Kantonsverfassung Appenzell Ausserrhoden erteilt flächendeckendem Proporz eine Absage

gn, sda

20.2.2024 - 14:19

Im Ausserrhoder Kantonsrat wird seit Montag über die neue Kantonsverfassung debattiert. (Archivbild)
Im Ausserrhoder Kantonsrat wird seit Montag über die neue Kantonsverfassung debattiert. (Archivbild)
Keystone

In Appenzell Ausserrhoden ist in der neuen Kantonsverfassung ein flächendeckender Proporz bei der Wahl des Parlaments vorerst vom Tisch. Der Regierungsrat muss einen Vorschlag für ein bundesrechtskonformes Mischsystem ausarbeiten.

Keystone-SDA, gn, sda

In Appenzell Ausserrhoden ist die Diskussion über das Wahlsystem für den Kantonsrat ein Dauerbrenner. Der Entwurf für eine neue Verfassung sah den Proporz anstelle des bisher majorzgeprägten Mischsystems vor. Aktuell wird einzig in Kantonshauptort Herisau nach dem Proporzwahlsystem gewählt, in allen anderen 19 Gemeinden wird das Majorzwahlsystem angewandt.

Ende 2023 hatten sich die Stimmberechtigten deutlich gegen den Vorschlag des Regierungsrats ausgesprochen, die Zahl der Gemeinden von 20 auf drei bis fünf zu reduzieren. Damit war die Frage der Gemeindestrukturen geregelt und die Totalrevision der Kantonsverfassung, die seit 1995 in Kraft ist, konnte vorangetrieben werden.

Dem Volk eine Auswahl bieten

Der Regierungsrat befürwortete die Einführung des Proporzes. Die vorberatende Kommission verlangte am Dienstag, dem zweiten Tag der Beratung der neuen Verfassung, die Regierung solle bis zur zweiten Lesung zwei Varianten ausarbeiten. Die Stimmberechtigten sollten so entscheiden können, ob auf den Proporz umgestellt oder das Mischwahlsystem beibehalten wird.

«Wir wollen den Proporz nicht durch die Hintertür einführen», sagte der Sprecher der Kommission. Das Proporzwahlsystem sei das gerechtere Wahlsystem. Beim Majorz würden bis zu 50 Prozent der Stimmen nicht berücksichtigt.

Die Regierung unterstützte den Antrag der Kommission. «Die Bevölkerung soll in dieser heiklen Frage eine Auswahl haben», sagte Landammann Yves Noël Balmer (SP). Der Proporz biete juristisch weniger Risiken. Wahlkreise ab neun Mandaten müssen laut Bundesgericht zwingend im Proporz wählen. Ein flächendeckender Proporz sei sicherer. Die Regierung sei aber offen, Varianten auszuarbeiten, so Balmer.

Modernisiertes Mischsystem

«Das Mischsystem ist ein Erfolgsmodell», sagte Daniel Bühler (FDP/Speicher). Auf das in der Schweiz bald einzigartige Wahlsystem sei er stolz. Bühler stellte zusammen mit Margrit Müller (PU, Hundwil) den Antrag, die Regierung mit der Ausarbeitung eines modernisierten Mischsystems zu beauftragen, das jeder Gemeinde mindestens einen Sitz garantiert.

Die Gegner der Majorzwahl kritisierten, dass kleinere Gruppierungen kaum Chancen hätten, gewählt zu werden. Im Proporz würden dagegen Minderheitsmeinungen sichtbar und erhielten mehr Stimmen. Wenn sich der Antrag Bühler/Müller durchsetze, werde die Diskussion um das Wahlsystem abgeklemmt. «Die Frage von Majorz und Proporz ist eine Machtfrage», sagte Judith Egger (SP, Speicher). Es sei bereits der siebte Anlauf für die Einführung des Proporzes.

Der Antrag von Bühler/Müller obsiegte mit 35 gegen 29 Stimmen gegenüber dem Antrag der vorberatenden Kommission. Der Antrag einen Vorschlag unter Beibehaltung des Mischsystems ausarbeiten zu lassen, wurde schliesslich mit 42 gegen 20 Stimmen angenommen.

Begriff Landammann soll bleiben

Der Verfassungsentwurf umfasst 138 Artikel. Zu den wichtigsten Änderungen gehören die Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre und die Stärkung der Volksrechte. Ausländerinnen und Ausländer sollen künftig politisch mitbestimmen können, sobald sie zehn Jahre in der Schweiz gewohnt haben.

Am traditionellen Begriff Landammann für den Regierungspräsidenten will das Parlament festhalten. Das Obergericht soll künftig vom Kantonsrat gewählt werden. Der Kantonsrat stimmte der bereinigten Vorlage in erster Lesung mit 54 gegen 6 Stimmen und einer Enthaltung zu.

Nach der ersten Lesung folgen die Volksdiskussion, deren Auswertung und die zweite Lesung im Parlament. Abschliessend kommt es dann zu einer Volksabstimmung.