiert hatte.

Zu erfahren war beispielsweise, unter welch schwierigen Bedingungen Carola Zollikofer-Bayer 1856 das Spielwarengeschäft Zolli Bolli gründete. Wie alle verheirateten Frauen stand die erfolgreiche Geschäftsfrau unter der sogenannten Geschlechtervormundschaft. Weil ihr Mann in einer Psychiatrischen Anstalt war und seine Rolle als Rechtsvertreter nicht wahrnehmen konnte, durfte Carola Zollikofer nur mit dem Einverständnis eines amtlichen Vormunds Geschäfte machen.

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